Die neue, australische Netflix-Serie Stateless zeigt schonungslos, welche Missstände in den Auffanglagern für illegale Migranten herrschen. Gleichzeitig verfehlt sie aber ihr Ziel, eben jenen Menschen eine ausreichende Plattform zu bieten und schwenkt stattdessen vor allem zwischen ihren australischen Protagonisten hin und her. Unsere Kritik.
Von Sophie Neu
11. Juli 2020: Dass Cate Blanchett großartig schauspielern kann, wissen wir schon lange. Dass sie sich aber auch gut im Regiesessel schlägt, das beweist sie eindeutig in Stateless, der seit dem 8. Juli auf Netflix verfügbaren Mini-Serie. Trotz einiger Schwachstellen webt die Australierin in sechs Episoden eine tiefsinnige und traurig stimmende Story über die unbarmherzige Migrations-Politik des Landes. Was Stateless sehenswert macht, liest du in unserer Kritik.
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In Stateless treffen die Geschichten von vier Menschen aufeinander. Ameer (Fayssal Bazzi) flüchtet mit seiner Familie vor den Taliban aus Afghanistan. In seiner Verzweiflung setzt er seine Frau und beide Töchter in ein klappriges Boot nach Australien – er selbst wird allerdings aufgehalten. Als er schließlich doch noch übersetzen kann, lernt er die Grausamkeit der australischen Asyl-Verfahren kennen. Gleichzeitig übernimmt Claire (Asher Keddie) die Position als Leiterin des Lagers “Barton”, in das es auch Ameer verschlägt. Hin- und hergerissen zwischen den traurigen Schicksalen der Gefangenen und den Forderungen ihrer Vorgesetzten, versucht sie das Chaos im “Detention Centre” irgendwie in den Griff zu kriegen.
Ähnlich geht es dem frisch eingestellten Sicherheitsmann Cam (Jai Courtney), der durch das hohe Gehalt angelockt wurde. Dem warmherzigen Familienvater wird in Barton schnell sämtlicher Optimismus ausgetrieben. Die letzte und wohl für die Erzählung zentralste Person ist Sofie Werner (Yvonne Strahovski). Die psychisch labile Flugbegleiterin gibt sich als Deutsche aus, in der Hoffnung so billig nach Deutschland reisen zu können. Stattdessen landet sie im Auffanglager Barton, wo sich ihr geistiger Zustand immer weiter verschlechtert.
Im Endeffekt trägt Sofies Geschichte den Großteil der Handlung. Denn hier hat sich Blanchett eines schockierenden Falles angenommen, der so wirklich passiert ist. Der Charakter basiert auf Cornelia Rau, die 2004 fast ein Jahr lang fälschlicherweise in einem Detention Centre festgehalten wurde. Ähnlich wie Sofie hat Rau eine bipolare Störung und weigerte sich den Behörden ihre wahre Identität und ihre Aufenthaltserlaubnis preiszugeben.
Stateless zeigt auf, wie wenig sich die für die Einwanderer Zuständigen im Endeffekt für die Individuen interessieren, die vor ihnen sitzen. Denn von Anfang an ist offensichtlich, dass Sofie psychisch leidet. Doch statt ihr im Lager psychologische Hilfe zukommen zu lassen, zeigt sich das Personal desinteressiert oder macht sich sogar über sie lustig.
Die Brutalität, die man in Barton sieht, schockiert. Egal ob körperlich oder mental, die Wächter und Fallverwalter im Centre misshandeln die Einwanderer wieder und wieder. Vor allem im Charakter der Wachfrau Harriet kommen viele erschreckende Eigenschaften zu Tage. Hier zeigt uns Blanchett, wie wenig es die australischen Entscheider interessiert, wer die Flüchtlinge bewacht. Es kann auch eine rassistische, sadistische Person sein, die grundlos gewalttätig wird. Hauptsache, niemand traut sich aus einem Lager auszubrechen. Gleichzeitig zeigt sie in Stateless aber auch auf, wie zermürbend die Wachposition ist. Der idealistische Cam will anfangs die Situation in Barton für die Migranten verbessern, scheitert aber schon bald an seinen Vorgesetzten. Dazu kommen gewaltbereite Bewohner, die ihn emotional ans Limit treiben. Das Bild, das hier gemalt wird, ist facettenreich. Es gibt nicht den einen Bösen.
Das erfährt auch Ameer, der auf der Suche nach seiner Familie nach Barton geschickt wird. Während einige Mitarbeiter ihm helfen wollen, sind andere ständig auf der Suche nach einem nochso kleinen Detail in seinem Lebenslauf, das ihn für eine Abschiebung qualifizieren würde. Blanchett stellt hier das empathielose Einwanderungssystem Australiens bloß. Denn die Ankömmlinge sind hier keine Menschen mit Namen mehr, sondern Nummern.
Doch leider bleibt Ameer als Charakter sehr eindimensional und erfüllt im Rahmen der Geschichte nur eine Funktion. Ihn machen im Endeffekt nur seine Aufrichtigkeit und seine Liebe zur Familie aus. Zu sehr wird er von den Handlungen rund um die anderen Protagonisten in den Hintergrund gedrängt. Schade, dabei sollte es doch gerade bei Stateless um Menschen wie Ameer gehen, die sich hilflos an den australischen Staat ausliefern, weil es ihre einzige Chance auf ein glückliches Leben oder überhaupt aufs Überleben ist.
Stattdessen dreht sich Stateless vor allem um drei Australier. Nicht, dass deren Storys nicht schockierend genug wären. Aber Ameer und den anderen Einwanderern hätte man doch etwas mehr Zeit in der Miniserie gewünscht.
Sehenswert ist Stateless durchaus. Die traurigen Geschichten, die sich rund um das Auffanglager Barton entwickeln, zeugen von der grausamen Asyl-Politik, verlieren sich aber zu sehr in den Schicksalen der australischen Protagonisten. Im Endeffekt spielen die Flüchtlinge eine Nebenrolle, obwohl ihnen gerade bei dieser Handlung die Hauptrolle gebühren sollte. Trotzdem ist die Story spannend erzählt und wirft für Zuschauer einige Fragen auf, über die man noch länger sinniert.
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Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.