Sicario 2 hebt sich deutlich vom erfolgreichen ersten Teil ab. Warum das nicht unbedingt schlecht sein muss, lest ihr in unserem großen Review.
19. Juli 2018: Drei Jahre mussten Sicario-Fans darauf warten. Jetzt ist es endlich so weit und auch Teil 2 Sicario: Day of the Soldado läuft bei uns im Kino. Bekannte Hitmen, ein neuer Auftrag und neue Gesichter prägen die actionreiche Thriller-Fortsetzung.
Der Vorgänger von Regisseur Denis Villeneuve (Blade Runner 2049) wurde von Kritikern und Publikum für seine realistisch, düstere Machart geschätzt. Kann Sicario 2 von Stefano Sollima ebenso überzeugen? Das erfahrt ihr in unserer Kritik. Und aufgepasst! Bei uns könnt ihr hier noch bis Sonntag zwei Kinokarten für Sicario 2 und eine DVD von Teil 1 gewinnen.
Der Drogenkrieg tobt noch immer und täglich werden tausende Menschen über die Grenze zwischen den USA und Mexiko geschmuggelt. Schnell stellt sich schmerzhaft heraus, dass sich darunter nicht nur ängstliche Zivilisten, sondern auch Terroristen befinden, die sogleich ein Bombenattentat in einem belebten Einkaufszentrum verüben. Um die Kartelle daran zu hindern, weitere Attentäter über die Grenze zu schmuggeln, beauftragt der Sicherheitsminister höchstpersönlich CIA-Paramilitär-Offizier Matt Graver (Josh Brolin) dazu, die Sache so gut es geht im Hintergrund zu regeln – egal, mit welchen Mitteln.
Erneut begeben sich Matt und Alejandro Gillick (Benicio del Toro) in waghalsige Manöver: Sie sollen einen internen Krieg zweier Kartelle anzetteln, damit sich diese gegenseitig ausschalten. Natürlich ohne dass man die Aktion zur US-Regierung zurückverfolgen kann. Was wäre dafür mehr geeignet, als die Tochter des Kartellbosses Carlos Reyes zu entführen, um es einem anderen Kartell unterzujubeln? Der Plan steht und die Vorbereitungen sind getroffen. Doch als sich plötzlich eine dritte Partei einmischt und die Tarnung aufzufliegen droht, scheint die Operation zu scheitern und ein Kampf gegen die Zeit beginnt.
Trotz anfänglicher Sorge, dass mit Emily Blunt die Moral und das Gewissen des gesamten ersten Teils fehlt, konnte Sicario 2 unsere Erwartungen durchaus übertreffen. Die Atmosphäre ist ganz anders als beim Vorgänger (mehr dazu gleich), trotzdem findet man ein paar Parallelen. So gibt es gleich zu Beginn eine Explosion. Zwar in einem anderen Kontext, aber ähnlich wie im ersten Teil. Auch werden wieder ganze Einsätze aus Nachtsichtgerät-Perspektive gezeigt.
Bekannte Gesichter aus dem Vorgänger sind an einer Hand abzählbar: Benicio del Toro (Alejandro Gillick), Josh Brolin (Matt Graver) und Jeffrey Donovan (Steve Forsing). Unter den Neuzugängen hervorzuheben ist die Tochter des Kartellbosses Isabela, gespielt von gleichnamiger Schauspielerin Isabela Moner. Auch wenn ihre Synchronisation in der deutschen Fassung anfangs etwas gewöhnungsbedürftig ist, überzeugt sie mit ihrer starken schauspielerischen Performance. Seitens der Menschen-Schmuggler wird ein weiterer Handlungsstrang aus der Sicht eines Jungen namens Miguel Hernandez (Elijah Rodriguez) beleuchtet. So verlaufen im Film bis zu drei verschiedene Story-Stränge parallel.
Matt Graver beweist bei seinem ersten „Verhör“, dass wieder alles erlaubt ist, um an Informationen zu gelangen. Hier wird in alter Manier aus dem ersten Teil gehandelt und „verhandelt“. Der Fokus verschiebt sich jedoch bald auf Alejandro Gillick, ehemaliger Staatsanwalt, dessen Familie von Reyes Leuten brutal ermordet wurde. Die Art und Weise, wie das Mädchen entführt wird und der Krieg zwischen den beiden Kartellen ausgelöst werden soll, wurde sehr raffiniert umgesetzt. Im Verlauf des Films erfährt man auch Neues über Alejandros verstorbene Tochter, was über eine sehr wortkarge, aber emotionale Szene geschieht.
Hie und da gibt es kleine Ungereimtheiten: Alejandros Verhalten ist in einer Szene etwas widersprüchlich zum ersten Teil, auch wirkt ein Befehl von oben etwas aufgesetzt, um das Drama künstlich zu steigern. Alles in allem ist der Film sehr stimmig und bietet in seinem Genre mehr, als man anfangs vermuten lässt. Die Charakterentwicklung von Matt und Alejandro ist durchaus gegeben, auch wenn ihre menschlichen Gefühle nur minimal und teilweise subtil zum Vorschein kommen.
Die Action-Sequenzen sind gut über den gesamten Film verteilt, stehen aber nicht im Vordergrund. Blut und Intrigen gibt es genügend und manch ein Schuss kommt sehr unerwartet. Das sind diese Momente, in denen man im Kino sitzt und sich fragt: „Ist das jetzt wirklich passiert?“
Die Musik, komponiert von der Isländerin Hildur Guðnadóttir, ist dieses Mal sehr präsent und dicht platziert. Man wird stets von ihr getragen, ob nun durch imposante Trommeln in wilden Verfolgungsjagden oder durch so manche Streicher in nachdenklichen Szenen. Auch ein Gegensatz zum ersten Teil, der sich noch eher durch ruhige Szenen, wenig Text und minimalistischem Einsatz von Musik ausgezeichnet hat.
Kleine Warnung: Fans von Sicario werden im zweiten Teil vermutlich nichts von dem wiederfinden, was sie am ersten Teil so geschätzt haben. Das ist per se nichts Schlechtes. Jedoch sollte man sich darauf einstellen: Die Atmosphäre des Films ist komplett anders. Während Villeneuve Sicario eher minimalistisch und sehr stark durch Bilder und Eindrücke erzählt, lebt Sollimas zweiter Teil von mehr Action, aussagekräftiger Musik und auch mehr zwischenmenschlichen Interaktionen. Das Einführen zweier Kinder kompensiert gut das Fehlen von Emily Blunt als Moralstütze. So kann man die Story auf emotionaler Ebene aus verschiedenen Perspektiven mitverfolgen und auch die zwischenmenschlichen Interaktionen werden dadurch positiv verstärkt.
Beim Vergleich mit Teil 1 gehen die Meinungen sicherlich auseinander. Der zweite Teil hat in punkto Aufbau, Erzählgeschwindigkeit, Musik und Charaktere sogar noch etwas besser gefallen. Freilich ist die einzigartige Atmosphäre, die fast schon auf nüchternste Art und Weise die brutale Seite des Drogenkriegs in Mexiko realitätsnah vermittelt, im ersten Teil unübertroffen.
Fans von Sicario sollten sich nichts desto trotz auf den Nachfolger einlassen. Wem der Vorgänger etwas zu „fad“ war, könnte an Day of the Soldado mit seiner kompakterern Erzählweise mehr Gefallen finden. Den höheren Wiederschauwert hat unserer Meinung nach Sicario 2. Während der Erstling hie und da ein paar Längen aufweist, vergehen die zwei Stunden in Day of the Soldado wie im Flug. Das Ende selbst kommt etwas prompt mit einem harten Schnitt, was aber mit dem dritten und somit letzten Teil der Trilogie zusammenhängt. Wir dürfen gespannt sein!
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Alle Fotos: (c) Studiocanal GmbH/Richard Foreman Jr
Die Web-, Manga- und Social Media Expertin zeigt ihre Expertise in Filmreviews, berichtet aber auch von anderen Freizeit-Erlebnissen.