Im Rest der Welt mag er vielleicht nicht bekannt sein, in Israel ist er ein Nationalheld: der Spion Eli Cohen. Er war in den 60ern jahrelang als Undercover Agent in Syrien eingeschleust und seine Informationen trugen maßgeblich dazu bei, den Sechstagekrieg zu gewinnen und die Golanhöhen zu besetzen. Netflix bringt nun seine Geschichte in The Spy in Serienformat. Warum das Resultat nur bedingt funktioniert, lest ihr in unserem Review.
5. September 2019: Der Mossad, Israels Geheimdienst, mag zwar eine sehr verschwiegene Organisation sein, hatte aber über die letzten Jahrzehnte einige der besten Spionagegeschichten zu bieten. Viele wurden bereits verfilmt, wie der Prozess Adolf Eichmanns und Steven Spielbergs München über das Massaker an elf israelischen Olympia-Athleten durch palästinensische Geiselnehmer. Diese Bandbreite von Infiltrierung, Rettung, Sabotage und Mord seitens des Geheimdiensts bot sich immer wieder als dramatischer Filmstoff an.
Mit The Spy geht Autor/Regisseur Gideon Raff (kreierte die israelische Vorlage des amerikanischen Homeland mit Claire Danes) die in Israel ikonische Geschichte des legendären Spions Eli Cohen an, der sich in den 60ern in Syrien einschleusen ließ. Mit Sacha Baron Cohen in der Hauptrolle hat Raff sogar einen entfernten Verwandten des Agenten vor der Kamera.
Ab 6. September läuft die sechsteilige Serie auf Netflix. Wir durften sie vorab sichten und berichten euch in unserer Kritik, wie sehenswert sie ist. Helden-Tipp! Hier findet ihr die besten Netflix-Serien aller Zeiten in einem ultimativen Ranking – mit Beschreibung, was sie auszeichnet.
Israel, 1961: Der ursprünglich aus Ägypten stammende Jude Eli Cohen (Cohen) lebt seit ein paar Jahren in Israel und möchte zum Mossad. Dieser Wunsch erfüllt sich, als der Agent Dan Peleg (Noah Emmerich) nach einem mit der arabischen Kultur vertrauten Agenten sucht, der die syrische Oberschicht infiltrieren kann. Anfang der 60er kämpft Israel noch immer um die Grenzziehung des jungen Staates, mit Syrien gibt es Uneinigkeiten über die Golanhöhen. Die Angriffe von syrischer Seite und die wachsende Zahl an Toten sind etwas, was die israelische Regierung nicht mehr hinnehmen will.
Um Zugang zu den Entscheidungsträgern zu erhalten, nimmt Cohen die Identität von Kamel Amin Thaabet an. Dieser besitzt die Legende eines syrisch stämmigen reichen Businessman aus Argentinien, der in die alte Heimat zurückkehren will. Kamel wird über die Jahre zunehmend populär in den sozialen Kreisen von Syriens Elite und sogar eine Position in der Regierung von Präsident Amin Al-Hafez angeboten. So weit kommt es jedoch nicht und die Serie zeigt auch die dramatischen Momente, als Cohens Cover in sich zusammenbricht.
Mit der Lebensgeschichte des Eli Cohen erfüllt sich Serienschöpfer Gideon Raff einen lang gehegten Traum. Zum einen erzählt sie viel über ein prägendes Jahrzehnt im Mittleren Osten und wie Grundpfeiler gesetzt wurden, aus denen sich das heutige komplexe Konstrukt der Region ergibt. Vor allem ist sie aber eine persönliche Geschichte von Opferbereitschaft und Patriotismus eines Mannes, der für sein Land bis zum letzten Ende ging.
Cohens Geschichte ist durchaus spannend. Leider schafft es Raff nicht, das auch so umzusetzen. The Spy hat nicht nur dramaturgische Durchhänger, er kann auch keine stimmige Atmosphäre und polierten Look aufbauen. Die klassischen Elemente einer Spionage-Story und die schauspielerischen Leistungen sind da, aber so richtig bleibt die Serie nicht beim Zuschauer hängen.
Positiv hervor sticht der britische Comedian Sacha Baron Cohen, der hier eine weitere ernste Rolle in sein Repertoire aufnimmt. Man nimmt Cohen den einfachen Familienmann genauso ab, wie den luxuriösen, aalglatten Businessman Kamel, der die Eliten mit seinem Reichtum und Charme bezirzt. Wenn Cohen außerdem mit Schnauzer und weißen Unterhemd auftritt, taucht vor dem inneren Auge schon mal die Frage auf, wie er sich als ursprünglich geplanter Freddy Mercury in Bohemian Rhapsody (hier unsere Kritik) geschlagen hätte. Noah Emmerich zieht als Mossad Agent abermals sein The Americans Ding durch. Hadar Ratzon-Rotem als Nadia Cohen schwingt zwischen starker Frau an Elis Seite und einsamer allein erziehender Mutter.
Die Schwächen der Figuren ergeben sich eher aus dem Drehbuch. Einerseits schimpft Dan wie ungeeignet und überehrgeizig Eli ist, im nächsten Moment wird er wieder als Meisterspion und Ausnahmetalent bezeichnet. Eli selbst, der in Ägypten bereits Juden nach Israel geschmuggelt hatte, legt sein Herzblut in die Spionagearbeit. Kurz darauf zweifelt er wieder an der Berufung und überlegt auszusteigen. Bei diesem Ping Pong an Meinungen bekommt man den Eindruck, als hätte Gaff den Handlungsbogen bunt zusammengewürfelt. Die Figuren wenden sich in ihren Überzeugungen so, wie es die Handlung gerade verlangt.
Ratzon-Rotem in Ehren. Wo die Serie dramaturgisch immer an Tempo verliert ist, wenn sie sich von der spannenden Spionagearbeit Elis ab- und dem häuslichen Leben Nadias zuwendet. Ob es nun Bedürfnis war, hier ebenfalls eine weibliche Hauptfigur reinzuquetschen oder Raff den Kern der Geschichte wirklich in der Liebesgeschichte des Ehepaars sah, sei dahingestellt. Es funktioniert nicht, und da ist noch nicht einmal erwähnt, dass der echte Cohen während seiner Zeit in Argentinien zahlreiche Liebhaberinnen hatte.
Nadia mag zwar ein sympathischer Charakter sein, dass sie aber nur alleine herumsitzt und still leidet bringt auf Dauer sehr wenig auf den Tisch. Wie Elis Kontaktmann Dan zwar immer sagt, sie ist der Preis den das Land zahlt, indem es Eli in seinen möglichen Tod schickt. Ab einem gewissen Punkt wird es aber repititiv und stumpft den Handlungsbogen ab. Nadia dient auch nicht als Deklaration der starken Frau. Sie wird als einsam porträtiert und will nicht einmal mit der Freundin in die Oper gehen, „da es ohne ihn keinen Spaß macht“.
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Neben der Lovestory will Raff auch einen tieferen Blick darauf werfen, wie sich das Wandeln zwischen zwei Identitäten auf den Menschen und seinen Charakter auswirkt. Visuell bedient er sich einem ausgewaschenen Look, wann immer Eli sein einfaches Leben in Israel führt. Wenn er in Syrien verweilt schiebt er das Sättigungslevel nach oben. Doch weil die Handlung sich erst mit der dritten Folge nach Damaskus verlagert, dauert es eine Weile, bis dieser Effekt visuell überhaupt Früchte tragen kann.
Nicht nur kann der Flair der 60er Jahre, den Raff hier versucht heraufzubeschwören, nicht richtig fußen, auch das Timing und der Schnitt seiner Serie wirken unzusammenhängend. Immer wieder reiht er Einstellungen unschmeichelhaft aneinander oder hüpft im Flow der Szene. An anderen Stellen stopft er Szenen, die narrativ einen Handlungsstrang abschließen, in die Mitte der Episode anstatt sie stimmungsvoll damit ausklingen zu lassen.
Manche Dialoge sind auch weniger als Interaktion geschrieben, sondern dienen als maskierte Exposition Statements. Dadurch wirken manche Interaktionen unglaubwürdig. Klischeehafte Szenen wie zwischen Dan und seiner Mitarbeiterin Maya, die etablieren, dass beide ein sexuelles Verhältnis haben, ohne dass dies die Handlung unmittelbar beeinflusst, erdrücken das hinzugedichtete Material Raffs.
The Spy mag seine Momente haben, pfuscht aber zu sehr in seinen Einzelteilen, um wirklich ein stimmiges Ganzes zu ergeben. Das ist schade, weil die Geschichte Eli Cohens durchaus spannendes Material geboten hätte und Sacha Baron Cohen eine starke Leistung abliefert. Für einen gemütlichen Netflix-Abend reicht es aber allemal. (sg)
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Alle Fotos: © Netflix
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.