In Oklahoma herrscht Tornadosaison, und die Sturmjäger sind bereits unterwegs. Klingt bekannt? Immerhin geht es hier um die Fortsetzung des wilden 90er-Hits. Warum Twisters zwar sinnbefreit, aber doch unterhaltsam ist und warum es genau geht, liest du in unserer Kritik.
von Susanne Gottlieb, 18. 7. 2024
Er mag der breiten Masse zwar etwas in Vergessenheit geraten sein – aber in den 80ern und 90ern verewigte sich der niederländische Filmemacher Jan de Bont in einigen der größten Hollywood-Blockbustern. Erst als Kameramann in Filmen wie Stirb langsam, Black Rain, Jagd auf Roter Oktober, Flatliners oder Basic Instinct. Später als Regisseur von Filmen wie Speed oder Twister, bevor er mit Speed 2 und Lara Croft finanzielle Flops einfuhr.
Twister war ein von der Kritik wenig goutierter, aber vom Publikum heiß geliebter Karacho-Blödsinn, in dem Helen Hunt und Bill Paxton als beinahe getrenntes Ehepaar auf Tornadojagd gehen, um ein neues Messsystem im Auge des Tornados zu aktivieren. Aber ähnlich wie der Scully- oder der Indiana Jones-Effekt, bewegte er eine ganze Generation dazu, Meterologie zu studieren. Als Bill Paxton 2017 starb, schrieben Tornadojäger als Hommage sogar mittels GPS-Tracker seine Initialen auf Online-Karten.
Nun, knapp 30 Jahre später, gibt es also ein Sequel. Noch mehr Tornados. Noch mehr Action. Noch mehr schräger Wahnsinn. Doch geht die Rechnung auf? Das verraten wir hier in unserer Kritik. Übrigens: Ebenfalls neu im Kino Deadpool und Wolverine (da geht’s zu unserer Review).
Eigentlich hätte es die Krönung ihres Doktoratstudiums werden sollen, die Schleuse für Geldgeber und Forschung. Doch dann kommt alles ganz anders. Die brillante Meterologie-Studentin Kate Cooper (Daisy Edgar-Jones) möchte mit ihrem Team, darunter ihr Freund Jeb (Daryl McCormack) und der chaotische Javi (Anthony Ramos) auf Tornadojagd gehen, um das Messsystem Dorothy, der einzige Bekannte aus dem Vorgängerfilm, in dessen Auge zu entfesseln. Doch der Sturm entpuppt sich als ein wahres Monstrum, und bläst ihre gesamte Crew weg. Nur Kate, an einer Metallstange klammernd, und Javi, fernab des Auges Daten sammelnd, überleben.
Fünf Jahre später hat sich die von Schuldgefühlen geplagte Kate ein bequemes, wenn auch unaufgeregtes Leben in einer Wetterstation in New York aufgebaut. Doch dann steht Javi eines Tages vor ihrer Tür und bittet sie, mit ihm nach Oklahoma zurück zu kommen. Private Geldgeber haben ihn die Idee, die einst Dorothy war, weiterentwickeln lassen. Man will ein 3D-Modell des Tornados anlegen. Doch dafür braucht es jemanden, der Stürme so gut wie Kate vorhersagen kann. Vor allem in der gegenwärtigen Wetteranomalie, in der anscheinend fast jeden Tag irgendwo ein Wirbelwind entsteht.
Doch Javi, Kate und ihre Crew sind nicht die einzigen, die Tornados jagen. Die YouTube-Gang rund um Tyler Owens (Glen Powell) versucht auch jeden Sturm für sich zu reklamieren. Lästig. Aber irgendwie ist dieser Cowboy ja doch sympathisch. Und Kate bald nach ein bisschen Recherche über die Geldgeber nicht mehr so sicher, ob sie wirklich für die Guten arbeitet.
Fans werden sich erinnern: Der große Höhepunkt des Originals waren Paxton und Hunt, wie sie sich im Auges des Tornados an eine Eisenstange klammerten. Auf so einen simplen Effekt muss man in diesem Film nicht mehr bis zum Schluss warten. Vielmehr kämpfen sich die Helden schon zu Beginn gleich durch das Auge eines Orkans. Auch später fegt ein heftiger Tornado nach dem anderen über die Gruppe hinweg, löst sich spontan auf, reißt Autos mit, zerschlägt Raffinerien oder zerzaust einfach nur ein wenig die Haare. Fast hat das Ganze etwas von der Absurdität eines Sharknado-Films: Die flexibeln physikalischen Gesetze, die berühmt-berüchtige “Plot-Armor”, die verhindert, dass den Figuren auch nur ein Haar gekrümmt wird.
Doch der Film weiß, wie er mit seiner Absurdität Spaß haben muss. Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass der Regisseur dieses Orkanwahnsinns eigentlich für eine ganz andere Art von Film berühmt wurde. Lee Isaac Chung hatte bisher eher mit langsamen, reflexiven Dramen wie Munyurangabo, Abigail Harm oder dem hochgelobten Minari von sich hören lassen. Dass er nun bei Twisters Regie führt, ist ein ziemlich radikaler Genrewechsel. Aber Chung versteht es, den feinen Humor des Drehbuchs, die menschlichen Momente festzuhalten. Sicher, die generelle Handlung folgt dem Original fast wie eine Blaupause. Aber dennoch findet er genug individuelle Qualitäten in seinen Figuren, um sie interessant zu machen. Vor allem Powell, der seinen großspurigen Cowboy-Helden gerade perfektioniert, und die stets, in all ihren Rollen von Dämonen getriebene Edgar-Jones.
Ansonsten heißt es, wie so üblich für einen modernen Blockbuster: Mehr davon und größer. Die CGI-Stürme wirken beizeiten etwas zu fake, und im letzten Drittel scheint es, also wolle der Film plötzlich drei verschiedene Geschichten erzählen. Wovon er sich aber bedächtig zurückhält, ist eine Öko-Botschaft zu vermitteln. Es werden immer mehr Stürme pro Jahr, heißt es im Film. Man müsse was tun. Das Wort Klimawandel nimmt aber niemand in den Mund. Laut Chung, weil man eben nicht belehren wolle. Anzunehmen ist, dass man wohl Angst hatte, eine große Zahl an Zuschauern, die nicht gerne “woke” Themen durchkaut, zu verschrecken.
Diese Angst, Dinge anzuteasern und dann auch nur irgendwie anzuecken, lastet etwas auf dem Film. Doch vielleicht hat Chung auch Recht. Im Endeffekt geht es um eine Gruppe sehr gutaussehender Menschen, die mit ihrem Leben inmitten einer Tornado-Saison russisches Roulette spielen. Die Bösen sind zwar nicht mehr alle ganz so weiß und heternormativ wie damals unter Cary Elwes. Aber der zukünftige Superman David Corenswet als Javis dubioser Geschäftspartner Scott macht da schon vieles wett. Das offensichtliche Colour-Coding, dort die Fiesen im monochromen Look, dort die Guten in einer bunten Alt-Fashion-Explosion, ist die schönste 90er-Nostalgie die man sich wünschen kann. Das Alte mit dem Neuen mischen und wie einen Orkan auf die Zuschauer loslassen. Der Film traut sich.
Twisters ist manchmal zu groß, zu dumm und auch zu feig seine Botschaft zu vermitteln. Aber er macht wirklich Spaß. Und hat auch tolle Darsteller.
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Alle Fotos: © Warner Bros
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.