Diesmal hat es der schwedische Satiriker Ruben Östlund auf die Reichen und Schönen abgesehen. Und das wird zur einer destruktiv-bösen Angelegenheit.
von Susanne Gottlieb
Wenn man innerhalb von fünf Jahren zweimal die Goldene Palme in Cannes gewinnt, dann hat man wohl was richtig gemacht. Der Schwede Ruben Östlund hat wieder zugeschlagen. Schon 2014 hat er Berühmheit erlangte, indem er in Force Majeure zeigte, wie ein verweichlichter Familienvater sich nicht eingestehen kann, dass er seine Familie im Falle einer Katastrophe zurücklassen würde. Oder als er sich 2017 in The Square über die Kunstwelt lustig machte. In seinem ersten rein englischsprachigen Film, in dem die Südafrikanerin Charlbi Dean übrigens in ihrer letzten Rolle zu sehen ist (sie verstarb am 29. August), setzt er auf Chaos, Demütigung, Schlagabtausche, aber auch auf den grundlegenden Optimismus, dass der Mensch doch gut ist.
Warum man Triangle of Sadness auf jeden Fall eine Chance geben sollte, das erfährt ihr hier. Was sonst noch im Kino startet, seht ihr in unserem Kinoguide November.
Die Models Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean) sind ein Paar. Doch hinter dem Glamour verbirgt sich weniger wahre Liebe, sondern scheinbar ein auf gegenseitigem Nutzen basiertes, sexuell aufgeladenes Verhältnis. Nachdem man sich erst im Restaurant spektakulär um die Rechnung streitet, und wer wann wieviel zahlt, wird sowieso bald klar, dass Geld nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die beiden werden nämlich wegen Yayas Influencer-Berühmtheit auf eine Luxuskreuzfahrt auf das Schiff von Kapitän Thomas Smith (Woody Harrelson) eingeladen. Dort treffen sie auf den reichen Russen und Kapitalisten Dimitri (Zlatko Burić), der im Ostblock mit dem Verkauf von Düngemittel reich geworden ist. Außerdem auf dessen Frau Vera (Sunnyi Melles), die britischen Waffenhändler Clementine (Amanda Walker) und Winston (Oliver Ford Davies) und die nach einem Schlaganfall in ihrem Sprachgebrauch eingeschränkte Therese (Iris Berben).
Der Austausch von Protzigkeiten und Höflichkeiten findet aber ein jähes Ende als das Käpitänsdinner bevorsteht. Vera verlangt in einem Anflug eines oberflächlichen, ignoranten Mutter Theresa Komplex, dass ausgerechnet am Tag des Kapitänsdinners alle Crewmitglieder schwimmen gehen sollen. Das führt unweigerlich dazu, dass das Essen nicht mehr frisch ist. Dann hat der exzentrische Smith auch noch ausgerechnet den einzigen Tag ausgewählt, an dem es ein Unwetter und Wellengang geben soll. Und zu guter Letzt sind da auch noch Piraten, die die Yacht entern wollen.
Dass das Ganze in einer Katastrophe endet und ein paar Überlebende rund um die kompetente Reinigungskraft Abigail (Dolly De Leon) auf einer Insel eine neue Ordnung aufbauen müssen, mag zwar der nächste logische Schritt sein, aber das Highlight des Films ist eindeutig das in Bodyperversion und Fäkalhumor ausartende Dinner, in denen sich zu allem Überdruss der alte Kapitalist Dimitri und der marxistische Käptn Smith in die Funkkabine einsperren und über Reichtum, Besitz und Gesellschaft zu philosophieren beginnen.
“Ihr alle habt ein gutes Herz”, erklärt ein angetrunkener Smith, aber sie müssten sich nun mal dem gesellschaftlichen Diktat der Besitzanhäufung und der Gier unterwerfen. “Zahlt eure Steuern.” Im Kern, zeigt Östlund, dass er ein kleiner Romantiker ist, der an das Gute im Menschen glaubt. Seine Figuren mögen öberflächlich sein, den Standards ihrer Welt unterworfen, doch letztendlich ist da auch etwas Verbindendes. Auch wenn sich selbst auf einer Insel Gucci, Burberry und der ganze Rest nicht vollständig abschütteln lassen.
So ist es vor allem der letzte Teil, der zwar noch ein paar pointierte Beobachtungen macht, aber im Vergleich zum hervorragenden Mittelteil etwas zu plakativ daherkommt. Das Ende ist etwas absehbar. Die Rolle von Abigail, die selbst herrische Züge entwickelt, ein etwas unterentwickelter Kommentar, ob die einfache Putzfrau genauso wenig zum Anführen geeignet ist und von Macht korrumpiert wird. Östlund hat hier in seiner Bissigkeit, in der Schärfe seiner Beobachtungen im Vergleich zu früheren Filmen eindeutig nachgelassen.
Doch wer schon immer einen Blick auf die Yacht von Aristoteles Onassis und Jackie O werfen wollte, weil diese dient im Film als Kreuzfahrt-Gefährt, oder Spaß an Körperausscheidungen hat, dem sei der Film auf jeden Fall ans Herz gelegt.
Triangle of Sadness mag zwar nicht so pointiert wie andere Werke Östlunds sein, macht aber Spaß und wartet mit einigen köstlichen Sequenzen auf der Yacht auf. Nicht verpassen.
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Aufmacherfoto: (c) Alamode Film
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.