Terence Hill ist 80. Nur wenige wissen, wie der Filmstar wirklich tickt. Wir bringen mit dem Macher der Bud-Spencer-Doku Karl Martin Pold Licht ins Dunkel. Portrait eines Mannes, der privat so gar nichts mit seiner Rolle zutun hat.
von Christoph König und Susanne Gottlieb, 29. 3. 2019
Es ist kaum zu glauben. Aber der Mann, der mit seinen artistischen Prügelszenen und seinem spitzbübischen Charme eine ganze Generation unterhielt, wird heute schon 80 Jahre alt: Terence Hill.
Um das würdig zu feiern, trafen sich die Helden der Freizeit im wunderschönen denkmalgeschützen Wiener Metro-Kino mit Karl-Martin Pold. Der 36-jährige Waldviertler ist Regisseur der Bud-Spencer-Doku Sie nannten ihn Spencer (lest hier seine verrückte Geschichte) und ein großer Hill-Insider. Mit einem Haufen Schätze im Rucksack (Bücher, Poster, DVD’s usw.) begab er sich mit uns auf Spurensuche und verriet, wie der Mann hinter den stechend blauen Augen wirklich tickt. Lest hier in unserem Portrait, was ihr vielleicht noch nicht über Terence Hill wusstet.
Terence Hill wurde am 29. März 1939 als Mario Girotti in Venedig geboren. Seinen Künstlernamen legte er sich erst wegen einer Rolle in einem Italo-Western zu. “Das war damals so üblich, um sich international leichter einen Namen zu machen”, so Pold. Unter 20 Namen wählte er in nur 24 Stunden Terence Hill aus. Auch, weil er die selben Initialen wie seine Mutter Hildegard Thieme hatte.
Papa Girolamo (ein Chemiker) kam aus Gubbio, einem wunderschönen Städtchen in Umbrien, Mama Hildegard aus Dresden. 1943 zog Mario mit seiner Familie als 3-Jähriger ins deutsche Lommatzsch und lernte die Sprache. Dort überlebte er am Ende des Zweiten Weltkriegs die Luftangriffe und ging 1947 zurück nach Amelia (Italien), wo er unter anderem drei Jahre Literatur studierte. Mit seiner bayrischen Frau zog er später in die USA und hat deshalb auch einen amerikanischen Pass.
Während Carlo Pedersoli auch privat wie Bud Spencer tickte: Brummig, liebenswert, wild, lustig, verfressen, abenteuerlustig und herzlich, ist Terence Hill privat das genaue Gegenteil seiner Rolle. Aus den Filmen kennen wir ihn als frechen Halodri, schlagfertig, laut, locker und immer für einen Spaß zu haben. Der Mario Girotti dahinter ist aber schüchtern, sensibel, intellektuell, ruhig und ordentlich – ja, fast schon fad und überhaupt kein Entertainer. “Er ist sehr medienscheu, gibt nur Interviews, wenn er muss – zum Beispiel bei einer Promo-Tour. Über sein Privatleben zu reden, ist für ihn tabu. Das ist ihm sehr unangenehm”, erzählt Pold, der diese Nuss für seinen Spencer-Film trotzdem knacken musste. Erst ein Geschenkkorb mit Hillinger-Wein brach das Eis. “Weil Hill auf der Flasche stand, dachte Terence, man hätte den Wein extra für ihn gemacht. Und als er mitbekommen hat, dass wir keine Journalisten sind, sondern Filmstudenten, ist er endgültig aufgetaut.”
Wer an Terence Hill denkt, hat einen blauäugigen Frauenschwarm im Kopf, so wie er unzählige Male vom Bravo-Cover lachte. Einer, der es faustdick hinter den Ohren hat und die Nacht zum Tag macht. Falsch! Hill ist eine biedere Arbeitsbiene, seit einem halben Jahrhundert verheiratet, steht täglich um 6 Uhr früh auf, hält sich fit, trinkt abgesehen von einem Gläschen deutschen Bier hie und da kaum Alkokol, ist immer pünktlich und gut organisiert. “Das Stereotyp eines Deutschen”, lacht Pold. “Nach unserem ersten Gespräch sagte er, wir treffen uns in einem halben Jahr um 15 Uhr genau wieder hier in dieser Hotellobby.” Und wirklich. Exakt in dem Moment als der Sekundenzeiger sechs Monate später um 15 Uhr auf die Null sprang, kam Hill durch die Tür.
Wirklich kein Witz. Noch vor Sylvester Stallone wurde Terence Hill wegen der Rolle des Rambo kontaktiert. Pold: “Der Film war Hill aber zu brutal. Deshalb sagte er ab.”
Während Bud Spencer kaum mal ein Drehbuch von innen sah und viel improvisierte, war Terence Hill immer ein Schauspieler durch und durch, der mit viel Perfektion an sich arbeitete. “Ein Vollblut-Schauspieler. Er hatte sogar immer einen Sprachcoach dabei.” Schon mit 12 Jahren bekam er seine erste Filmrolle in vacanze col gangster (Urlaub für Gangster). Er spielte in zahlreichen Monumentalfilmen und Karl May Produktionen, unter anderem Winnetou II und dann zunächst in ernsten, brutalen Italo-Western, ehe er diese zusammen mit Bud Spencer parodistisch auseinander nahm und damit seine größten Erfolge feierte. Terence zu Pold über sein Erfolgsgeheimnis: “Immer wenn ich mit Carlo eine Szene drehte, machte es auf einmal Klick und ich wurde ein ganz anderer Mensch.”
Hill versuchte immer wieder vergeblich sich neben seiner Schauspielkarriere als Regisseur einen Namen zu machen. Was aber bis heute nicht gelang. Troublemaker, der 1994 das große Spencer/Hill Comeback werden sollte, wurde ein Flop. Pold: “Viel zu familienfreundlich, als hätte Terence nicht gewusst, was die Erfolgsformel ihrer Filme ist.”Auch der letztes Jahr erschienene Mein Name ist Somebody war kein Wurf.
1979 versuchte sich Hill als Produzent und Hauptdarsteller eines Kunstfilms. Org hieß er und wurde seinem Namen gerecht – leider nicht im positiven Sinn. In über 26.000 Schnitten durfte sich dabei Fernando Birri als Regisseur “ausspinnen” und schuf ein mühsames dreistündiges Irgendwas, das bis auf einen Kurzauftritt bei der Berlinale 2017 fast 40 Jahre im Archivkeller versteckt wurde.
“Sie verstanden sich ganz gut und hatten Respekt voreinander. Die allerengsten Freunde waren sie aber auch nicht”, stellt Pold richtig. Spencer und Hill kannten sich schon lange vor ihren erfolgreichen Filmauftritten. Sie waren im selben Schwimmklub in Rom: Lazio. Mario schaute als Bub auf Schwimmstar Carlo auf. Pold: “Er hat sich aber sehr gewundert, wie einer, der im Training zwischen seinen Zigarettenpausen nur ein bisschen planscht, so gut in diesem Sport sein kann.”
Gott vergibt … Django nie! markierte 1967 den Beginn der Spencer/Hill Ära. Ehe das Duo unter Kult-Regisseur Enzo Barboni mit Der rechten und linken Hand des Teufels und Vier Fäuste für ein Halleluja den großen Durchbruch schaffte. “Die Leute erschlugen sich, um Kinokarten zu ergattern”, so Pold. Was wenige wissen: Zum ersten Mal gemeinsam in einem Film waren Spencer und Hill schon 1951 zu sehen. Jeweils in einer Minirolle in der Romanverfilmung Quo Vadis in der Peter Ustinov König Nero und Spencer eine Palastwache spielte.
Schräg, aber damals üblich: Terence Hill wurde, obwohl er in seinen Filmen italienisch sprach, sogar auf italienisch synchronisiert. “Erst später wurde seine echte Stimmen genommen”, weiß Pold. In Deutschland erlangte die Synchronisation von Thomas Danneberg Kultstatus (ist übrigens auch die Synchronstimme von Sylvester Stallone, John Travolta oder Arnold Schwarzenegger) – auch, weil er sich die Freiheit nahm, Dinge zu sagen, die so gar nicht im Film vorkamen, wenn beispielsweise die Lippen der Helden nicht zu sehen waren.
Weil Spencer und Hill in ihren Filmen immer wieder für die Ärmeren einstanden und dabei so manche Kapitalisten-Rübe verhauten, waren ihre Filme (im Gegensatz zu den meisten anderen West-Produktionen) im Ostblock nicht verboten. Sie genießen beispielsweise in Ungarn bis heute Heldenstatus. Auch Fidel Castro war ein großer Fan. Hill erfreut sich bis heute weltweiter Beliebtheit. Nur die USA ist ein weißer Fleck. Dort wurden die Westernparodien nicht gezeigt, um den Hollywood-Filmen nicht den Erfolg abzugraben.
Erstaunlich. Das Bud Spencer/Terence Hill Festival in Deutschland wuchs in den letzten Jahren zu einem großen Event. Was mit ein paar hundert begann, lockte letztes Jahr schon 4.000 Menschen ins 5.000 Einwohner Örtchen Lommatzsch. Mit dabei zuletzt auch immer der Kult-Bösewicht aus den Spencer/Hill-Filmen Riccardo Pizutti. Dabei war die berühmte “Silberlocke” lange gar nicht so gut auf seine zwei Watschenverteiler zu sprechen. Als der Bandit vom Dienst auch im echten Leben Probleme bekam und wegen angeblicher Verbindungen zur Mafia von der italienischen Justiz 3 Jahre bedingt aufgebrummt bekam, hätte er sich mehr Unterstützung von seinen berühmten Freunden gewünscht. Heute sieht er das nicht mehr so eng. Immerhin konnte er immer schon einiges wegstecken.
Ebenfalls Kultstatus wie das Duo Spencer/Hill hatten in Deutschland Die Supernasen Thomas Gottschalk und Mike Krüger. Ein Phänomen, mit dem sich Pold in seiner nächsten Doku auseinandersetzen will. Wie schon bei Sie nannten ihn Spencer sucht er nun Fans dieses Klamauk-Gespanns, um sich dem Thema aus ungewöhnlicher Perspektive zu nähern: “Eine normale Biographie wäre ja fad.”
Lest hier die Geschichte, warum ausgerechnet erst ein Waldviertler kommen musste, um eine Bud Spencer-Bio zu drehen und er dafür acht Jahre gegen Windmühlen kämpfen musste. Und unsere Kritik zum Film:
POLD ÜBER SEINE BUD SPENCER DOKU: “Sie haben gesagt, das hat kein Kinopotenzial!”
SIE NANNTEN IHN SPENCER – Kritik: 8 Jahre für ein Halleluja
Aufmacherfoto: (c) heldenderfreizeit.com
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