Von wegen fröhliche Weihnachten! Der stets depressive Santa Claus möchte eigentlich nur Geschenke ausliefern, gerät dabei aber unfreiwillig in eine ziemliche Violent Night mit Geiselnahme, Prügelei, Schießerei und ganz viel Blut. Eindeutig der Weihnachtsfilm des Jahres.
von Susanne Gottlieb
Stranger Things-Star David Harbour in Leder als Weihnachtsmann, der böse Buben verdrischt? Das ist wohl ein Ticket, dass sich an der Ticketkassa selbst lösen sollte. Der etwas andere Weihnachtsfilm von Tommy Wirkola, der sich mit Dead Snow und Hänsel und Gretel: Hexenjäger bereits einen Namen als Exploitation-Regisseur von historischen und mythologischen Figuren gemacht hat, verspricht Weihnachtsfeeling, ein paar Fäuste und ganz viel Unterhaltung.
Aber kann der Film diese Erwartungen auch einlösen? Ist er wirklich ein Highlight der Kinostarts im Dezember? Oder klingt der Pitch besser als das Endergebnis? Wir verraten euch, warum ihr euch dieses Jahr auf jeden Fall Zeit für diesen Santa Claus nehmen solltet und er wohl nach seiner sicherlich erfolgreichen Kinotour nächstes Jahr wohl auch in unsere Liste der 24 besten Weihnachtsfilme, die im Stream zu sehen sind, landen wird.
Seit tausenden von Jahren beschert Santa Claus (David Harbour), der einst als brutaler Wikinger Zerstörung in die Welt brachte, die Kinder dieser Welt mit Geschenken, um Freude zu bringen. Doch die Kids sind zu egoistisch geworden, wollen zu viel, und können sich nicht mehr ihrer Geschenke erfreuen. Santa ist daher kurz davor, das Handtuch zu werfen und den Laden dicht zu machen.
Währenddessen erreicht die kleine Trudi (Leah Brady) mit ihren sich entfremdeten Eltern Jason Lightstone (Alex Hassell) und Linda (Alexis Louder) das üppige Anwesen ihrer Großmutter Gertrude (Beverly D’Angelo). Dort soll sie mit ihren Eltern und Tante Alva (Edi Patterson), deren Partner Morgan (Cam Gigandet) und ihrem Cousin Bert (Alexander Elliot) Weihnachten feiern. Der Haussegen hängt hier schon länger schief. Die Eltern haben sich durch den Druck von Jasons reichem Elternhaus entfremdet. Alva steht ständig in selbstauferlegter Konkurrenz zu Jason. Und alle versuchen immer nur Gertrude zu hofieren.
Als Santa am Haus der Lightstones ankommt geht es aber genau in diesem Moment Schlag auf Schlag. Die Catering-Firma für das große Fest ist nämlich gar keine Catering-Firma. Es ist die Crew von Oberbösewicht Mr. Scrooge (John Leguizamo), der nicht nur Weihnachten hasst, sondern auch an die 300 Millionen Dollar im Safe der Lightsstones kommen will. Das eisige Fest verwandelt sich in eine blutige Geiselnahme. Nachdem Santas Rentiere ihn auf der Flucht im Haus zurücklassen, besinnt sich Santa auf den Weihnachtsgeist und seine Wikinger-Vergangenheit. Er beginnt in dem Haus ordentlich aufzuräumen.
Es ist kein Geheimnis – die besten Weihnachtsfilme sind doch meist die, die sich dem Thema des Weihnachtsfriedens auf kritische, satirische oder mit Hau-drauf-Mentalität nähern. Stirb Langsam, Gremlins, Elf, Kevin allein zu Hause oder Schöne Bescherung sind absolute Klassiker des Genres. Und genau diese Filme sind es, die Violent Night hier genüsslich zitiert. Man könnte fast sagen, so wie sich die kleine Trudi später den Einbrechern und Geiselnehmern mit kleinen Fallen erwehrt, ist es sogar ein richtiger Liebesbrief an Kevin und seine feuchten Banditen.
Am nähesten kommt das Ganze hier aber noch an einen kleinen französischen Film, der es popkulturmäßig nicht in die Analen der Weihnachtsklassiker geschafft hat. Deadly Games von 1989 handelt von einem Jungen, der ebenfalls meint mit Santa Kontakt aufzunehmen, wobei es sich eigentlich um einen psychotischen Verbrecher handelt, der in die Villa eindringt und gegen den sich der Junge verteidigen muss. Auch Trudi nimmt zu ihrem, diesmal guten, Santa Kontakt via Walkie Talkie auf. Die ausgiebigen Gespräche der Beiden und das Reflektieren über das Leben, Liebe und Wünsche sind der emotionale Grundpfeiler des Films. Sie verhindern, dass der Streifen rein ins Zerstörerische abgleitet.
So wie die Tagline auch David Harbour in Leder war, so lebt der Film auch von seiner Performance. Sein Santa ist kein eiskalter Rambo, sondern ein enttäuschter Mann, der nach Sinn sucht. Dass er sein Glück nur in der symbolischen Phallusverlängerung durch seinen Hammer findet und ungestüm testosterongeladene Schwünge in Richtung Schädel und sonstige Körperpartien damit ausführt, ist aber weniger regressiv der Genderpolitik, sondern zwangsweise ein wichtiger Handlungsumschwung solcher Filme. Und es macht Spaß so richtig kitschig Blut spritzen zu sehen, die kreativen Weisen aufzulisten, wie die Geiselnehmer nach der Reihe ausgeschalten werden und die Familie dabei zwangsweise näher zusammenrücken muss. Die Verwandschaft kann man sich nun mal nicht aussuchen.
Violent Night mag nicht so originell wie die Horrorkomödie Ready or Not sein, die die Regeln des Genres nochmals kräftig auf den Kopf stellte. Aber er ist solide gemacht und verbeugt sich ehrfurchtsvoll vor den großen Filmen, die vor ihm gekommen sind. Allein, dass die Filmmusik von Dominic Lewis Anleihen an die Kevin-Filme, und daher an den großen John Williams nimmt (ohne ihn aber zu kopieren) zeigt, wie viel Detailverliebtheit hier drinnen steckt. Die Lightstones sind ein furchtbarer, dysfunktionaler Haufen, mit zu vielen Halsabschneidern, Influencern und großspurigen Möchtegern-Schauspielern. Aber gerade das macht sie so sympathisch und nachvollziehbar. Man kennt das ja von sich selbst daheim. Wer will schon, dass hier eine langweilige Bilderbuch-Familie gerettet wird.
Violent Night ist eine kurzweilige, vielleicht nicht originelle, aber liebevolle Genre-Unterhaltung. Der Film sollte auch Weihnachtsmuffel so richtig auf den Geschmack der Weihnachtssaison bringen.
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Aufmacherfoto: (c) Universal
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.