Die Sportfreunde Stiller im großen Interview. Das Trio berichtet über ihr kommendes neues Album, was die Monty Pythons damit zu tun haben, ihre musikalischen Vorbilder und wie wichtig es ist, Menschen von Angesicht zu Angesicht zu begegnen.
von Christian Orou
Ausgemacht war ein Gespräch mit Peter Brugger. Für das Interview hat sich dann aber doch das ganze Trio Zeit genommen. In entspannter Atmosphäre sprachen Sportfreunde Stiller zwei Stunden vor ihrem Auftritt beim Nova Rock über das neue Album, das im September erscheinen soll. Drummer Florian Weber erklärte, was er davon hält, dass endlich ein Song der Sportfreunde auf Spotify ein E für explizit erhalten hat. Peter Brugger erzählte, welche Bands ihn beeinflusst haben und Rüdiger Linhof philosophierte über die Wichtigkeit von großen Festivals in der Zeit nach der Pandemie.
Florian: Wir sind sehr große Fans und cineastisch sozialisiert mit Monty Python. Ihr Humor steckt in uns. Es kam zu dieser Idee mit dem Albumtitel ohne großen Hintergrund. Es ploppte dieser Satz so auf, aber er steht symbolisch für so viel. Er bedeutet ja nicht nur die blasphemische Hinterfragung der biblischen Szene in dem Film, die sagt „Hey, nimm nicht mehr von dem Scheiß, den du eh schon tragen musst.“
Er bedeutet ja auch, wir haben alle die Wahl. Wir dürfen unser Kreuz machen in der Demokratie, die wir schützen wollen und müssen. Letztlich soll sich nicht jeder mehr aufhalsen als ein Kreuz, dass er zu tragen hat. Und das ist ein super Überbegriff für die dreizehn beziehungsweise achtzehn Lieder auf der Bonus CD, die wir thematisch umfassen wollten.
Ich kann einfach zu den heutigen Zeiten nur mit dem Kopf schütteln und mit der Schulter zucken
Die Sportfreunde Stiller haben in ihrem neuen Album Missstände der momentanen Zeit verarbeitet
Rüdiger: Inhaltlich ist ja das Leben des Brian so aktuell, dieser ganze Wahnsinn, der da gezeigt wird. Es ist auch für mich so ein Lebensgefühl. Ich kann einfach zu den heutigen Zeiten nur mit dem Kopf schütteln und mit der Schulter zucken und mich fragen: „Haben wir einfach nichts gelernt?“ und mir denken: „Hey, lass uns doch endlich was lernen aus dem, was hier passiert.“ Inhaltlich werden auf der Platte viele verschiedene Themen angesprochen in unterschiedlichen Sound-Gewändern. Es sind Themen unserer Zeit, persönliche Themen, Themen, hinter denen auch Soziales steckt. Humorvoll, ernst, das was uns bewegt hat die letzten Jahre.
Florian: Endlich geschafft!
Rüdiger: Und weißt du warum? Wegen kleiner Pimmel, kleine Eier.
Peter: Das ist absolut wichtig. Das bringt Leichtigkeit rein und Leichtigkeit können wir grad alle gut vertragen. Wir haben das Glück, dass wir den Typen (zeigt auf Florian) in der Band haben, der niemals still sitzt und immer wieder versucht, in jede Situation was Clownhaftes hineinzubringen. Das ist manchmal zum Verzweifeln und Durchdrehen, aber sehr oft auch zum sich Totlachen. Ich lach’ glaube ich in keiner Gesellschaft mehr als mit meinen Bandkollegen. Das ist schön und tut gut.
Florian: Das ist auch ein bissl das Motto unserer Band. Die Thematiken, die wir ansprechen, meinen wir schon ernst. Aber wir blicken augenzwinkernd auf uns, wie wir uns einreihen in die Pop- und Rock-Welt, wie wir auftreten. Da ist es auch egal, wenn einmal ein falscher Ton drinnen ist. Da wird drüber hinweg gelacht. Das unterscheidet uns schon von vielen anderen Bands.
Wir blicken augenzwinkernd auf uns!
Selbstironie ist eines der Mottos der Sportfreunde Stiller.
Florian: Da gibt es sicher viele Stationen in meinem Leben. Der massivste Eindruck bei mir war, als ich zum ersten Mal Rage Against The Machine gehört habe. Das war ein Aufschlag. Kurz davor kamen Nirvana mit Smells Like Teen Spirit ums Eck, wo sich jeder gedacht hat „Was ist denn jetzt los, was läuft denn jetzt ab auf MTV?“ Als aber dann Rage kamen, war das so eine Wucht, in Musik gefasst, das hat mich irgendwie beeinflusst. Das war so eine Zeit, wo man sich selbst rebellisch findet.
Rüdiger: Bei mir waren es The Who, „The Kids Are Alright“. Das hat mich im besten Sinn richtig erschüttert. So reinzukippen in tiefstes, nacktes Musikgefühl. Das ist etwas Unglaubliches gewesen für mich. Ich habe damals diese Dokumentation gesehen, da konnte ich nicht mehr davon lassen, ich musste sie ständig ansehen.
Das hat mich im besten Sinn richtig erschüttert.
Rüdiger von Sportfreunde Stiller outet sich als The Who Fan.
Florian: Mit diesem irren Schlagzeuger.
Rüdiger: Genau, Keith Moon. Ich habe sie mir vor vier Wochen wieder einmal angesehen. Das hört nicht auf, mich zu erschüttern. So in dem Sinn: „Wahnsinn, wie geil ist denn das?“
Peter: Bei mir war es erst Nena, Trio, dann kamen Led Zeppelin und Deep Purple. Da hab ich dieses Zeug entdeckt, das mich total geflasht hat.
Florian: Hat dich Nena auch geflasht?
Peter: In Nena war ich halt verknallt. Da hatte ich ein Poster an der Wand. Das hab ich geküsst.
Florian: Also nicht musikalisch.
Peter: Musikalisch schon auch. 99 Luftballons war schon gut.
Rüdiger: Du hast das Poster geküsst?
Peter: Ja, klar. Dann war Lenny Kravitz wichtig für mich, das weiß ich noch.
Florian: Echt, das ist interessant.
Peter: Mötley Crue, Bon Jovi und so Zeug. Guns N´Roses natürlich auch, das hab ich während meiner Facharbeit gehört.
Florian: Da kommen ganz neue Sachen raus.
Peter: Und dann kamen Oasis und Dinosaur Jr.
Peter: In erster Linie unsere Leben, auch wenn das nicht geplant war. Denn du kannst das nicht planen, dass es so kommt mit der Band. Unsere Musik hat unsere Leben irgendwohin geschoben, wo wir es vielleicht erträumt, aber nicht zu hoffen gewagt haben. Und dann, was ich jetzt gerade nach der Pause feststelle, ist, dass wir ein paar Leute mitunseren Liedern begleitet haben. Jetzt, wo wir wieder ein paar Konzerte gespielt haben, höre ich im Gespräch von vielen Leuten „Schön, dass ihr wieder da seid, eure Musik bedeutet uns so viel und ihr habt uns gefehlt.“ Für die hat unsere Musik eine gewisse Bedeutung und das finde ich total schön.
Peter: Erfolg ist schon etwas Krasses. Hat nicht Jürgen Drews gesagt: „Nichts ist erfolgreicher als Erfolg“? Das verzwirbelt einen natürlich ganz schön. Ich bin froh, dass es bei uns nicht von Null auf Hundert eingeschlagen hat, sondern dass wir immer wieder die Möglichkeit hatten, das alles zu verarbeiten und so langsam empor geklettert sind. Sonst hauts dich dermassen in der Gegend herum, du kapierst gar nichts und denkst, du bist geiler als andere. Wenn du das einmal zu denken anfängst, wird es richtig kompliziert. Mit dem Erfolg wird das Business größer und wichtiger. Wir sind Freunde, sind aber durch den Erfolg zu „Geschäftspartnern“ geworden. Das mussten wir alles für uns klären und in Einklang bringen. Wir hatten schon zu kämpfen, das hat unsere Beziehungen verändert. Es ist ein ständiges Ringen darum, dass man sich nah bleibt, sich aber trotzdem ehrlich auseinandersetzt miteinander. Dass man seinen eigenen Platz findet.
Sonst hauts dich dermassen in der Gegend herum
Die Sportfreunde Stiller über den Vorteil, nicht zu schnell erfolgreich zu werden.
Florian: Man muss dem Erfolg auch zu Gute halten, dass er die finanzielle Sicherheit erhöht. Wir kamen ganz gut durch die Pandemie ohne große finanzielle Einbußen.
Rüdiger: Ohne Existenzangst.
Florian: Der Erfolg war ja vorher vorhanden. Das ist die positive Seite, dass man seine Familie mit dem, was man mit Leib und Seele macht, ernähren kann.
Rüdiger: Ich find es so wichtig, dass sich die Leute wieder persönlich treffen können, dass sie feiern und sich wirklich begegnen mit all dem, was es ausmacht, Mensch zu sein. Nicht getrennt durch Social Media-Kanäle oder Simulationen von Kommunikation. So viele Dinge finden statt, wenn man sich in die Augen sieht, wenn man spricht. So viele Missverständnisse finden nicht statt, wenn man sich gegenübersteht. Das Teuflische an der Pandemie ist, dass sie das dämonisiert, was uns menschlich macht, nämlich die Begegnung.
Es hat eine große Relevanz, dass sich die Leute in Freude treffen, miteinander Feiern und dann in ruhigen Moment über die anderen wesentlichen Dinge reden. Also kein schlechtes Gewissen davor, sich positiv zu begegnen und sich zugewandt zu unterhalten, im Negativen wie im Positiven. Lass’ uns über die ernsten Dinge reden. Aber lass’ uns auch feiern, lass’ uns in den Armen liegen und lass’ uns auch streiten. Aber lass’ uns wieder gemeinsam an einem Ort Zeit verbringen. Musik ist dafür da, Leute zusammen zu bringen. Kunst ist dafür da, Freiheit zu spüren. Da dürfen wir kein schlechtes Gewissen haben. Das ist das Fundament. Kunst, Begegnung, Musik, Feiern, ein Bier in einer Kneipe trinken. Da spürt man Freiheit, ein einem menschlichen Austausch.
Lass’ uns über die ernsten Dinge reden. Aber lass’ uns auch feiern!
Die Sportfreunde Stiler zeigen klar, es braucht eben beides.
Florian: Der große Vorteil ist, dass wir das unter freiem Himmel machen konnten. Wenn sich so viele Leute in einer großen Halle treffen würden, würde das anders aussehen. Die Pandemie ist nicht vorbei, das Virus ist leider immer noch da. Wir müssen einen Weg finden, wie wir dem gegenübertreten.
Rüdiger: Aber es kann nicht sein, dass man sich im Fußballstadion treffen darf, aber wenn man ein Festival besucht, muss man ein schlechtes Gewissen haben. Die ganze Musik- und Kulturindustrie geht durch diese Maßnahmen vor die Hunde. Die Leute sind nicht oder nur ganz schlecht unterstützt worden. Wir sehen jetzt die Folgen. Heute haben wir erfahren, dass das Puls-Festival in München bei laufendem Betrieb abgebrochen wurde, weil der Veranstalter keine Securities mehr gefunden hat. Die ganzen Leute, die in diesem wunderbaren Geschäft gearbeitet haben sind abgewandert. Das heißt: Musikern wurde die Lebensgrundlage entzogen. Mitarbeitern wurde die Lebensgrundlage entzogen. Es entsteht eine riesige Unsicherheit.
Es kann nicht sein, dass man ein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man ein Festival besucht
Die Sportfreunde Stiller sehen eine Unverhältnismäßigkeit zwischen Festivalbesuchen und Stadiongängern.
Wir hätten acht Stadionkonzerte mit Herbert Grönemeyer spielen sollen. Der hat die falsche Luft eingeatmet und darum wurden alle acht Konzerte abgesagt. Man muss sich vorstellen, was da dahinter steckt. Das ist Wahnsinn. Da schlägt das Herz der Gesellschaft und dieses hat in der Pandemie einen Herzinfarkt bekommen.
Florian: Lang war es schwer zu verstehen. Der Fußball hat einen Sonderstatus gehabt. Es durfte erst einmal ohne Zuschauer weitergespielt werden, was viele nicht verstanden haben, weil andere Sportarten das nicht durften. Jetzt weiß ich nicht, wie wichtig ist der Fußball? Er ist schon wichtig für viele Leute, die da ihren Ausgleich und ihre Ablenkung holen. Da fällt mir auf die Schnelle außer der Musik nichts Vergleichbares ein. Aber, ob es fair war? Ich hab es schon in der Zeit geschaut, ich war froh, dass Fußball gespielt wurde.
Peter: Mir war es auch wichtig. Aber fair ist halt vieles nicht. Kommerz übertrumpft in vielen Bereichen Fairness. Das ist leider so.
Peter: Genau wie im Fußball gibt es in der Popkultur den kommerziellen und den nicht kommerziellen Bereich. Es ist auch schwer voneinander zu trennen. Wenn ich mir Manchester City gegen Real Madrid anschaue, frohlockt mein Fußballherz. Sportlich gesehen. Aber dann seh ich den Infantino und die anderen UEFA-Typen sitzen und dann wird mir schlecht. Weil die jeden letzten Cent noch herauskitzeln. Klar gibt es in der Kultur auch diese Dinger. Du hast das Nova Rock angesprochen. Natürlich fragt man sich, muss es so groß und aufgeblasen sein. Ich finde ja, das darf sein, aber die andere Seite darf nicht vernachlässigt werden. Hier sind viele tolle Künstler, die die Möglichkeit haben, ein großes Publikum zu erreichen.
Rüdiger: Ich finde, Musiker und Künstler dürfen Geld verdienen und es darf kommerziell sein. Letztlich muss jeder auch davon leben können, damit es nachhaltig stattfinden kann. Und ich kenne kein Festival, für das hunderte von Menschen versklavt werden und sterben müssen wie für die Fußball-WM in Katar. Hier stehen wie bei Rock am Ring oder Rock im Park Tausende von Leuten. Da stirbt keiner dafür. Es wird eine Menge Geld umgesetzt und es entsteht eine Menge Freude.
Rüdiger: 2035. Mit der Abschaffung des Benzinmotors.
Florian: Ich kann mir schon vorstellen, dass das passieren wird, weil es für die FIFA und UEFA ein Gag ist. Letztlich aber glaub ich, dass wir alle viel nachhaltiger und fairer denken müssen. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht mehr so lange dauern wird. Ich sage in zwölf Jahren.
Bei uns gibt es monatlich spannende Talks mit unseren Helden der Helden. Hier gibt es die Gespräche zum Schmökern:
Yves Krismer von Mother’s Cake: “Meine Songs sollen live mitreißen!”
Otto Jaus im Interview: “Zufriedenheit ist eine Einstellung!”
Stefan Jürgens: “Wien hat mich gelehrt, das Leben humorvoll zu sehen!”
Nino aus Wien: “Ich höre gerne Hits, ich schreibe halt keine!”
Rapperin Yasmo: “Sich zu behaupten, geht auch ohne Hierarchie!”
Cil City: “Wenn die Energie passt, darf auch was danebengehen!”
Eric Papilaya: “Musiker sein, ist wie ein Marathon, nur ohne Ziel!”
Bernhard Speer: “Verschwitzt, komplett hin. Also alles richtig gemacht!”
Christian Hummer von Wanda: “Statt 150 kamen plötzlich 15.000!”
Arabella zu Starmania: “Es braucht viel Mut und Verletzlichkeit!”
Cley Freude: “Jeder Mensch ist ein Held und für jemanden wertvoll!”
Manuel Rubey: “Ich könnte Tag und Nacht Sport schauen!”
Titus Vadon: “Musiker müssen innerlich brennen, sonst wird’s fad!”
KØLEEN: “Ich liebe Kontraste, vor allem in meiner Musik!”
PAENDA: “Nicht nur meine Texte haben eine Message!”
Sibbi von Itchy: “Dem Karma hilft, wenn man kein Arschloch ist!”
Amy Wald: “Meine Sexualität war für mich nie so eine große Sache.”
Mala Frank: “Dann hat mich Bryan Adams gebeten, ihn zu covern!”
Christopher Seiler: “Wenn du einen Idioten spielst, musst du gscheit sein!”
Anna Heimrath: “Mein Ziel ist, von der Musik zu leben.”
Ina Regen: “Kenne deinen Grund, warum du was machst!”
Paul Pizzera: “Die Konzert-Geilheit bleibt trotz Absage-Frust!”
Russkajas Georgij: “Alles in meinem Beruf ist Freizeit!”
Wendja: “Neben dem Musikmachen ist Sport mein Leben!”
Marco Pogo: “Den Bierbrunnen will ich wirklich!”
Silbermond: “Ein Kind auf die Welt bringen ist heldenhaft.”
Vamummtn-Rapper Ansa: “Autotune-Gedöns ist nicht unsers!”
Kaiser Franz Josef : “Unsere Musik ist zu leiwand fürs Radio!”
Nathan Trent: “Billie Eilish hat das Game revolutioniert!”
Cordula-Grün-Held Josh.“Gig im Burgtheater wäre geil!”
Steve Hogarth: “Über John Len
non geht nichts!”
Nightwish: “Dem würde ich das Härteste geben.”
Prohaska über Musik: “Der Ambros ist mein größter Held!”
Hans Krankl: “Jeder Auftritt ist eine Heldentat!”
Alf Poier: “Mein halbes Leben war eine Heldentat!”
Aufmacherfoto: (c) Christian Orou
Der Wiener Journalist ist seit 2016 Musik-Ressortleiter bei heldenderfreizeit.com, schreibt für diverse Musikfachmedien wie Stark!Strom berichtet dabei über Konzerte, Neuerscheinungen, führt Interviews und erstellt Besten- und Playlisten zu den Top-Liedern von Musikstars.