Wiedersehen mit Captain Picard. Patrick Stewart will es noch einmal wissen und kehrt in der neuen Amazon-Serie Star Trek: Picard in die unendlichen Weiten des Weltraums zurück. Ob sich dieser Trip lohnt, erfährt ihr in unserem Review.
von Susanne Gottlieb
24. Jänner 2020: Kirk oder Picard? Diese essentielle Trekkie-Frage bekommt nun mehr Auftrieb für die Picard-Fraktion, immerhin hat der britischte Franzose der Galaxie nun seine eigene Serie. Patrick Stewart, der die Rolle sieben Staffeln lang in der kultigen The Next Generation verkörperte (gefolgt von vier Filmauftritten), hat seine Resolution, die Rolle hinter sich zu lassen, revidiert. Da geht einem nach dem umstrittenden Star Trek: Discovery das Star Trek Herz auf.
Eben ist Star Trek: Picard auf Amazon Prime gestartet. Jeden Freitag folgt eine weitere der insgesamt 10 Folgen. Wir durften bereits tiefer in Picards neues Universum vordringen und verraten euch, ob sich das Wiedersehen bezahlt macht. Übrigens, falls ihr noch mehr guten Bingewatching-Stoff sucht: Hier unser Ranking der 22 besten Amazon-Serien.
Das Universum am Ende des 24. Jahrhunderts: Jean-Luc Picard, der legendäre Captain der Enterprise, lebt im Ruhestand in seinem Château Picard in Frankreich und baut Wein an. Der Sternenflotte hat er vor 14 Jahren den Rücken gekehrt, als diese im Zuge der Supernova Zerstörung von Romulus (siehe Star Trek von 2009) den Flüchtigen den Rücken zukehrte.
Geplagt wird er auch von den Erinnerungen an den Androiden Data (Brent Spiner) der in Star Trek: Nemesis sein Leben für die Crew gab. Seit einem Zwischenfall während der Rettungsaktion der Romulaner, in der eine Gruppe Synthetics abtrünnig wurde und den Mars attackierte, sind künstliche Lebensformen nicht mehr erlaubt. Datas einzigartiges Positronen-Gehirn konnte nicht gerettet werden.
Doch dann taucht die junge Dahj (Isa Briones) in seinem Leben auf. Die mysteriöse Frau wird von einer romulanischen Geheimpolizei verfolgt. Sie sieht in ihrem Moment größter Not eine Vision von Picard. In seinen Nachforschungen, was das Geheimnis hinter ihrer Herkunft sein könnte, macht Picard einige unerwartete Entdeckungen, die eine Verbindung zu Datas und seiner eigenen Vergangenheit herstellen. Dem hochdekorierten Admiral wird klar, dass er in eigener Mission wieder zurück in den Weltraum muss, um die zu retten, die ihm lieb sind.
Nostalgie ist so eine Sache. Nachdem CBS mit Star Trek: Discovery, das so gar nicht dem Stil oder dem Kanon des klassischen Trek folgt, die Fanbase ziemlich gespalten hat, nun also ein Sequel mit einem der populärsten Figuren des Franchises. Kann die Serie nun an das Gefühl der Next Generation anknüpfen und gleichzeitig die Ideen weiterführen?
Stewart selbst machte es zur Auflage: keine Sternenflotte, keine Uniform. Diesen Wunsch hat er bekommen. Sein Picard ist ein desillusionierter Mann, dessen große Loyalität zur Föderation gebrochen ist. Einer, der die Menschen in seinem Umfeld nach dem Untergang von Romulus nicht immer gut behandelt hat. Picard hatte zwar immer seinen überhobenen Idealismus und seine Engstirnigkeit als charakterliche Schwachpunkte, diese neue Fehlbarkeit dürfte aber bei manchen Fans eventuell zu Unverständnis führen.
Unterm Strich macht das Picard aber zu einer interessanten Fortführung der Legende. Diesmal geht es nicht mehr nur um die Ideale einer vernetzten Galaxis, diesmal ist es persönlich. Fans der Next Generation wissen, wann immer es auf einer Mission persönlich wurde, ging Picard in die Vollen. Ob er damit im Recht ist, das bleibt diesmal bewusst außen vor. “Rettest du wieder die Galaxie?”, wirft ihm die wiederkehrende Seven of Nine an einer Stelle schnippisch entgegen. Hier ist offensichtlich einiges an Konfliktpotenzial vorhanden.
Knapp 30 Jahre nach Gene Roddenberrys Tod versucht das Franchise somit nicht mehr eine utopisch-idealisierte Gesellschaft zu verkaufen, die komplett konfliktlos und gleichgeschaltet funktioniert. Der Konflikt entsteht zwischen den Figuren und Ideologien.
So haben sich die Produzenten genau jene Handlungselemente aus der Serie herausgepickt, die schon damals am erfolgreichsten und kontroversesten funktioniert haben. Die Borg, der Imperalismus der Romulaner und das Maß eines künstlichen Menschen werden neu aufgegriffen und mit einem Hauch Zeitgeist und gegenwärtigen politischen Thematiken versehen. Dadurch schafft die Serie einerseits ihre Vorgeschichte zu respektieren, gleichzeitig aber auch eigene Wege zu gehen.
Das Altbekannte manifestiert sich neben Brent Spiner in Gastauftritten von Figuren wie Seven of Nine (Jeri Ryan) aus der Serie Voyager, Picards altem erstem Offizier William Riker (Jonathan Frakes) und seiner Frau, der ehemaligen Counselor Troi (Marina Sirtis). Aber auch ehemalige Gaststars, die mit ihrer Präsenz die alte Serie maßgeblich geprägt haben, finden sich in der Neuauflage. Die Zuschauer dürfen sich außerdem über ein Wiedersehen mit dem ehemaligen Borg Hugh (Jonathan Del Arco) freuen.
Es gibt noch weitere Callbacks. Die alten farbigen Uniformen machen in neuem Design ihr Comeback. Die Technologie erinnert in ihrer grafischen Aufbereitung und ihren farbigen Balken an jene aus den 90ern. Hier wurde mit viel Präzision bewahrt und fortgeführt. Ebenso verlegt sich der Schwerpunkt des Geschehens, ungleich der Kelvin Timeline Star Trek Filme und Discovery, wieder mehr auf zwischenmenschliche Dialoge als auf konstante Action.
Die vielen Dialoge sind auch der Tatsache geschuldet, dass hier viel Exposition geschaffen wird. Star Trek: Picard leistet in kurzer Zeit sehr viel Vorarbeit, um einen völlig neuen Handlungsstrang innerhalb des Universums in die Startlöcher zu bugsieren.
Außerdem wird fleißig an der Mysterybox gebastelt, die sich die Serie ganz klar von den Abrams Filmen abgeschaut hat (beide haben Produzent Alex Kurtzmann gemeinsam). Dieses verzögerte Loslegen zerrt manchmal unnötig am Tempo und Elan der Erzählung. So dauert es eine ganze Weile bis Picard endlich seine berühmten Worte „Energie“ sprechen darf.
Die Serie verlangt vom Zuseher viel Geduld und Toleranz gegenüber den Expositionsschwall, der zunächst das Tempo drosselt. Dennoch baut Star Trek: Picard ein vielversprechendes Universum auf, in dem man sehr gerne wieder mit Jean-Luc zu neuen Welten aufbricht.
… findest du bei uns. Schau einfach in unserer Seher-Rubrik vorbei. Dort gibt es aktuelle Kritiken zu den Blockbustern der Kino- und Streamingwelt.
Bilder: © 2019 Amazon.com Inc.
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.