Stadiontour Stamford Bridge – das heißt 140 Jahre Fußballgeschichte inhallieren. Wer das vor dem großen Neubau will, muss sich beeilen. So läuft die Tour. Hier unser Erfahrungsbericht.
von Christian Orou
28. April 2017: Fußballvereine definieren sich oft über ihr Stadion. Barcelona ohne Camp Nou ist undenkbar, St. Pauli gehört ans Millerntor und der Sportklub an die Alszeile. Eine der traditionsreichsten Adressen gehört dem FC Chelsea: die Stamford Bridge, eröffnet 1877! Heute (28. April) feiert das Chelsea-Stadion seinen 140. Geburtstag. Aber man sollte sich das alte Geburtstagskind bald anschauen, denn der Abriss ist bereits beschlossen.
Die Helden zeigen euch, wie eine Stadiontour an der Stamford Bridge aussieht. Hier unser Erfahrungsbericht:
Bucht man die Stadiontour Stamford Bridge, heißt es zunächst warten. Anders als im Emirates-Stadium von Arsenal (siehe unsere Story) gibt es keine selbstgeführten Touren. Nachdem ich den Eintrittspreis beglichen habe (19 englische Pfund, ca. 21 Euro), wundere ich mich erst einmal über den bescheidenen Fanshop. Viel Zeit zum Wundern bleibt uns nicht, schon werden mein Sohn und ich durch einen kleinen Tunnel geführt. Die Tapete ist ein wenig veraltet, endet doch die Aufstellung der Titel, die der FC Chelsea errungen hat, schon im Jahr 2013.
Nach einer Wartezeit von fünfzehn Minuten erscheint ein Führer, der die kleine Gruppe (ca. zwanzig Personen) in das Stadion geleitet. Eine kurze Instruktion (Mach so viele Fotos, wie deine Speicherkarte fassen kann. Stelle jede Frage die dir einfällt, bis auf eine: Darf ich auf den Rasen? Die Antwort darauf kennst du schon, oder?) und schon nehmen wir auf dem Matthew Harding-Stand Platz.
Es ist Zeit für ein wenig Geschichtsunterricht. Selbstverständlich wird man immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass man sich im Home of the Champions befindet (Who wins the Championship? I can´t hear you.) und dass Chelsea alle Stadionrekorde gebrochen hat.
Doch die Tage der alten Stamford Bridge sind gezählt. Der Plan für ein 580 Millionen teures Schmuckkästchen mit 60.000 Plätzen steht. Bis 2021/22 soll es stehen. Das alte Stadion wird dann abgerissen.
Eine Farbe dominiert hier überall: Blau. Vom Matthew Harding-Stand geht es weiter in den Presseraum. Alles wirkt ein wenig kleiner, enger, als ich es mir vorgestellt habe und erscheint ein wenig abgearbeitet. Es wird verständlich, warum sich Roman Abramovich ein neues Stadion wünscht.
Der nächste Weg der Stadiontour Stamford Bridge führt uns in den Kabinentrakt, genauer in den Away-Dressing-Room, der sich im Ranking, laut Aussagen des Führers, an dritter Stelle der Auswärtskabinen der Liga befindet. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sich in den letzten Jahren einiges in der Kabine geändert hat. Gab es früher nur kaltes Wasser, keine Seife und nur elf Haken an der Wand für jene elf Spieler, die in der Startformation standen, so verfügt der Raum heute über ausreichend viele Haken – auch Seife und Wasser ist nun vorhanden.
Trotzdem will man auf psychologische Mätzchen nicht ganz verzichtet. Zum Beispiel wird der Raum nur im Sommer geheizt, im Winter nicht. Auch Antonio Contes Spionen wird ihre Arbeit leicht gemacht, ist die Tür doch so dünn, dass keine Taktikbesprechung geheim bleibt.
Ganz ein anderes Bild zeigte die Kabine von Chelsea: Der Raum ist zwar nieder, aber sehr groß. Jeder Spieler hat einen versperrbaren Spind, auf dem er mit einem beinahe lebensgroßen Bild verewigt ist. Die Kabine verfügt über einen eigenen Taktikraum, ein Eisbecken um Verletzungen zu behandeln, einige Massagetische und ausreichend Duschen, die am Matchtag mit jener Seife bestückt werden, die auch die britische Königin benutzt.
Die Menge an unnützem Wissen, die sich im Laufe der Führung anhäuft, ist groß. An jedem Ort im Stadion weiß der Führer eine Geschichte zu erzählen. So klopft zum Beispiel jeder Chelsea-Spieler, bevor er durch den Spielertunnel den Rasen betritt, auf das Chelsea-Logo, das über den Köpfen der Spieler im Tunnel angebracht ist. Tut er das nicht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Chelsea das Spiel verlieren wird. In der abgelaufenen Saison (nur Platz 10 in der Liga) dürften es einige Spieler vergessen haben.
Am Rand des Spielfeldrasens angekommen (Nein, er darf noch immer nicht betreten werden), durfen wir in den Spielersesseln Platz nehmen und die eine oder andere Frage stellen, die sich im Laufe der Tour ergeben hatte. Erkenntnisgewinn: Nein, das Frauenteam von Chelsea darf nicht an der Stamford Bridge spielen.
Am Ende der Stadiontour Stamford Bridge gelangen wir dann in den Merchandising-Bereich und merken, dass wir uns zu Beginn beim Eintritt in das Chelsea-Universum getäuscht hatten. Diente der Shop beim Eingang lediglich dazu, den wartenden Besucherinnen und Besuchern noch ein wenig Geld aus der Tasche zu ziehen, stehen wir nun in einem Mega-Shop, der über zwei Stockwerke reicht und alles führt, was das Herz einer Chelsea-Anhängerin und eines Chelsea-Fans höher schlagen lässt: Trikots, Becher, Wimpel, Blocks, Babykleidung wird feilgeboten – freilich alles in der Farbe blau.
Gottlob bleibt uns noch ein wenig Zeit, um dem Chelsea-Museum einen Besuch abzustatten. Dort werden Memorabilien aus einem Jahrhundert Fußballgeschichte ausgestellt. Darunter auch jener Wimpel der Austria, der an das Europacuphinspiel 1994 erinnerte. Ein überragender Franz Wohlfahrt rettete den Violetten an der Stamford Bridge ein 0:0. Die Austria schied aber nach einem 1:1 im Rückspiel wegen der Auswärtstorregel aus.
Das erfährt man hier nicht. Dafür, dass Chelsea in allen Belangen die Besten sind: Sie haben die meisten Zuseher, die besten Spieler, die besten Trainer und, vor allem, sie haben die Rückennummern auf den Dressen erfunden. Zwar hat letzte Saison das kleine Leicester den Titel geholt. Heuer scheinen aber wieder die “Blues” dran zu sein. Die Fußballwelt ist für die Londoner also wieder in Ordnung.
Unsere Backstage-Stadiontouren bei Arsenal und Rapid findet ihr übrigens hier:
Arsenal-Tour: Wo Männer zu kleinen Kindern werden
Rapid-Stadiontour: Das Rapideum in neuem Gewand
Das Stadion an der Stamford Bridge bietet rund 40.000 Zuseherinnen und Zusehern Platz und wurde 1877 eröffnet und zuletzt 2001 renoviert. Das Stadion ist die Heimstätte des FC Chelsea.
Stadiontour Stamford Bridge – Erwachsene 21 Euro bzw. 19 Pfund, Kinder (bis 15 Jahre) 14,5 Euro bzw. 13 Pfund für die Stadionführung
Mit U-Bahn: Grüne District-Line – Station Fulham Broadway, Adresse: Fulham Rd, London SW6 1HS, United Kingdom
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Die Führung ist den Preis absolut wert. Mein Tipp: Etwas mehr Zeit einplanen, damit man noch in Ruhe das Museum besichtigen kann.
Fotos: heldenderfreizeit.com
Der Chefredakteur der Wiener Alszeilen verfasst für heldenderfreizeit.com Buch-, Musik- und Spiel-Rezensionen, ist Video-Redakteur von CU TV und schreibt für das Musikmagazin Stark!Strom. Dazu berichtet er von Konzerten, Sport- und anderen Kulturevents und führt Interviews mit Stars und spannenden Persönlichkeiten.