Auch die hochskandalösen 90er Jahre sorgen in der neuen Staffel The Crown für Spannung und vielleicht bereits das eine oder andere Déja-vu. Bevor sie am 9. November auf Netflix startet, durften wir sie bereits sichten und können euch verraten, warum es sich das Einschalten auch bei der Fortsetzung der Hitserie lohnt.
von Susanne Gottlieb
5. November 2022: Es ist ein omni-präsentes Jahr für die britischen Royals. Sei es das 70-jährige Regentschafts-Jubiläum der Queen, der anhaltende Streit mit Harry und Meghan, die fallengelassene Klage gegen Prince Andrew oder, erst kürzlich, der Tod der Queen am 8. September, die lange Trauerperiode und die Übernahme des Amts von Sohn Charles als King Charles III.
Update! Inzwischen sind schon alle Staffeln erschienen, die wir auch für euch gesichtet haben:
Hier unser Review zu Staffel 4
Hier unser Review zu Staffel 5
Hier unser Review zur finalen Staffel 6
Nun kommt auch mit neuem Cast und neuer Zeitperiode eine weitere Staffel The Crown auf Netflix. Das sorgte vorab bereits für heiße Schlagzeilen. Nicht nur sind die 90er in ihren ganzen skandalösen Facetten bestens dokumentiert, sie wirken in manchen Bereichen sogar bis heute noch nach. Die Zeit, in der Prinzessin Diana zum Angriff gegen die Royals blies, in der Prinz Charles zum Buhmann und Gespött der Nation wurde, da er eine Affäre hatte, in der drei Kinder der Queen sich scheiden ließen und in der der Tod von Diana der Monarchie einen ordentlichen Popularitätsknick verpasste.
Es kommt daher nicht von ungefähr, dass sich die Serie (unter anderem auch nach einer sehr öffentlichen Beschwerde der Schauspielerin Judi Dench) gezwungen sah, ab jetzt mit Hinweisen zu arbeiten, dass die Serie zu einem guten Teil fiktional ist. Charles sah sich schon letzte Staffel mit erneuten Online-Attacken wegen seiner Affäre mit Camilla konfrontiert. Jetzt wurde auch bekannt, dass er “not amused” ist, dass ein turbulentes Jahrzehnt für ihn nochmal aufgewirbelt wird.
Doch die wichtige Frage ist nun: Lohnt sich die Serie auch in ihrer fünften Staffel und der dritten Inkarnation der Figuren? Wohl kaum eine Frage – The Crown ist so gut wie eh und je und behauptet daher auch ihre Top-3-Position in unserem Ranking der besten Netflix-Serien aller Zeiten. Was sonst neu auf Netflix startet, findest du übrigens hier in unserer superpraktischen November-Programmübersicht.
Wir befinden uns in den 90ern und die königliche Familie steht schon zu Beginn der ersten Folge vor einer großen Herausforderung. Ist ihre Rolle in einer sich immer rapider verändernden Welt irrelevant geworden? In den Ehen der drei Kinder kriselt es seit Jahren. Die Welt befindet sich in einer finanziellen Rezession und mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Übergabe von Hongkong an China bläst ein anderer Wind, der nur mehr wenig mit dem Glanz eines Königshauses zu tun hat.
Doch abseits der Frage ihrer eigenen Relevanz für ihr Volk, muss sich Queen Elizabeth II (Imelda Staunton) mit dem zunnehmden Forderungen ihres Sohnes Charles (Dominic West) auseinandersetzen. Dieser ist es nicht nur leid, noch immer im Hintergrund dahin zu vegetieren, er will sich auch endlich von Ehefrau Diana (Elizabeth Debicki) scheiden lassen. Doch das würde die Monarchie in eine noch tiefere Krise stürzen. Was die Queen und Prinz Philip (Jonathan Pryce) aber nicht ahnen können ist, wie diese nunmehrige Scheinehe durch das Auflehnen von Diana und die Veröffentlichung des Andrew Morton-Buchs erst recht zu einem regelrechten Skandal wird.
Einst sagte Drehbuchautor und Serienschöpfer Peter Morgan, man müsse einer Geschichte 20 Jahre Zeit geben, bevor ihre Nachwirkungen wirklich klar sind und bis man sie mit einem neutraleren Auge betrachten kann. Wir nähern uns langsam diesem Zeitpunkt. Immerhin liegt der Auftakt mit dem Jahr 1991 gerade einmal 31 Jahre zurück. Das merkt man auch daran, wie sensibler die Themen werden und wie der Umgang mit diesen vorsichtiger wird. Morgan tänzelt wie gewohnt vorsichtig seinen Balanceakt zwischen Respekt für die Queen und der einen oder anderen brutalen Wahrheit. Die alte Garde der Royals sei geblendet und habe den Anschluss verloren, so der neue konservative Premier John Major (Johnny Lee Miller). Die junge Garde sei dafür nutzlos und arrogant.
Dennoch versucht das Skript hier nicht wie einst die Yellow Press zu skandalisieren. Das mag zunächst weniger aufregend wirken. Es funktioniert aber gut, um zu Beginn der Staffel die neuen Gesichter langsam einzuführen. Es zeigt letztendlich auch einfach, wie banal normal viele der Probleme der Royals in jedem anderen Haushalt einfach gewesen wären. Affären, Geldprobleme und Alterssorgen werden aber unter der Lupe einer Monarchie und auf der Bühne der Weltpolitik zu übergroßen Hürden und Herausforderungen. Ein Umstand, der quasi Weltreiche stehen und fallen lassen kann.
Zwar beginnen gewisse optische Diskrepanzen immer mehr zu stören. So kann Dominic West herausragend die Gestik und Mimik von Charles kopieren, ist ihm optisch aber einfach nicht ähnlich genug. Genauso ist es bei Marcia Warren als Queen Mum. Die Chemie und die Dynamik zwischen den Figuren lässt die Immersion in die Geschichte trotzdem problemlos zu. Elizabeth Debicki, wohl eine der am meisten erwarteten Performances, lässt Diana nicht zu einer reinen Impressionsübung verkommen. So toppt sie die etwas zu aufgeladene Darstellung einer Kristen Stewart in Spencer.
Doch wie immer sind auch die Nebenrollen hervorragend besetzt. Darunter Johnny Lee Miller als John Major, der sich mit dieser dramatischen “Kindergartentruppe” der Royals herumschlagen muss. Ebenso Natasha McElhone als Philip-Vertraute Penny Knatchbull. Und unvermeidlich als ein Teil der 90er, Salim Daw als Mohamed al-Fayed und Khalid Abdalla als sein Sohn Dodi.
The Crown Staffel 5 versucht die durchaus skandalösen 90er nicht ebenso genüsslich zu skandalisieren. Dafür legt sie wie gewohnt in Ruhe die ganzen Macht- und Familiendynamiken offen. Das mag zunächst etwas gemählich wirken, zahlt sich dann aber in den späteren Folgen aus.
Hier könnt ihr übrigens unser Review zu Staffel 3 und Review zu Staffel 4 nachlesen.
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Aufmacherfoto: (c) Netflix
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.