Laut dem Maya-Kalender hätte die Welt 2012 untergehen sollen. Mit sechs Jahren Verspätung hat unsere Lieblings-Grabräuberin Lara Croft nun die Apokalypse in Gang gesetzt. Die britische „Forscherin“ wird nichts unversucht lassen, uns zu retten, und wir schauen ihr dabei über die Schulter. Macht das Spaß oder versetzt uns das wegen so mancher Mängel im Spiel in Weltuntergangsstimmung? Shadow of the Tomb Raider im Test.
von Christoph Geretschlaeger
Nachdem Lara Croft in Mexiko den Weltuntergang gestartet hat, „landen“ wir im peruanischen Dschungel auf der Suche nach einer verlorenen Maya-Stadt. Deren Geheimnisse könnten die Apokalypse stoppen. Lara und Sidekick Jonah (der bullige Samoaner war schon im vorigen Teil mit von der Partie) sind Trinity, den üblen Schergen von Dr. Domingues, dicht auf den Fersen.
So beginnt der dritte und letzte Teil des Tomb Raider Reboots. Die Kritiker sind gespalten. Manche vergeben fantastische Wertungen, andere sind total enttäuscht. Wir haben das Abenteuer durchgespielt und uns selbst ein genaues Bild gemacht. So sieht unser Urteil aus:
Der dritte Teil der Saga macht einen guten ersten Eindruck. Die Grafik ist fesch. Die Musik treibend, pulsierend, frenetisch wenn nötig. Die Puzzles sind einigermaßen abwechslungsreich und dank der umfangreichen Schwierigkeitsgrad-Einstellungen (eigene Regler für Kämpfen, Entdecken und Puzzles) auch ohne Lösungsbuch gut zu schaffen. Und die Welt wirkt durch die große Flora- und Fauna-Vielfalt lebendig.
Mit unserem Überlebensinstinkt leuchten die Gebiete auf wie ein Weihnachtsbaum. Da gibt es Äste abzubrechen, aber nur ein Ast pro Baum, Lara schaut schließlich auf Nachhaltigkeit. Pflanzen locken mit potenten Wirkstoffen um schneller zu Laufen, besser zu Sehen oder mehr Auszuhalten. Mit entsprechend investierten Skillpunkten leuchten auch die Herzen der ortsansässigen Tierwelt auf. Das ist wichtig, um nicht zu viele Pfeile auf der Jagd nach frischem Tierfell zu verschwenden. Das brauchen wir um antike Kleidung wieder in Schuss zu bringen, damit wir von vielfältigen Boni profitieren können. Wer nicht ein bissl besser schleichen, ein bissl mehr Erfahrungspunkte für Stealth-Kills oder mehr Ressourcen haben möchte, kann sich auch für klassischere Outfits entscheiden. Darunter der (auch im Spiel) niedrig aufgelöste legendäre türkise Tanktop mit der knappen braunen Hose aus den ersten Tomb-Raider-Spielen.
Der Überlebensinstinkt (ähnlich der Detektivsicht aus Batman oder Witcher 3) ist auch ein essenzielles Werkzeug für die Grabmäler und Krypten, die unsere Heldin namensgebend plündert. Seile und Hebel werden markiert, Interaktionen erleichtert. Das können Wagemutige aber auch abstellen, oder Vollgas aktivieren, damit Lara dann überhaupt den nächsten Schritt erklärt. Die großteils physikbasierten Rätsel sind unterhaltsam und gerne knackig, entwickeln sich mit Fortdauer des Spiels aber kaum weiter. Gegen Ende wirken manche Rätsel sogar eins-zu-eins aus Uncharted (insbesondere 4) übernommen.
Gebiete in Shadow of the Tomb Raider sind überraschend schlauchartig. Oft führt überhaupt nur ein Weg ans Ziel, ganz selten gibt es mal eine Abzweigung, an deren Ende aber unweigerlich eines der unzähligen Collectibles wartet. Überhaupt wird einem das Bedürfnis vermittelt alle zwei Meter irgendeinen Ramsch aufzuheben. Mal ist es wirklich Schrott (um Waffen zu verbessern), mal Federn um neue Pfeile zu basteln, mal Reise-Dokumente von vorangegangen Expeditionen. Entweder man findet die richtige Klippe, wo es weitergeht (anhand der Karte meistens leicht zu eruieren) oder man landet in einer Sackgasse. Das tut auch den seltenen Kämpfen nicht gut.
Kampfareale sind in Shadow of the Tomb Raider fast schon klaustrophobisch klein, gerade dass man an einer ganz bestimmten Wand an einem Gegner vorbeischleichen kann. Wenn das auf Samtpfoten heranpirschen aber unweigerlich schief geht, schießt man ein bissl in eine Richtung und die Gegner sind tot. Ganz selten kommen Feinde auch mal von hinten oder überraschen einen.
Mordinstrument Nummer 1 sind Pfeil und Bogen, dicht gefolgt, wenn es gegen Menschen geht, von Sturmgewehr und Pistole. Die Waffen fühlen sich alle ganz gut an, und ziehen auf der maximalen Ausbaustufe eine regelrechte Spur der Verwüstung hinter sich her.
Im Laufe des Spiels schaltet man noch eine Schrotflinte frei, die auch für das ein oder andere Rätsel von Nutzen ist. Da lauert auch einer der Hauptkritikpunkte. Von Anfang an begegnet Lara blockierten Eingängen oder versperrten Schlössern, die sie nicht aufmachen kann. Erst mit Fortdauer der Story, oder gekoppelt an den Abschluss gewisser Nebenmissionen werden diese Dinge zugänglich. Ein furchtbares Konzept. Eine x-beliebige und fade Nebenmission erledigen damit ein Händler einen Dietrich lagern hat, damit ich durch vorige Gebiete watscheln kann, um Truhen aufzumachen? Nur unter Protest.
Lara fühlt sich verantwortlich die Apokalypse ins Rollen gebracht zu haben und hat massive Schuldgefühle. Schade nur, dass sie so gar kein Charisma hat. Sie überlässt anfangs überhaupt ihrem Sidekick das Reden, ist schroff, unfreundlich und nur auf ihr Ziel fokussiert. Komme was wolle.
Mit der Zeit taut unsere Heldin etwas auf. Das macht auch das Spiel gleich unterhaltsamer. Überhaupt tut sich die Story schwer in Gang zu kommen. Erst mit der Entdeckung einer verlorenen Stadt öffnet sich Shadow of the Tomb Raider. Das Tempo wirkt aber merkwürdig. An einer Stelle im Spiel, an der man plötzlich ein halbes Dutzend Nebenmissionen bekommt, folgt nach zwei oder drei Hauptmissionen schon wieder das Ende.
Ich wurde nach 10 Stunden fast überrumpelt von der, mittlerweile üblichen, Benachrichtung, wenn ich diese Mission mache, gibt es kein zurück mehr, das Spiel geht dem Ende zu. Papperlapapp, zuerst müssen noch ein paar Krypten gemacht werden. Das hab‘ ich mir so lange gedacht, bis das zweite Grab ein Kletterutensil brauchte, das der oben angesprochene Händler (nach der zu erledigenden Nebenmission) verkauft. Na dann, spielen wir halt das Ende. Und ich sollte dafür belohnt werden – mit einer aufregenden Sequenz, die einige Mängel wieder vergessen lässt.
Shadow of the Tomb Raider ist ein gutes, aber nicht überragendes Spiel. Viele Elemente machen Spaß, aber mindestens so viele Entscheidungen von Entwickler Crystal Dynamics sind regelrecht frustrierend. Wer es sich ausgedacht hat mit Piranhas und Muränen Unterwasser-Sequenzen zu verbessern, dem gebührt sowieso ein Platzerl in der Hölle. Lara Croft als eiskalter Racheengel ist auch eine Figur, mit der ich nicht warm werde. Wie man multidimensionale, weibliche Charaktere macht, hat Uncharted Lost Legacy – hier unser Test – vorgezeigt. Warum nicht auch da ein Beispiel nehmen, war es doch sichtlich eine Inspiration für viele andere Dinge?
Etwas Abwechslung hätte dem Spiel gut getan. Immer nur durch den Dschungel hirschen wird auf Dauer fad, immer nur den gleichen Gegnern begegnen eintönig. Die Mischung aus Puzzle und Kampf ist nicht gut ausbalanciert. Mal kämpft man eine Stunde lang, dann rätselt man zwei Stunden ohne die Waffen anzurühren. Dass Grabstätten beide Elemente miteinander verbinden, ist überhaupt viel zu rar. Und warum die brutalen Todes-Sequenzen noch immer im Spiel sind, versteh’ ich auch einfach nicht.
Die Grafik ist einwandfrei, die Animationen wahnsinnig flüssig und am Ende des Tages macht das Herumlaufen in Laras Welt immer noch Spaß. Zumindest, wenn man für gewisse Dinge eine dicke Haut entwickelt, mindestens so dick wie die süßen Cabybaras, die die schönsten Felle liefern.
Shadow of the Tomb Raider ist seit Freitag, 14.9. für PS4, Xbox One und PC im Handel erhältlich.
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Alle Bilder (c): Screenshots, Insomniac Games
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.