Acht Jahre nach dem letzten Jennifer-Lawrence-Abenteuer kehren wir nach Panem zurück. In diesem Prequel geht es um den Werdegang des späteren President Snow. Ob das der Reihe neues Leben einhauchen kann? Unsere Kritik.
von Susanne Gottlieb
16. November 2023: In den 2010ern war Hollywood ganz verliebt in die Verfilmung dystopischer Young Adult Romane. Ein Teenager nach dem anderen musste die Welt retten. Ausgangssituation war der Wunsch, den Erfolg der Harry Potter-Filme zu reproduzieren. Die Tribute von Panem, basierend auf den Romanen von Suzanne Collins, schien zunächst auch diesen Erfolg fortzuführen.
Doch spätenstens ab dem Moment, an dem die Divergent-Reihe scheiterte und auch die Teilung des letzten Romans (Die Tribute von Panem: Mockingjay) in zwei Filme die Geschichte eher unnötig ausdünnte, ist die Liebe zu dem Genre erkaltet. Das Prequel über Bösewicht President Snow, Die Tribute von Panem: The Ballad of Songbirds and Snakes (Kinostart 16. 11.), soll nun die Reihe wiederbeleben. Warum das aber nur bedingt gelingt, lest ihr hier. Und, wenn du nach Alternativen suchst: Das sind die weiteren Filmstarts des Monats.
Lange bevor Katniss Everdeen in der Arena der Hunger Games bestehen musste und sich dabei einem riesigen medialen Spektakel unterwarf, waren die Spiele noch ein kleines Event, das für wenige Stunden in einer alten, nackten Steinarena lief und kaum Zuschauer anzog. Erfunden von Uni-Professor Casca Highbottom (Peter Dinklage), und gemanaged von Gamemaker Dr. Volumnia Gaul (Viola Davis), stehen die Spiele kurz vor der Absetzung, als die Idee entsteht, für die zehnten Spiele erstmals Mentoren einzusetzen. Diese sollen die Tribute betreuen. Wer seinen Schützling zum Sieg führt, gewinnt ein prestigeträchtiges Preisgeld.
Coriolanus Snow (Tom Blyth) ist ein mit seiner Großmutter und Cousine Tigris (Hunter Shafer) in Armut lebender Student der Akademie. Er und seine Kommillitonen sollen die ersten Mentoren werden. Um seine Ausbildung weiter finanzieren zu können, braucht er das Preisgeld. Andere, wie sein Kollege Sejanus Plinth (Josh Andrés Rivera), hadern mit diesem Schicksal. Coriolanus wird die junge Sängerin Lucy Gray Baird (Rachel Zegler) aus Distrikt 12 zugeteilt. Tigris ermutigt ihn, sie am Bahnhof zu begrüßen, was auch die Aufmerksamkeit der Medien auf die beiden lenkt. Plötzlich scheint doch ein Weg gefunden zu sein, um den Spielen Aufmerksamkeit zu bescheren. Das Spektakel, das emotionale Unterstützen eines Kandidaten und das Sponsoring sind neue Aspekte, die die Spiele neu beleben. Doch wollen das alle Beteiligten überhaupt? Und wie weit ist Coriolanus bereit zu gehen?
In Panem ist alles beim Alten. Zwar schaut die Welt noch etwas weniger exzentrisch aus als in späteren Jahren, in denen Figuren wie Elizabeth Banks’ Effie Trinket und ihre Garderobe, oder Tigris komplett zu einem Katzenwesen umoperiertes Gesicht noch stärker herausstachen, aber die Macher haben sich für eine faszinierende visuelle Anleihe an die 50er entschieden. Die abgerundeten Fernsehbildschirme, die altmodischen Mikros, der Wettermann Lucretius Flickermann (Jason Schwartzmann), der zufällig auch zum ersten Moderator der Spiele wird. Es ist kein Zufall, immerhin waren die 50er auch der Aufstieg der Fernsehunterhaltung, dem auch in unserer Welt das mediale Spektakel und die öffentliche Exploitation folgten.
Francis Lawrence, der Regie bei allen Vorgängern außer dem ersten Film führte, kehrt auch mit versierter Beständigkeit in den Regiesessel zurück. Fast ist es, als wäre man all die Jahre nicht weggewesen. Aber genau da liegt auch das Problem. Der Film bietet wenig Neues oder Überraschendes, was dieses Aufwärmen alter Geschichten wirklich rechtfertigen würde. Erneut sind Spiele zu bestreiten, erneut sticht ein Tribut aus Distrikt 12 heraus, erneut werden Loyalitäten und politische Überzeugungen gemessen. Da hilft es auch nicht, dass der Film in drei Kapitel unterteilt ist und das letzte sogar noch lange nach den Spielen in Distrikt 12 stattfindet. Auch hier fühlt sich die Geschichte eher in die Länge gezogen an, als wirklich komplex an.
Donald Sutherland hatte die Rolle einst als zwiespältiger Präsident, mit Faszination und Irritation gegenüber Katniss angelegt. Tom Blyth interpretiert die Figur eher konserativ schwarz-weiß, ihm fehlt das raue Charisma einer Jennifer Lawrence. Zegler macht ihre Sache überraschend gut, trotzdem bleibt ihre Figur zu abstrakt, zu ungreifbar, als das man sich für sie begeistern könnte. Die Helden der Stunde sind Schwartzmann, der seine Rolle als Lucretius Flickermann genüsslich auskostet und den sonst so großartigen Stanley Tucci als einen späteren Flickermann würdevoll beerbt, sowie Viola Davis, die mit farblich schrägen Kontaktlinsen und wirrem Haar sichtlich Spaß daran hat, das Klischee einer verrückten Professorin auszuleben.
Die Tribute von Panem: The Song of Songbirds und Snakes schaut gut aus und mag die größten Fans begeistern. Wirklich die Reihe wiederbeleben wird der Film aber letztendlich nicht.
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Alle Fotos: (c) Constantin Film
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.