Seit Dienstag kann man sich wieder als Talion durch Orc-Horden metzeln. Gameplay, Neuerungen, Fazit. So gut ist Mittelerde: Schatten des Krieges.
von Christoph Geretschlaeger
Fans von Mordors Schatten wird es freuen. Seit Dienstag ist der Nachfolger Mittelerde: Schatten des Krieges (engl. Middle Earth: Shadow of War) erhältlich. Wieder mordet sich Ranger Talion durch Orc-Armeen und deren mächtige Anführer.
In unserem Test sagen wir dir, was der zweite Teil besser macht, warum du ihn spielen musst oder weshalb du vielleicht die Finger davon lassen solltest.
Zunächst zur Story. Schatten des Krieges schließt direkt an die Ereignisse des vorigen Teils an. Talion, der unsterbliche Ranger schmiedet mit dem Geist des Elfen Celembrimbor einen neuen Ring der Macht. Doch der Ring bleibt nicht lange im Besitz des Power-Duos. Die Riesenspinne/Hexe Shelob, Habschi von Sauron aber jetzt nicht mehr so auf Bussi-Bussi mit ihm, reißt den Ring in den ersten Spielminuten an sich.
Im ersten Akt des Spiels macht sich Talion in Minas Ithil auf die Suche nach dem Palantir, dem allsehenden Auge. Die Story trieft an jeder Ecke nur so vor Tolkienscher Vorstellungskraft. Viele Charaktere sind direkt aus den Büchern, manch andere fühlen sich mindestens so „echt“ an. Alle Story-Komponenten sind auch mit den Nachlassverwaltern Tolkiens abgestimmt. Im Laufe des Spiels muss man sogar gegen Nazghul (die dunklen Reiter) antreten. Aber, wenn die schon keine Hobbits stoppen können, warum sollten sie dann einen Ranger von Gondor aufhalten können?
Einzig die Brutalität mit der Orcs in diesem Spiel abgeschlachtet werden ist nicht ganz mit den Idealen Tolkiens vereinbar. Spaß machts aber allemal.
Das Nemesis-System hat in Shadow of War wieder seinen großen Auftritt. Im Vergleich zum Vorgänger wurde die gesamte Ork-Hierarchie nochmal aufgebohrt. Jetzt hat jede Festung eine eigene Gruppe an manchmal lustigen, manchmal hinterlistigen und manchmal angsteinflößenden Orks. Das System an sich ist relativ intuitiv. Es gibt eine Reihe an Ork-Captains mit bestimmten Stärken und Schwächen, die besonders auf den schwierigen Schwierigkeitsgraden ausgenutzt werden müssen. Ein paar sind empfindlich gegen Pfeile, ein paar haben Angst vor Feuer und andere sind immun gegen Sprung-Attacken.
Wird ein Captain getötet, zum Beispiel durch ein Messer im Rücken *hust*, rückt nach einer gewissen Zeit der nächste Ork nach. Wird die Spielfigur, der Ranger Talion, von einem Ork getötet, was mir auf dem härtesten Schwierigkeitsgrad gefühlt alle zwei Minuten passiert, wird dieser befördert. Die grünhäutigen Ganoven lernen aber auch immer dazu. Verwendet man gewisse Attacken zu oft, sind diese bald nicht mehr effektiv.
Mit der Zeit metzelt man sich in der Hierarchie nach oben. Ziel ist es die Häuptlinge auszuschalten. Die sind nämlich die Stützen des obersten Kommandanten. Fallen diese Stützen ist der Chef verwundbar. Theoretisch kann man auch einfach reinlaufen und den Oberboss umhacken, praktisch ist das aber fast unmöglich. Fast so wie Dark Souls mit Bongo-Drums durchspielen. Im Laufe des Spiels baut man sich durch das Übernehmen von Orcs eine eigene Armee auf. Die kann dann eigenständig Festungen verteidigen oder Talion beim Angriff unterstützen.
Komisch ist, dass seit 2014 noch kein anderes Spiel dieses Nemesis-System aufgegriffen hat. Gerade in einem GTA oder im Star-Wars-Universum könnteman sich diese Klans, diese Gruppierungen richtig gut vorstellen. Aber vielleicht braucht das auch noch seine Zeit. Entwickler Monolith betont aber auch wie viel Arbeit dahinter steckt.
In Schatten des Krieges werden zum ersten Mal in der Reihe Schwierigkeitsgrade eingeführt. Während man sich in Mordors Schatten, gerade in der zweiten Spielhälfte, durch Ork-Captains en Masse durchgemetzelt hat, braucht man jetzt eine flinke Klinge und ein genau eingestelltes Visier. Eine sehr willkommene Änderung.
Die Kämpfe sind gewohnt frenetisch und machen unheimlich Laune. Die Speerwerfer fühlen sich manchmal ein bisschen unfair an, aber die muss man halt dann zuerst ausschalten. Die ganz Mutigen (oder die Actionfotografen) können sich jederzeit das Interface ausblenden lassen und nur mit den Bewegungen der Orks, nur mit dem Flow, kämpfen. Ich habe zwar wenig Respekt für Talions Leben, aber so verrückt bin ich auch nicht.
Grafisch ist der zweite Teil keine Offenbarung. Die Effekte sind nett, die Texturen brauchbar – alles sehr solide. Eine deutliche Verbesserung zum ersten Teil stellt der Einstieg dar. Ist man in Shadow of Mordor noch Anfangs durch das triste Mordor gelaufen, fängt man jetzt im bewaldeten und bunten Minas Ithil an. Die Welt ist sogar farbenfroh – brennende Häuser die mit dunklem Orc-Blut gelöscht werden.
Wir haben Schatten des Krieges auf der PS4 Pro getestet, da gibt es einen Regler für Auflösung vs. Grafik, der die Performance nicht wesentlich beeinflusst. Auf dem PC sieht das ganze natürlich noch einen Tick besser aus.
Neu ist jetzt ein Inventar. Die Captains und vereinzelte kleine Orks lassen immer wieder Gegenstände fallen. Es gibt neue Schwerter, die mehr Schaden machen, neue Bögen, die Gegner vergiften oder in Brand setzen, neue Kapuzen, die einen besser schleichen lassen und neue Rüstungen, die das eigene Leben besser schützen.
Die besseren Teile können alle auch noch verbessert werden, in dem man bestimmte Bedingungen erfüllt. Ein Brustpanzer wird beispielsweise stärker, wenn man einen Level 20 Ork übernimmt, für jede erfolgreiche Exekution mit einem bestimmten Schwert bekommt man ein bisschen Leben zurück. Durch die Ausrüstung ändert sich natürlich auch Talions Aussehen, im ersten Teil musste man dafür noch DLC kaufen.
Apropos kaufen. Schatten des Krieges hat einen Ingame-Store der Lootboxen verkauft. Das ist gerade ein sehr heißes Thema in der Spielebranche. In Multiplayer-Shootern wie Overwatch für neue Skins, alternative Uniformen, eingeführt, sind das regelmäßige Belohnungen, die man fürs Spielen bekommt. Mit einer kleinen Echtgeld-Finanzspritze kann man sich dann bessere und vor allem mehr von diesen Schatztruhen holen. Darin enthalten sind neue Waffen oder neue Orks, die für einen kämpfen. Die Entwickler versprechen ja meistens, dass man sich dadurch keinen Vorteil verschaffen kann, man nur schneller an gewisse Dinge rankommt und nicht so viel grinden (Spielinhalt wieder und wieder wiederholen) muss. Warum ein reines Singleplayer-Spiel so ein Element braucht, ist mir unerklärlich. Aber so lange Leute da Geld reinstecken werden die Entwickler immer dreister.
Mittelerde: Schatten des Krieges macht extrem viel Spaß. Es nimmt die coolen Fähigkeiten und das spannende Nemesis-System aus dem Vorgänger und setzt nochmal überall eins drauf. Die Welt ist größer und zugleich viel lebendiger. Die Orks sind wahnsinnig abwechslungsreich und haben immer einen flotten Spruch drauf. Beim Massenmetzeln verliert man gerne die Zeit. Die regelmäßigen Ausrüstungsupgrades motivieren zusätzlich.
Wer Mordors Schatten mochte wird den zweiten Teil lieben. Leute die sich vielleicht etwas Neues erwarten oder eine tiefgründigere Story werden enttäuscht sein. Alle anderen werden einen Riesenspaß haben.
Mittelerde: Schatten des Krieges ist seit Dienstag im Handel oder einem Online-Store in deiner Nähe erhältlich. Um wohlfeile 70 Euro für die PS4– oder Xbox-Version und um 60 Euro für PC.
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Alle Bilder (c): WB Games, Screenshots
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.