Yakuza 6: The Song of Life ist das letzte Kapitel der epochalen Spielereihe um den Vollblut-Gangster mit einem Herz aus Gold: Kazuma Kiryu. Ab jetzt bei uns für PS4 erhältlich haben wir uns die japanische Gewalt-Oper zum Test gekrallt. Schlagen Gameplay, Story, Schauplätze und Mini-Games so ein, wie die Kicks unseres Helden?
von Christoph Geretschlaeger
17. April 2018: Über sechs Spiele prügelte sich der groß gewachsene, auftrainierte, ewig Mitte 30-aussehende Protagonist Kazuma Kiryu durch verfeindete Yakuza-Clans, die koreanische Mafia und gewöhnliche Straßenkriminelle. Meistens mit nur einem Ziel: seine Freunde und Familie zu beschützen. Bei der Kidnapping-Rate in seinem Freundeskreis würde man aber meinen, er mache keinen besonders guten Job.
Die ganze Story ist relativ konvolut, Entwickler Capcom skizziert auf einer eigenen Webseite jedoch in kompakter Comic-Form den Werdegang von Kazuma Kiryu, vom Möchtegern-Yakuza zum Fourth Chairman des Tojo-Clans (quasi im Aufsichtsrat). Nach dem genialen Prequel aus dem Vorjahr, Yakuza 0, erzählt Yakuza 6: The Song of Life nun vom Ende einer Ära. Bereits am 8. Dezember in Japan erschienen, ist es ab jetzt (17. April) auch bei uns für PS4 zu haben.
Yakuza 6 ist ein Spiel der langen Reden. Die Leute unterhalten sich, drehen sich zweimal im Kreis und unterhalten sich noch ein bissl mehr. Alles sehr dramatisch und natürlich mit ernster Miene. In den langen Zwischensequenzen, in denen nicht mal die Illusion der Entscheidungskraft gewahrt wird, schaltet sich auch gerne mal der Controller aus (15 Minuten Inaktivität). Wer damit und einer Story die einer Seifenoper um nichts nachsteht umgehen kann, ist hier gut aufgehoben. Die Untertitel (englische oder gar deutsche Vertonung gibt es nicht), mit einem recht erzwungenen “Dialekt”, werden auf die Dauer recht mühsam. Aber eine lieblose Übersetzung/Nachvertonung hätte sich Yakuza nicht verdient, deswegen ist es mir so fast lieber.
Und was passiert eigentlich, wenn die Stimmen schweigen? Dann fliegen die Fäuste. Kiryu haut mit Combos aus Schlägen und Tritten Gegnergruppen kurz und klein. Zwischendurch wird auch gerne geklammert. Das Highlight sind die Heat-Actions, kontextsensitive Ereignisse, die man mit einem beherzten Knopfdruck auslöst. Ein Bodyslam mit einem Fahrrad oder eine Rhinoplastik mit einem Verkehrshuterl sind noch die zahmsten Sachen. Brutal ist Yakuza definitiv. Pistolen sind selten und stellen eigentlich keine große Gefahr dar. Im Japan Yakuzas werden halt lieber Faustwatschen verteilt.
Da kommen wir auch zum storymäßigen Hauptkritikpunkt. Durch die Aversion gegenüber tödlicher Waffengewalt werden Bosse zwar windelweich geprügelt, aber nicht umgebracht. Das führt leider dazu, dass sie eine Stunde später, weil es die Story so will, erneut zusammengeschlagen werden müssen. Das wiederholt sich meistens nicht nur einmal und ist auch mein Problem mit früheren Titeln der Yakuza-Reihe. Von der Story möchte ich nicht zu viel verraten, außer, dass es um ehemalige J-Pop-Stars, unbekannte Väter und einen japanischen Morgan Freeman geht. Mit mehr Wendungen als der Monaco-Grand-Prix. Und wir bekommen Takeshi ohne seine Burg zu sehen.
Das funkelnde Kamurocho mit seinen Casinos und Kabarett-Clubs ist erfahrenen Yakuza schon bekannt. Durch versteckte Safes und die dazugehörigen Schlüssel bekommt die Welt eine neue Vertikalität, das Erforschen lohnt sich. Als Kontrast zur Glitzerwelt im Herzen Tokios dient ein verschlafenes Fischernest in Hiroshima. Dort hat Kiryu nicht nur mit begrenzten Öffnungszeiten, sondern auch mit Geistern zu kämpfen.
Die Bosse und der gemeine Pöbel auf der Straße liefern Erfahrungspunkte, die unser Held in verbesserte Combos und mehr Leben und Schaden investieren kann. Kämpfe steigern körperliche Attribute wie Vitalität und Stärke. Die zahlreichen Nebenaktivitäten, die für viele interessanter sind als das Hauptspiel, liefern Punkte für die Verbesserung der geistigen Kapazitäten. Weg ist die Notwendigkeit für den schnöden Mammon. Musste man in Yakuza 0, um an das nötige Kleingeld zu kommen, noch stundenlang Immobilien managen (mit tatkräftiger Unterstützung von Michael Jackson äh Miracle Johnson und einer Henne …), reicht nun stetes Prügeln und Vergnügen.
Wenn die Kämpfe schwieriger werden, sollte man in seinen Körper investieren, am besten im Fitnessstudio. Wer fleißig trainiert (schnelle und/oder rhythmische Knopfdrücke) und dann auch noch genau das isst was der Personal Trainer empfiehlt, ist auf bestem Weg zum Traumbody. Wer zuerst gesund isst und dem Trainer ein Bild schickt kann sich danach auch mal ein Steak gönnen. Mit der richtigen Kombination aus Menü-Gegenständen gibt es sogar Bonus-Erfahrungspunkte und mehr Lebenspunkte werden wiederhergestellt. Ja, all diese Mechaniken gibt es in Yakuza 6.
Generell wurden aber im Vergleich zum Vorgänger viele Systeme vereinfacht und zusammengelegt. Für Einsteiger in die Serie sicher kein Fehler, für erfahrene Yakuza leider etwas enttäuschend.
Da wir vorher von “Neben”-Aktivitäten gesprochen haben. In Yakuza 6 geht es in den großen Side-Activities diesmal um Baseball und den Aufbau eines Clans. Die Baseball-Simulation ist irrsinnig liebevoll und detailliert, konnte mich aber gar nicht fesseln. Und den Clan-Battles fehlt mit einer Ausnahme die feste Integration in die Story. Wie ein Fremdkörper hängen die Ansprechpersonen in einer Bar ab und warten darauf dass Kiryu aus der Vogelperspektive Welle um Welle von Schlägern, Anzugträgern mit Pistole oder Assassinen in Traininghosen feindlichen Bossen auf den Hals hetzt.
Erwähnenswert ist noch das Speerfischen und mein persönliches Highlight: Virtua Fighter 5. In den Spielhallen der Stadt kann man sich mit der stellenweise kniffeligen AI messen, oder auch gegen einen Kumpel vor dem Fernseher. Ganz zu Schweigen vom Managen eines Katzen-Cafès …
Yakuza 6: The Song of Life ist eine grandiose, verspielte Gewalt-Oper in Untertiteln. Gesungen wird aber nur beim Karaoke. Die Kämpfe bleiben mit den abwechslungsreichen Heat-Actions interessant, verlieren aber den Anspruch mit den zahlreichen Energydrinks und Muskelpulvern die Leben wiederherstellen. Die Story hat ihre Längen, man kann sich aber wunderbar in die Intrigen hineinsteigern. Da ist Reich & Schön Gute Laune TV dagegen.
Ich hab meine Zeit mit dem Spiel genossen, mit der Haupstory war ich in gut 20 Stunden durch. Nach 25 habe ich es wieder weggelegt, die Minigames konnten mich nicht fesseln. Im Baseball-Käfig war mein Timing einfach zu schlecht und bei den Sex-Chatrooms gab es zu wenig Model-Abwechslung. Zum Vergleich: ich habe in den (besseren) Vorgänger Yakuza 0 rund 80 Stunden gesteckt. Dem angehenden Yakuza würde ich daher eher zu 0 raten. Wer dann noch nicht genug hatte, kann ruhigen Gewissens zu Yakuza 6 greifen. Im Herbst wartet schon das letztens angekündigte Yakuza Kiwami, ein Remake des allerersten Teils.
Yakuza 6 ist seit 17. April exklusiv für die PS4 im Handel und im Playstation-Store erhältlich. Vorab kannst du auch schon die Demo ausprobieren, die die ersten drei Kapitel umfasst.
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Alle Bilder: (c) Sega
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.