Die Verfilmung des Erfolgsthrillers von Donald Ray Pollock fällt extrem düster und zusammenhanglos aus. Und doch fesselt einen The Devil all the Time an den Bildschirm. Das liegt vor allem an der überzeugenden schauspielerischen Leistung von Robert Pattinson und Tom Holland. Unsere Kritik zum neuen Netflix-Film.
Von Sophie Neu
16. September 2020: Düstere Atmosphäre, amerikanische Kleinstädte in den 50ern und fanatische Religiöse. Die Story von The Devil all the Time wirkt erstmal vielversprechend. Dazu gesellen sich Hollywood-Stars wie Robert Pattinson (der gerade auch in Tenet zu sehen ist) und Spiderman-Ikone Tom Holland. Aber auch wenn vieles an Regisseur Antonio Campos The Devil all the Time überzeugt – im Endeffekt kann auch der grandioseste Cast nicht über das zusammenhanglose Hinundherschwenken zwischen Charakteren hinwegtrösten. Denn für die entwickelt man in den knapp zweieinhalb Stunden Film dadurch absolut keine Emotion. Eine vergebene Chance, wenn man bedenkt, dass die charismatische Stimme aus dem Off Buchautor Pollock höchstselbst ist.
Irgendwo im kleinstädtischen Ohio, irgendwann in der Nachkriegszeit, wird der junge Arvin Russell (Tom Holland) Zeuge, wie sein kriegstraumatisierter Vater (Bill Skarsgård) nach dem Tod seiner Ehefrau Selbstmord begeht. Der Bursche kommt daraufhin bei seiner gläubigen Großmutter unter, die neben ihm mit Lenora (Eliza Scanlen) noch eine zweite Waise aufgenommen hat. Die beiden wachsen gemeinsam auf. Arvin sieht sich mit der Zeit als Lenores großer Bruder und will sie vor allem Bösen schützen. Aber als der neue Reverend Preston Teagardin (Robert Pattinson) die Leitung der örtlichen Glaubensgemeinde übernimmt, fangen die Probleme an. Denn der junge Pastor ist nicht nur an den Lehren Gottes interessiert, sondern vor allem auch an den (leicht-)gläubigen Mädchen der Kleinstadt. Erst zu spät erkennt Arvin, dass auch seine Schwester ins Visier von Preston geraten ist. Gleichzeitig treibt ein serienmordendes Pärchen in Ohio sein Unwesen.
Rein visuell gesehen ist The Devil all the Time ein sehr stimmiger Film, der die Atmosphäre der verschlafenen Ohio-Städtchen blendend einfängt. Das dürfte auch daran liegen, dass für den Dreh auf eine 35mm-Kamera gesetzt wurde. Dadurch erhält der Thriller einen sehr passenden, leicht ausgewaschenen Retro-Touch, der sich gut ins trostlose Gesamtbild von Arvins Leben fügt. Dabei wird das Netflix-Original aber stellenweise visuell und thematisch so düster, dass das Weiterschauen schwerfällt.
Dieser Stil zwingt einem während der doch recht langen Spielzeit die depressive Stimmung auf. Dabei suhlt sich der Film viel zu sehr darin, dem Zuschauer eine unerträglich brutale und trostlose Vergangenheitsversion zu präsentieren, in der die Motivation der Menschen nur aus fanatischem religiösem Eifer und ihren niedersten Trieben besteht. Unnachgiebig konfrontiert The Devil all the Time einen mit der Niederträchtigkeit der Charaktere und lässt nach und nach alles Gute in ihnen verschwinden.
Und doch kann man durch die großartigen Performances der Schauspieler den Film nicht wegschalten. Gerade Robert Pattinson geht in seiner Rolle als fanatischer Reverend herrlich auf. Mit Genuss spuckt er die absurdesten Moralpredigten von seiner Kanzel, während er nach dem Gottesdienst seine unbedarften, minderjährigen Schäfchen zu körperlichen Sünden zwingt. Obwohl er erst zur Hälfte der Handlung in Erscheinung tritt, reißt er mit seinen pathetischen Reden über Sündiger und das Handwerk des Teufels den Film an sich und lässt alle anderen Charaktere im Vergleich verblassen.
Und auch Tom Holland überzeugt in einer für ihn eher untypischen, düsteren Rolle. Man spürt in ihm die aggressionsgeladene Anspannung des Teenagers Arvin, der immer wieder mit der Ungerechtigkeit und Falschheit der Welt konfrontiert wird. All seine hilflose Wut und Unsicherheit staut sich unter seiner zerschlissenen Jeans-Kappe, die er in jeder anstrengenden Situation verbissen trägt und von der er sich schließlich verabschiedet, als die gesammelte Aggression sich endlich entlädt.
Im Endeffekt hat The Devil all the Time spannungstechnisch nicht einen, sondern gleich zwei Höhepunkte. Aber hier zeigt sich: Der Teufel steckt im mangelnden Detail. Denn Regisseur Antonio Campos gibt beiden Erzählsträngen des Thrillers nicht genug Aufmerksamkeit. Trotz langer Laufzeit bleibt vor allem die Auflösung um die Serienmörder unbefriedigend. Von Anfang bis Ende wird keine ausreichende Verbindung zwischen der Handlung in Arvins Städtchen und den Taten der Serienmörder etabliert.
Natürlich gibt es einige Szenen mit ihnen, aber die sind meistens so zusammenhanglos zwischen einzelne Momente in Arvins Geschichte gestreut, dass sie mehr verwirren als Kontext geben. Dazu kommt, dass der Film andauernd noch zwischen weiteren Nebencharakteren hin- und herhüpft, ohne ihnen einen vernünftigen Charakter zuzugestehen. Wegen den herausragenden schauspielerischen Leistungen von Holland und Pattinson erinnert man sich im Endeffekt nur noch an Arvin und Preston. Alle anderen Personen verschwinden hingegen sehr schnell aus dem Gedächtnis.
Mit The Devil all the Time malt Antonio Campos ein unglaublich düsteres und deprimierendes Bild der Vergangenheit, das wir nur Hartgesottenen empfehlen. Das viele Leid und die brutale Gewalt in der Handlung schlagen aufs Gemüt. Dabei wird man das Gefühl nicht los, dass es hier vor allem die Darstellung der Trostlosigkeit und nicht die eigentlichen Themen geht. Trotzdem fesseln die Performances von Robert Pattinson und Tom Holland in ihren untypischen Rollen.
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Bilder: © Glen Wilson/Netflix
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.