Fußball mit Beeinträchtigten als Herzensangelegenheit: Thomas Hanreiter ist nicht nur selbst begeisteter Kicker, als Trainer der Special Violets des Vereins Austria Wien engagiert er sich für Inklusion und zeigt, was wahren Sportsgeist ausmacht. Unser Held des Monats im Gespräch über ein besonderes Projekt, das sogar Rivalitäten zum Erzrivalen überwindet.
von Verena Fink
Ernst und bestimmt sieht der Fußballtrainer beim Interview in die Kamera: “Bühnen werden gerade diesen Menschen viel zu wenig geboten, die es eh schon schwierig haben im Leben.” Thomas Hanreiter weiß, wovon er spricht. Im Dreierteam organisieren, trainieren und motivieren Trainer Leo Vasile, ein Zivildiener und Hanreiter ein Team beeinträchtigter Fußballbegeisterter. 28 Spieler zählt das Team, bei dem Toleranz groß geschrieben wird: Sehbehinderte, Gehörlose, Betroffene von Zerebralparese und mental beeinträchtigte wie z.B. Spieler mit Downsyndrom zeigen ihr Können auf dem Feld. “Wir haben die komplette Bandbreite” meint Hanreiter. Den aktuellen Kader findest du hier auf der Website des Fußballclubs Austria Wien.
Tipp! Sehr inspirierend ist auch die Geschichte von Behindertenmagazin-Moderator Andreas Onea – hier nachzulesen. ORF Sportmoderator und Spitzenschwimmer mit nur einem Arm.
Trainiert wird immer einmal wöchentlich am Dienstagabend. In der Austria Wien Academy wird dann all das gemacht, was “eine Nachwuchsmannschaft bis zu einem gewissen Grad auch macht”. Kondition, Koordination, Technik, Spielformen. Abgestimmt auf die verschiedenen Beeinträchtigungen macht das Team gemeinsam das Feld unsicher. “Manchmal trennen wir aber doch ein wenig nach Können, um Fortschritte sowohl bei den Schwächeren als auch bei den Stärkeren zu erzielen.” Sich zu verbessern sei ja trotzdem das Ziel, so Hanreiter. In etwas abgewandelter Form trainieren die Spieler gleich hart wie Nicht-Beeinträchtigte – was sich zu lohnen scheint: die Truppe hat nämlich schon so einige Turniere gewonnen – wie zum Beispiel den Inklusionscup.
Hanreiter ist seit sechs Jahren Trainer der Special Violets. Besonders wichtig ist dem Wiener, dass Beeinträchtigten-Sport mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. “Ich denke, je mehr man an die Öffentlichkeit geht, umso mehr kann man auch die Gesellschaft aufrütteln.”. Auch aus persönlichen Gründen ist ihm das Projekt besonders wichtig: “Das ist eine Herzensangelegenheit, weil in der Familie der eigene Sohn das Downsyndrom hat.”
Die Special Violets bestehen seit 2016 und wurden von Ex-Profifußballer Roman Stary gegründet. Er organisierte die Mannschaft in Zusammenarbeit mit dem Club der Freunde des Fußballklubs Austria Wien (von dem die Truppe finanziell unterstützt wird) und dem Wiener Behindertensportverband. Vorreiter dieser Idee war Stary allerdings nicht – so inspirierte das Special Needs Team von Lokalrivale Rapid die Gründung der Special Violets. Trainer beim Fußballteam ist Stary allerdings nicht mehr. Dafür übernahm nun das Dreierteam das Kommando.
Zusammengekommen ist die Truppe durch Sichtungstage, die immer noch jedes Jahr stattfinden. Dort wird dann gewählt und entschieden, wer zum Team dazustoßen darf. Immer wieder können nämlich Spieler aus beruflichen Gründen oder aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht mehr mittrainieren. Um bei den Special Violets mitmachen zu können, zählt nicht nur ein guter Umgang mit dem Ball: auf die soziale Komponente im Team wird großer Wert gelegt. Laut Hanreiter sei es nicht immer leicht gewesen, das zu berücksichtigen. Mittlerweile ist das aber kein Problem mehr: “Sie helfen sich einfach untereinander die ganze Zeit” meint der Trainer. “Schuhbänder werden gegenseitig gebunden oder wenn einer Schwierigkeiten beim Anziehen hat, wird geholfen.” Ein echtes Team eben.
Außer den Special Violets gibt es in Österreich noch einige andere Mannschaften mit beeinträchtigten Spielern. Sowohl bei größeren als auch bei kleineren Vereinen. “Es kommt schon in die Gänge“, meint der Trainer dazu. Der Kontakt zu den anderen Vereinen ist beständig und gut, mit der Rapid Special Needs Mannschaft fährt das Team sogar gemeinsam aufs Trainingslager. “Auch wenn am Feld während den 90 Minuten Rivalität herrscht, wir verstehen uns trotzdem alle.”
Hanreiters größtes Highlight ist es, jede Woche aufs Neue wieder zum Training kommen zu können. Er merkt, wie gern auch die Spieler immer mit dabei sind. “Das heißt, wir machen vieles richtig” meint er stolz. Wann sie das nächste Mal wieder ein Turnier bestreiten können, steht noch in den Sternen – gehofft wird auf ein bis zwei Spiele noch im Frühjahr.
In unserer Serie stellen wir euch jeden Monat Menschen vor, die durch ihr soziales Engagement, ihre Kreativität oder ihre Leidenschaft in der Freizeit Besonderes leisten:
Helmuth Stöber von VOI fesch: “Geht um Talent, nicht um Behinderung”
Magdalena von Veganimals: “Wir essen hier niemanden!”
Schmuck aus Wiener Street Art: Birdlys Upcycling-Kunst
Evelyn Brezina – Aktivistin im Rollstuhl: “Erlebe die Welt wie eine kleine Abenteurerin!”
Sophie Tschannett von Muschikraft: “Der Erfolg kam unerwartet!”
Comedian David Stockenreitner: “Pessimismus lässt mich oft im Stich”
Felix Hnat: „Früher habe ich mich über Vegetarier:innen lustig gemacht“
Perrine Schober von Shades Tours: “Ein Sprungbrett für Obdachlose!”
Thomas Hanreiter: “Brauchen mehr Bühnen für Behindertensport”
Bettinas HandiCats: “Sie sind so dankbar, dass sie leben dürfen!”
Aufmacher © FK Austria Wien / Heinz Köhler
Verenas journalistische Palette reicht von wilden Festivalberichten über coole Wien-Guides und Reels bis zu einfühlsamen Interviews.