Der neue animierte Turtles Film Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem bügelt zwar viele Fehler der vergangenen Live-Action-Filme aus, hätte aber noch etwas mehr Tiefe vertragen.
von Susanne Gottlieb
4. August 2023: Ein weiterer Teenage Mutant Ninja Turtles-Film. Nach den zwei Michael Bay produzierten Streifen, die eher auf knallharte Action, Explosionen, attraktive Frauen und absurde CGI-Showdowns, also klassische Bay-Zutaten gesetzt hatten, werden uns diesmal knallbunte Animationen aufgetischt, die mehr auf jugendliche Zuseher und deren Lebenswelten abzielen.
Warum der Turtles Film durchaus sehenswert und auch das Zeichen für eine neue Ära im Animationsfilm ist, das erfahrt ihr hier in unserer Kritik. Und falls es statt Comicunterhaltung lieber ein ganz berührender Film sein soll – schau dir unbedingt unser Review zum ebenfalls bereits gestarteten Past Lives an.
Leonardo (Nicolas Cantu), Donatello (Micah Abbey), Michelangelo (Shamon Brown Jr.) und Raphael (Brady Noon) sind vier mutierte, Pizza liebende, Ninja-Kampfkunst beherrschende Schildkröten-Brüder, die mit ihrem Vater Splinter (Jackie Chan), einer ebenfalls mutierten riesigen Ratte, in der Kanalisation New Yorks hausen. Während ihr Vater die Menschen hasst, sehnen sich die Brüder nach der Kultu, den sozialen Kontakten und der örtlichen High School an der Oberfläche. Ihren ersten menschlichen Freund finden sie, als sie der Schülerin und angehenden Reporterin April O’Neil (Ayo Edebiri) ihre Vespa wieder besorgen.
April bringt sie auch zugleich auf eine Idee, wie sie sich bei den Menschen beliebt machen können. Seit Ewigkeiten treibt ein Superschurke, Superfly (Ice Cube), sein Unwesen und stiehlt atomare Ware. Wenn sie ihn stellen und New York retten, würden sie als Helden gefeiert werden. Und April könnte im Gegenzug endlich beweisen, was für eine talentierte Reporterin sie ist. Die Turtles nehmen den Auftrag an. Doch ganz so einfach ist das nicht. Denn Superfly und seine Bande sind einst mittels derselben grünen Flüssigkeit mutiert, die der geniale Wissenschaftler Baxter Stockmann (Giancarlo Esposito) erfunden hatte. Die Turtles haben also Mutanten-Familie. Doch von wem wollen sie Akzeptanz? Von den Mutanten, die die Menschheit unterjochen wollen, oder von eben diesen Menschen, die sie noch so ablehnen?
Es scheint ein Momentum zu existieren, in dem der Animationsfilm eine neue Sprache entwickelt. Mit Spider-Man: A New Universe und Spider-Man: Across the Spiderverse hat sich das Genre einen neuen Stil zueigen gemacht, der vor Farben explodiert, verschiedene Animationsstile in sich vereint und gleichzeitig die Bildersprache geschickt nutzt, um Emotionen und Gedanken entsprechend Ausdruck zu verleihen. Teeenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem will wohl eine ähnliche Sprache nützen. Der oft verwaschene Stil, die knalligen Farben, die Comic-inspirierten Bildexplosionen erinnern an die beiden erfolgreichen Sony-Filme, auch wenn die Turtles nicht ganz so extrem auf die kreative Tube drücken.
Mit dem Erfolgsduo Seth Rogen und seinem Kindheitsfreund Evan Goldberg am kreativen Ruder, die beiden haben immerhin solche Hits wie Superbad, Neighbors, Sausage Party, Joy Ride, oder die Serie The Boys produziert, war klar, dass man von der oberflächlichen Kawumm-Action der Michael-Bay-Filme weggehen würde. Trotzdem ist Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayem ein weiterer Beweis, dass sich nicht nur die visuelle Sprache zu neuen Höhen aufschwingt. Auch inhaltlich versucht sich der Spaß ernsteren Themen der Selbstfindung, der jugendlichen Coming-of-Age-Problematik zu widmen, ohne andere Altersgruppen auszulassen.
Dass Rogen und Goldberg ihre ganze Freundestruppe an Comedians stimmlich in diesem Film versammelt haben, kann dabei auch nicht schaden. So tummeln sich neben Rogen als Warzenschwein Bebop auch John Cena als dessen Buddy, das Rhinoceros Rocksteady, Rose Byrne als Alligator Leatherhead, Natasia Demetriou als Fledermaus Wingnutm, Post Malone als Teufelsrochen Ray Fillet, Paul Rudd als Gecko Mondo Decko und Maya Rudolph als Bösewichtin Cynthia Utrom in dem Film.
Dennoch, bei allen Parallelen zu Spider-Man, wackelt der Film dann doch etwas zu sehr im Fokus, um eine ähnliche Brillanz zu entwickeln. Die Witze und Running Gags sind zwar auch meta und zünden, die emotionale Taktierung hat Herz. Doch vielleicht ist der Film zu hektisch, vielleicht nimmt er sich nicht immer Zeit, seine Ideen und Figuren entfalten zu lassen. Ein Bösewicht verschwindet gar mitten im Turtles Film, ohne weitere Erklärung (oder im Hinblick auf das Sequel). Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayem wirkt, als hätte es auf dem Weg zur Fertigstellung irgendwo ein Puzzleteil verloren, und würde nun emsig versuchen, dessen Abwesenheit zu kaschieren. Der Film macht Spaß, keine Frage. Aber von der Perfektion der Spider-Man-Filme ist er noch weit entfernt.
Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayem ist ein spaßiges, schön animiertes Abenteuer, das war nicht an den goldenen Standard jüngerer Animationsfilme heranreicht, aber dennoch hervorragende, kurzweilige Unterhaltung bietet.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.