Mit der vierten Staffel von Stranger Things in den Startlöchern haben wir uns gefragt, was die Serie so lange zum Kult unter den Fans gemacht hat und den Hype um den Netflix-Hit ausmacht.
von Susanne Gottlieb
25. Mai 2022: Staffel 4 ist noch gar nicht losgegangen (Start am 27. 5.), da wurde gerade angekündigt, dass Staffel 5 die letzte sein wird. Der große Netflix-Hit, das Popkultur-Phänomen, geht zu Ende. Auch irgendwie zurecht. Die Kinderdarsteller werden, angefangen mit Millie Bobbb Brown und ihrem 18. Geburtstag, erwachsen. Und es gibt irgendwann nicht mehr so viele Dämonen, die ihr Umwesen treiben können.
Doch wie und warum haben uns die Geschichten in der Kleinstadt Hawkings so lange fasziniert? Warum konnte die Serie so ein großer Hit werden?
Ein Erfolgsgeheimnis: Einer der Hauptdarsteller der Serie ist neben Finn Wolfhard, Millie Bobby Brown oder Winona Ryder die 80er Jahre Nostalgie, die zu Beginn der Serie 2016 generell gerade einen Moment in der Popkultur hatte. Stranger Things setzt ursprünglich im Jahr 1983 ein. Und die kreativen Köpfe hinter der Serie, die Duffer Brothers, achten hier auch auf jedes Detail. Frauen rennen mit Farrah Fawcett Frisur rum, nostalgische Snacks wie Eggo Wafflen werden verzehrt, und es gibt Walkie Talkies. Die Gang spielt auch klassische 80er Jahre Spiele wie Dungeons & Drageons, verkleidet sich als die Ghostbusters, liebt Star Wars und die X-Men, oder singt sogar “Never Ending Story”.
Aber auch in der Machart haben sich die Duffer Brüder so einiges bei ihren Vorbildern abgeschaut. Der Serie ist durchzogen mit Hommagen an das 80er Jahre Kino. Ob nun Meister des klassischen Abenteuerkinos und Herr über weiße Blendlichter Steven Spielberg mit seinem E.T. oder Unheimliche Begegnung der Dritten Art. Die Monster, die ein wenig aussehen als wenn sie Ridley Scotts oder James Camerons Fantasie entsprungen sind. Oder einfach die Stephen Kingsche Erzählung von kindlicher Freundschaft, mit der man die schlimmsten Monster der Welt konfrontiert.
Aufmerksame Cineasten werden es bereits bemerkt haben: Die Kinderdarsteller von einst sind zum Teil gefragte Jungdarsteller geworden. So gut wurde die Serie einfach gecastet. Millie Bobby Brown war unter anderem erst in den King Kong/Godzilla Filmen zu sehen oder in Enola Holmes. Finn Wolfhard scheint momentan im jedem Film eine Rolle zu haben, der 80er Jahre Nostalgie bedient. Und auch Charlie Heaton, Joe Keery und Dace Montgomery machen sich langsam aber beständig einen Namen im Business.
Dazu kommt bei den Duffer Brüdern auch noch der Spaß am Nostalgie-Casting. Hauptdarsteller Winona Ryder und David Harbour waren beide Stars in den 80ern. Dasselbe gilt für die oft nur eine Staffel gastierenden Matthew Modine, Paul Reiser oder Sean Astin. Hier tummelt sich alles, was man damals bereits kultig war.
Der Synthesizer ist zurück. Wie auch anders, immerhin ist das hier eine 80er Jahre Serie. Der Soundtrack von Kyle Dixon und Michael Steins Band Survive kann sich bereits hören lassen, sie fügen ihren eigenen spacey Zugang hinzu. Vorbilder sind unter anderem Jean-Michel Jarre, Tangerine Dream, Vangelis, Goblin, John Carpenter, Giorgio Moroder oder Fabio Frizzi. Dann sind da natürlich noch klassische 80er Jahre Tunes von The Clash, Joy Division, Toto, New Order, the Bangles, Foreigner, Echo and the Bunnymen, Peter Gabriel, und Corey Hart, sowie Samples von Tangerine Dream, John Carpenter und 8dem leider kürzlich verstorbenen) Vangelis.
Kindercharakter haben in Serien oft das Problem, dass sie als super anstrengend geschrieben werden. Aber hier ist jeder Charakter einfach verdammt cool. Das Gleiche gilt für die Frauen, die in den 80ern klassischerweise noch gerne als “damsel in distress” (Verfolgte Unschuld) inszeniert wurden. Stranger Things gibt ihnen starke Rollen: Winona Ryders Joy, die nichts unversucht lässt ihren Sohn Will in der ersten Staffel zu finden. Eleven, die sich erst mit Hilfe der Burschen in der realen Welt zurechtfinden muss, aber dann zur unerschrockenen Rädelsführerin aufsteigt. Oder Nancy, die mehr sein darf als nur der hübsche Teenager, dem die gleichaltrigen Jungs hinterherschmachten.
Auch jedes Mal ein Highlight – die Beziehung zwischen Eleven und Ziehvater Jim, die Kameradschaft der Clique, “Babysitter Steve”, der sich aufopfernd um den oft gehänselten Dustin kümmert oder der homosexuellen Robin seine moralische Unterstützung anbietet. Hier wird progressiv, feministisch aber doch im historischen Kontext gearbeitet. Figuren, die einem ans Herz gehen.
Wie bereits erwähnt sehen die zahlreichen Monster aus als hätten sich James Cameron, Ridley Scott, Steven Spielberg und Guillermo del Toro gemeinsam an ein Reißbrett gesetzt. Ob nun das Krankenhausmonster, der Demogorgon, die Flayed, der Demodog, die Vines, die Tunnelsysteme unter Hawkins oder Dustins “Hausdämon”, D’artagnan – sie alle haben einem als Zuschauer schöne Gruselmomente und Action geboten.
Was finden wir noch super gut und kultig? In unserem Seher-Bereich findest du Vorschauen, Bestenlisten und Reviews zu Kino, Netflix und Co:
Obi Wan Kenobi – alles, was du zur Serie wissen musst
Euphoria: 5 Gründe, warum der Serienhit bereits Kult ist
Mrs. Maisel: 4 Gründe, warum sie so marvelous ist
Die 10 schönsten Netflix Liebesfilme
Fotos: © Netflix
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.