Zwei Jahre nach dem Horror-Überraschungshit Spuk in Hill House bringt Netflix das nächste Geisterhaus an den Start. Ob sich mit Spuk in Bly Manor der gelungene Grusel der ersten Serie wiederholen lässt? Unsere Kritik zur Netflix Neuerscheinung.
von Peter Huemer
11. Oktober 2020: Spuk in Hill House (englisch: The Haunting of Hill House) zählte für uns zu den allerbesten Netflix-Serien (siehe unser Alltime-Ranking hier). Spuk in Bly Manor ist zwar nicht wirklich eine direkte Fortsetzung von Hill House, weil diese Serie ja in sich abgeschlossen war, aber als geistiger Nachfolger ein weiterer Part der Haunting Anthology Serie. Das Format ähnelt dem der Serie American Horror Story. Viele der gleichen Schauspieler übernehmen erneut tragende Rollen und auch dient wieder eine literarische Quelle als Vorlage. The Turn of the Screw.
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Im Rahmen einer Hochzeit in Kalifonien sitzt eine Gruppe am Kamin und man erzählt Gruselgeschichten. Die Stimmung im Raum ist gespannt, weil es auch zwischen den Personen einig ungelöste persönliche Konflikte zu geben scheint. Die Hauptgeschichte, die am Kamin erzählt wird, handelt von einer jungen Lehrerin in den 60ern in England, die sich auf einem abgelegenen Anwesen um zwei Waisenkinder kümmern soll. Die Kinder sind von Anfang an merkwürdig, genau wie der Rest der Belegschaft. Aber auch die Lehrerin selbst scheint nicht ohne psychologische Probleme zu sein.
In Hill House diente der Roman The Haunting of Hill House von Shirley Jackson aus dem Jahr 1959 als Vorlage. Dieser wurde natürlich für die Serie stark angepasst und bis auf die meisten Charaktere nur für einige direkte Zitate und die grundsätzliche Handlungsanordnung verwendet. Bei Spuk in Bly Manor ist die Vorlage nun ungleich berühmter und ihr wird auch zumindest am Anfang der Serie enger gefolgt. Es handelt sich um The Turn of the Screw von Henry James aus dem Jahr 1898.
In diesem Buch geht es um eine Gouvernante, die sich um zwei Waisenkinder kümmern soll. Im Roman ist allerdings bis zum Ende unklar, ob all die merkwürdigen Ereignisse tatsächlich passiert sind oder ob die Protagonistin einfach verrückt ist. In der Serie stellt sich diese Frage kaum – es ist klar eine Geistergeschichte. Angenehm und gleichzeitig verwirrend ist in der Serie auch, wie nah man sich an die Formulierung und den Ton der Buch-Dialoge hält. Die Gespräche der Personen wirken, als würden sie nicht in ihre Zeit passen. Das verleiht dem Ganzen einen coolen unwirklichen Anschein.
Zwar kehren nicht alle Schauspieler aus Hill House auch in Bly Manor auf den Bildschirm zurück, aber viele. Interessant ist vor allem dabei, wie sehr sich ihre Rollen unterscheiden. Wir dürfen sie also mit vollkommen anderen Charaktereigenschaften und Persönlichkeiten erleben. Die Schauspieler zeigen ihre Flexibilität und schaffen es, diese neuen Rollen genauso glaubwürdig darzustellen. Aber auch die Art, wie die Rollen geschrieben und ausgelegt sind, ist sehr anders. Das liegt mit Sicherheit an der Vorlage und der sprachlichen Anpassung daran. Oft liegt die Darbietung näher an einem Theaterstück als an einer TV-Serie. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber auch sehr interessant.
Spuk in Bly Manor ist, obwohl es sich um eine Story handelt, die aus einer Rahmenhandlung heraus erzählt wird, viel geradliniger erzählt als noch Spuk in Hill House, das voller Vor- und Rückblenden war und von Charakter zu Charakter sprang, um Schritt für Schritt ein Mosaik zu kreieren. Bly Manor ist meist sehr traditionell aus der Sicht der Protagonistin erzählt. Wir folgen der Lehrerin durch das gruselige Gemäuer. Das ist für die Story sehr passend, weil die Vorkommnise eng mit ihrem persönlichen Geisteszustand verknüpft sind. Ein anderer Ansatz, aber ein guter. Das nimmt zwar etwas Spannung raus, ist aber bei dieser Art von Story passend.
Spuk in Bly Manor ist ein würdiger Nachfolger, der zwar weder im Gruselfaktor noch in der Stimmung ganz an Hill House heranreicht, aber durchaus sehenswert ist. Der neue Ansatz und der inszenatorische Mut, der bei Bly Manor bewiesen wird, ist lobenswert, auch wenn das nicht zu ungeahnten Höhenflügen führt. Eine sehr gute Serie, aber kein zeitloses Meisterwerk.
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Alle Fotos: (c) Netflix
Peter Huemer stellt bei den Helden der Freizeit jedes Monat in "Peters Buchtipp" ein außergewöhnliches Werk vor. Außerdem schreibt er bei uns über Games, Kino und Streaming. Der Freie Schriftsteller hat vergleichende Literaturwissenschaft studiert und arbeitet auch als Lektor, Korrektor und Übersetzer.