Mit dem eigenen Falken durch die Lüfte segeln und fiese Piraten abschießen, das klingt erstmal verlockend. Ist es in The Falconeer auch. Leider sind im neuen Dogfight-Spiel des Indie-Entwicklers Tomas Sala die Kampfpassagen aber zu dünn gesät. Dazwischen verspricht uns der Launchtitel für Xbox Series X und S atmosphärische Erkundungsflüge durch die Open-World. Einhalten kann es das aber nicht. Unser Test.
Von Sophie Neu
11. November 2020: Bei The Falconeer dürften Fans von Luftkampf-Spielen wie Star Wars: Squadrons hellhörig werden. Als Falkonier steuern wir unseren Kampffalken in schwindelerregenden Höhen durch explosive Gefechte und donnern mit unserer Lanze Blitze auf die Feinde. Die Auseinandersetzungen mit riesigen Piratenschiffen und wendigen gegnerischen Falkonieren machen ordentlich Laune. Aber dazwischen wartet die gähnende Leere in Form der Ursee. Wenig hilfreich ist es da auch, dass die durchaus ausgeklügelte Geschichte hinter den konkurrierenden Fraktionen der Wasserwelt sehr wirr erzählt wird.
Mit dem Launch der neuen Microsoft-Konsole (lest hier 10 Gründe, die für einen Kauf sprechen) ist das Game seit 10. November für Xbox Series X und S und PC erhältlich. Wie uns das Gesamtpaket gefallen hat, lest ihr in unserem Review zu The Falconeer.
Hoch über den Wolken gleiten wir auf unserem riesigen Falken. Unter uns die endlose Ursee und ein kleiner Kutter mit Schatztauchern, die wir zu ihrem Ziel eskortieren müssen. Plötzlich surren zwei berittene Insekten aus dem wabernden Nebel vor uns hervor und greifen mit Säuregeschossen an. Mit einem halsbrecherischen Sturzflug weichen wir aus und setzen gleich zum Gegenangriff mit unseren Blitzstrahlen an. Aus diesem Loop besteht ein Großteil der Action in The Falconeer. Wir begleiten Schiffe, verteidigen Forts auf zerklüfteten Inseln oder beschießen Piratenlager.
Das alles macht richtig Spaß. Die Kämpfe laufen flüssig und erfordern geschickte Manöver, um nicht vom Himmel geschossen zu werden. Wenn wir mit einer geschickten Rolle den feindlichen Geschossen ausweichen, dann löst das einen regelrechten Rausch aus. Das Zielen auf die Feinde funktioniert dank Auto-Aim auch am Controller gut. Nur an visuellem Feedback, ob wir nun getroffen haben oder nicht, mangelt es.
Dafür sind die Gegner der Dogfights abwechslungsreich. Von schnellen Insektenmonstern bis hin zu schwerfälligen fliegenden Schlangen tummeln sich in den Lüften der Ursee allerlei berittene Ungeheuer. Über fünf Kapitel hinweg gesellen sich immer wieder neue kreative und herausfordernde Gegner hinzu. Dabei sind die Schwierigkeitsgrade nicht ganz konsistent. Manchmal steigt die Herausforderung sprunghaft an, nur um im nächsten Kampf abzustürzen. Aber insgesamt macht der Luftkampf in The Falconeer richtig Spaß. Genau hier versteckt sich der Reiz des Spiels. Statt uns aber mit mehr dieser süchtigmachenden Kämpfe zu füttern, lässt das Spiel uns während der langen Flugzeiten über das endlose Meer danach hungern.
Denn den Großteil unserer Spielzeit verbringen wir im Leerlauf mit Botenflügen von A nach B. Und von B nach C. Und wieder zurück. Das wird uns von The Falconeer als atmosphärische Erkundungsreise verkauft. Im Endeffekt hat man sich aber spätestens nach den ersten zwei bis drei Stunden an der schönen, aber sehr eintönigen Low-Poly-Welt sattgesehen. Die zerklüfteten Inseln der Ursee wirken zunächst ungewohnt wild. Und die riesigen Wolkentürme wie mit Aquarell gemalt. Das Erlebnis wird auch vom tollen Soundtrack wunderbar untermalt. Aber mit der Zeit (und vor allem dem vielen Backtracking) verwandelt sich das ewig wogende Meer unter uns und die zehnte Gewitterzelle in der Luftnur mehr zum mühsamen Hindernis. Abwechslung bringen einzig die spärlich gesäten Tempel und Stützpunkte der Bewohnerfraktionen.
Man merkt The Falconeer an, dass sich der Entwickler eine bis ins letzte Detail ausgearbeitete Geschichte für die Ursee überlegt hat. Leider schafft das Spiel es nicht, die auch adäquat zu transportieren. Das deutsche Voice-Acting ist wirklich großartig. Aber zu viele Informationen werden dem Spieler nur nebenher erzählt, so dass er sich die Story selbst zusammenpuzzlen muss. Spärlich animierte Porträtbilder klären uns rudimentär über ihre Pläne auf.
Das ist schade, denn die komplexe Geschichte hat alles, was auch einen spannenden Politthriller ausmacht. Intrigen, Verrat und geheime Bündnisse. Den Verbündeten beim Angriff durch Piraten besser nicht gleich helfen. Lieber etwas warten, dass man sich als großer Retter in der Not inszenieren kann. Oder es heißt ein brandneues Schiff der Konkurrenz nach einem Piratenangriff erst einmal in den sicheren, eigenen Hafen zu eskortierten, man will ja heimlich seine Technologien ausspionieren. Das alles natürlich unter dem Vorwand freundschaftlicher Hilfeleistung. Da wird intrigiert, bestochen und erpresst, was das Zeug hat.
Mit ein Grund, warum uns der Zugang zur Geschichte so schwer gemacht wird, liegt auch an der fragwürdigen Designentscheidung, für jedes Kapitel dem Spieler einen neuen Falkonier vorzusetzen. Aus einer Reihe Templates können wir uns den Falkenschützen aussuchen, der uns am besten gefällt. Unterschiede gibt es letztlich keine. Wohl aber hindert es uns daran, mit unserem Charakter warm zu werden. Wenn wir uns endlich mit unserem Falken angefreundet haben, dann wird uns schon wieder der nächste vorgesetzt.
Merkwürdigerweise nehmen wir unser verdientes Geld aber ins nächste Kapitel mit. Das können wir in Upgrades für unseren Vogel investieren: Schnellere Regeneration der Gesundheit, bessere Beweglichkeit. Die sind durchaus nützlich, verschwinden aber schon im nächsten Kapitel wieder. All das wirkt wirr und undurchdacht. Wenig hilfreich ist es da auch, dass uns das Spiel die genaue Funktionsweise und Relevanz dieser Upgrades nicht weiter in der Story erklärt. Wir fühlten uns insgesamt vom Spiel mit seinen Funktionen alleingelassen.
Mit The Falconeer bringt Tomas Sala ein One-Man-Projekt, dem man seine Überambitionen anmerkt. Viele der großartigen Ideen und Geschichten lassen sich im Spiel nur geradeso erahnen. Die riesige Map wirkt leer und leblos – daran kann auch die sporadisch auftauchende Walflosse in den Wellen nichts ändern. Aber gerade in den Luftschlachten entfaltet es dann doch seine ganz eigene Magie. Wenn wir uns mit unserem Falken schießend um ein großes Luftschiff herumwinden, uns kurz zur Regeneration hinter den Klippen verstecken, um dann wieder anzugreifen. Dann macht The Falconeer das, was es soll: Spaß.
So viele Spiele in so kurzer Zeit. Welche Highlights dich noch diesen Monat erwarten:
Spiele-Releases im November 2020
Aufmacher: Wired Productions
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.