Ruinieren die gesellschaftliche Elite und die Super-Foodies die Küchenkultur? Ja, sagt der Film von Mark Mylod, und zahlt es ihnen in der amüsanten schwarzen Horrorkomödie The Menu so richtig heim.
von Susanne Gottlieb
Essen ist in unserer Welt nicht mehr nur reine Nahrungsaufnahme. Es ist inzwischen zu einem umstrittenen, monetarisch aufgeladenen Grundpfeiler unserer Popkultur geworden. Foodies, Kochshow, die immer kurioser werdene Finde Dining Szene – Essen ist ein Produkt des kommerziellen Selbstausdrucks geworden. Doch was macht das mit dem Akt des Kochens selber? Der Sinnhaftigkeit einer Mahlzeit.
Regisseur Mark Mylod nimmt das zum Ausgangspunkt und schafft mit gut aufgelegten Stars wie Nicholas Hoult, Anya Taylor-Joy und Ralph Fiennes eine herausragende, unterhaltsame Abrechnung mit der Foodie-Szene. Der Film wird uns ab jetzt im Kino aufgetischt. Wir sagen dir in unserer The Menu Kritik, warum uns das Servierte so gut schmeckt. Was sonst noch im Kino läuft, liest du hier in unserer Kinostarts-Übersicht.
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Tyler (Nicholas Hoult) und sein Date Margot (Anya Taylor-Joy) gehören zu einem illustren Kreis an Leuten, die ein Abendessen bei dem exklusiven Restaurant Hawthorne von Chef Julian Slowik (Ralph Fiennes) auf einer einsamen Insel gebucht haben. Dieser hat sich der ausladenden Molekularküche verschrieben, bei der jedes Gericht wie ein Stück Kunst behandelt wird. Mit von der Partie sind noch Food-Kritikerin Lillian Bloom (Janet McTeer), ihr Herausgeber Ted (Paul Adelstein), ein Filmstar (John Leguizamo), das Sternchen Felicity (Aimee Carrero), das ältere Ehepaar Anne (Judith Light) und Richard Liebbrandt (Reed Birney), sowie die draufgängerischen Arbeitskollegen Soren (Arturo Castro), Dave (Mark St. Cyr) und Bryce (Rob Yang).
Während alle begeisterte reiche Foodies sind, ist Margot von dem Pomp dieser Szenerie und von der etwas bizarren Führung über die Insel von Slowiks Assistentin Elsa (Hong Chau) irritiert. Im Restaurant wird es dann noch abgedrehter. Zunächst noch mit den typischen nahrungsarmen exzentrischen Hors d’ouvres konfrontiert, werden die Geschichten, die Slowik erzählt, immer persönlicher. Die Gerichte werden immer absurder. Etwas läuft hier komplett falsch. Und der Abend hat gerade erst begonnen.
Macht unsere Dekadenz die Kunst des Essens, den Sinn der Nahrungsaufnahme kaputt? Als Zuschauer wird man mit seinem eigenen Faible für solche überhöhten Foodie-Konzepte konfrontiert. Erfreut man sich zunächst noch an dieser Kochweise, diesem übertriebenen Konzept, oder lacht man zumindest darüber, so schafft es Mylord, einem ziemlich bald zum Nachdenken zu bewegen. Ist das noch Essen die Kunst des Kochs? Oder ist das nur mehr leere Show? Ein Überhöhen und bitterböser Wettbewerb mit den neuesten Konstruktionen, relevant zu bleiben? Egal wie weit sie sich von ihrem eigentlich Sinn, der Sättigung des Esstriebs, entfernen?
Jedes Gericht, das Mylord am Bildschirm präsentiert, ist dabei nicht nur sorgfältig konstruiert und augenzwinkernd mit Zutaten kommentiert. Es ist auch symbolisch aufgeladen. Unterteilt in Kapitel, widmet sich der Film in jedem Abschnitt unter dem Banner eines weiteren Gangs der nächsten Absurdität in diesem Menüplan. Die Gericht werden dabei immer bizarrer, immer provokativer und sorgen weniger für Gaumenfreuden, sondern für den reinen Horror, wie Essen hier zwecksentfremdet wird.
Es ist Mylord auch anzurechnen, das er hier nicht rein einen “reiche Menschen sind böse”-Plot stümperhaft auf die Leinwand wirft. Die Provokationen seines Protagonisten haben was zu sagen. Die böse Idee, die Slowik und sein Team verfolgen, ist in ihrem Kern stimmig. In einer Szene fordert er den begeisterten Fan Tyler heraus, als erfahrener Foodie selber etwas zu kochen. Das katastrophale Ergebnis verdeutlicht sehr geschickt, einen weiteren Punkt, den Mylord hier machen will. Nicht nur hat uns das Geld ruiniert. Es ist auch unsere Präpotenz überall mitreden zu wollen, uns Wissen anzueignen, von dem wir aber keine Ahnung haben. Zu viele Köche verderben den Brei. Und denen geht es nun an den Kragen.
The Menu ist ein durch und durch unterhaltsamer Film, der nicht gerade zimperlich mit der Food-Schickeria umspringt, und uns daran erinnert, wie sehr wir gastronomische Fähigkeiten eigentlich schätzen sollen.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.