WarioWare: Get it together! bietet die gewohnt irrwitzigen Microgames, aber jetzt mit spielbaren Charakteren. Partyhit oder Flop? Unser Test.
von Klaus Kainz
Mit WarioWare Get it Together kehrt Nintendos berühmtester Antiheld ins Rampenlicht zurück. Auf Gameboy Advance erschien der erste Ableger von Warios Minigame-Spinoff WarioWare, das auf schnelle Reflexe und abgefahrenen Humor setzte. Das funktionierte etwas anders als gewöhnliche Minispielsammlungen wie Mario Party & Co. WarioWare ballert (fast) im Sekundentakt Miniaufgaben raus, die mit kontinuierlich steigender Geschwindigkeit fehlerfrei zu bewältigen sind. Für die sogenannten Microgames gibt es keine thematischen Einschränkungen – man versenkt einen Slamdunk, rasiert Warios Bart oder bügelt ein Hemd.
Abstruse Gags begleiten das ohnehin hektische Gameplay: in manchen Levels sind eure Lebenspunkte lachende Discokugeln, Steuerkommandos sind mit Quietschgeräuschen unterlegt, oder abfotografierte Nintendo-Mitarbeiter formen Spieleblöcke. Das war auf dem Gameboy ein Erfolgskonzept, aber wurde innerhalb kürzester Zeit mit gleichförmigen Nachfolgern ausgereizt, weswegen die Serie lange in den Giftschrank verbannt wurde. WarioWare: Get it Together! auf Nintendo Switch ist der erste vollwertige neue Ableger der Reihe seit ihrem Wii-Ausflug 2007.
Spielerisch bleibt sich Wario treu, hat aber neue Tricks parat. Der Clou: Erstmals übernimmt man direkte Kontrolle über Marios ikonischen Widersacher, statt die hektischen Mikro-Aufgaben mit simplen Knopf-Kommandos oder Bewegungsgesten zu lösen. Auf Switch steuert man ein sich abwechselndes Team aus Warios Gefolgschaft, während man sich in den Microgames befindet. Wobei alle spielbaren Charaktere eigenständige Movesets haben. Wario hat eine Rammattacke und kann mit einem Jetpack über den Bildschirm düsen. Charaktere wie die Hexe Ashley haben Schussattacken. Andere bewegen sich automatisch, oder nur per Enterhaken. Muss man eine Gesichtsmaske entfernen, kann Wario hinfliegen und sie abziehen, während andere Charaktere sie einfach vom Gesicht schießen können.
Früher hätte man das mit einem Knopfdruck oder Schütteln des Controllers gelöst. Die Lösungsansätze hätten sich zudem nie grundlegend geändert, während nun jedes Microgame pro Charakter anders gedacht werden muss. Der Außerirdische Orbulon beispielsweise kann mit seinem Magnetstrahl Spielchen wie das Leeren eines Münzsacks besser lösen als andere Charaktere, aber ihm fehlt eine Angriffsaktion, was andere Aufgaben erschwert, wie das Entkommen aus einer brüchigen Glasflasche.
Warios Fratze erscheint diesmal in High Definition auf den Bildschirmen, aber WarioWare ist kein Grafik-Powerhouse. Das will es aber gar nicht sein. Das visuelle Design hüpft beliebig zwischen unterschiedlichsten Stilen, sei es Kindergekritzel, Low-Polygon-Art, Pixeloptik oder dramatischer Manga-Look. Schält man in einem Microgame eine dreidimensionale Banane, befindet sich darin ein gekritzteltes Bikini-Männchen, das euch zuzwinkert (oder manchmal ein posierender Muskelmann). Holt man Plastik aus dem Meer, tanzen daraufhin heitere Robben. Man schwebt an einer Stelle durch alte Super Nintendo-Klassiker, an anderer durch einen antiken WC-Tempel und in Zwischensequenzen richtet eine riesige Wario-Nase Verwüstungen an. Das macht den Appeal von WarioWare aus. Man weiß nie, was einem nach ein paar Sekunden Neues um die Ohren fliegt.
Wegen des hohen Tempos hatte man die Micro-Challenges der frühen WarioWare-Games in wenigen Stunden alle gesehen. Get it Together versucht dem entgegenzuwirken – ist dabei aber leider nicht wirklich erfolgreich. Durch die große Anzahl freispielbarer Charaktere bekommen zwar alle Microgames unterschiedliche Spielweisen spendiert, wodurch sich die Highscore-Jagd je nach Teamwahl anders spielt. Das Spiel bietet aber keinen Anreiz, alle Mikro-Aufgaben mit jedem Charakter auszuprobieren. So ist die Kampagne in 2 bis 3 Stunden schaffbar – mit zusätzlichen 2 Stunden, wenn man alle Minigames und Charaktere zumindest einmal gesehen haben will und den ein oder anderen Highscore zu ergattern versucht.
Zudem hinkt das neue Charaktertausch-Konzept dem Gameboy Advance-Erstling etwas hinterher. Ein zeitloser Appeal war dort die Schlichtheit. Die Ziele der Microgames waren sofort ersichtlich und meist mit einem oder wenigen Knopfdrücken erledigt. Wario & Co. nun selbst zu steuern ist neu, macht “Get it Together” aber weniger intuitiv und potentiell weniger attraktiv für ein spontanes Wiederspielen, wie noch die Vorgänger.
Der größte Mehrwert im Serienvergleich liegt beim Multiplayer. Erstmals kann ein zweiter Spieler ins Chaos einsteigen und die komplette Kampagne zum Partyspaß umgestalten. Aber Vorsicht: Internet-Funktionen sind unausgereift. Online stehen zwar wöchentliche Challenges zur Verfügung, für die man seine Charaktere aufleveln und leicht visuell umgestalten kann. Die Coop-Features sind aber lediglich lokal abrufbar. Wer mit seinen Freunden nur über das Netz spielen kann, sitzt auf dem Trockenen.
Als Ausgleich will sich Get It Together als Wundertüte präsentieren, indem es diverse Zusatzmodi, überwiegend lokale Mehrspieler-Optionen (hier bis zu vier Spielern), nach der Hauptkampagne bereitstellt. Manche davon, wie eine Art Pseudo-Smash Bros., sind aber zu simpel, um langfristig zu unterhalten. Den größten Benefit bieten die Modi, in denen die Microgames aus der Hauptkampagne mit unterschiedlichen Bedingungen gegeneinander gespielt werden.
Besonders Newcomer dürfen sich durchaus überlegen, Wario beim Kauf des nächsten Switch-Partyspiels den Vorrang zu geben. Denn WarioWare hat ein ganz eigenes Feeling. Es ist wie eine spielbare Version wahnwitziger japanischer Gameshows, fast schon so klischeehaft, wie sie uns immer in Filmen wie Lost in Translation oder etlichen Sitcom-Parodien präsentiert wurden. Nahezu jede Interaktion mit der irren Welt von Wario’s Gefolgschaft hält Überraschungen und Witz parat – sei es allein oder zu mehrt.
Allerdings sollte man gründlich abwägen, ob man dem Gierschlund Wario wirklich den Vollpreis spendieren will. Das liegt besonders am geringen Umfang von Get it Together, der nur durch lokalen Multiplayer und kleine Online-Challenges etwas aufgewertet wird. Für Veteranen der Reihe umso mehr. Im Kern-Gameplay will sich Get it Together von den Ursprungs-Titeln abheben, fühlt sich aber dennoch zu vertraut an und verliert etwas den Fokus der Vorgänger. Wer Interesse an Wario hat und den Nintendo 3DS noch nicht verbannt, könnte WarioWare Gold als Option in Betracht ziehen. Diese günstigere Remaster-Collection mit Microgames der ganzen Reihe hatte etwas mehr Umfang, aber wurde von vielen übersehen, weil sie herauskam, als die Switch den 3DS bereits lange beerbt hatte.
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