Grand Theft Auto 6 lässt weiter auf sich warten, aber dafür meldet sich einer der größten Konkurrenten des Open World Giganten zurück: Saints Row. Das war früher die Gang-Simulation für alle, denen GTA noch nicht abgedreht genug war. Nun kommt der Reboot, der die Schraube etwas zurückzudrehen scheint. Ob die Serie trotzdem weiter mit den großen Open-World-Klassikern mithalten kann, haben wir für euch getestet.
von Klaus Kainz
Saints Row war früher einer der bekanntesten Gangster-Sandboxen neben GTA, auch wenn es nie ganz mithalten konnte. Mit einem Comedy-Anstrich, der pro Ableger immer wahnwitziger wurde, hat es sich von der Inspiration abzuheben versucht. Spätestens der vierte Teil hatte mit ernsten Gangster-Open-Worlds nichts mehr zu tun und wurde zur Chaos-Sandbox mit Superhelden-Gameplay und kindischem Humor. Schräg ist der Reboot von Saints Row noch immer, aber nicht mehr so gnadenlos überdreht wie die direkten Vorgänger.
Wer Open Worlds – Marke Grand Theft Auto – kennt, wird sich in Saints Row schnell zu Hause fühlen. Auf Knopfdruck ein Auto gestohlen und los geht’s. Entweder ackert man sich durch mit Icons markierte Story-Missionen, oder man treibt einfach Schabernack. Diesmal in Santo Ileso, einer Art US-mexikanischen Grenzstadt und Pampa. Innerhalb der Story gibt es viel Geballer, entweder in linearen Levels, oder auf den Straßen. Ab und zu mit speziellen Konditionen, wie Waffeneinschränkungen. Wer darauf keine Lust hat, richtet nach Lust und Laune Chaos und Gemetzel an – solange es die Cops zulassen. Wobei fast alles, was man tut, EXP abwirft.
Der Reboot ist zwar weit weg vom Superhelden Gameplay im vierten Saints Row. Nüchtern ist es trotzdem nicht. Nicht nur ist es optisch knallbunt. Auch das Gameplay ist abgefahrener als die Konkurrenz. Mit Rammattacken lassen sich Autos sprengen, im Nahkampf sind Feuerangriffe freischaltbar und die Map ist oft am Zerbersten. Eure Bewegung beschränkt sich außerdem nicht auf Vehikel, weil der Protagonist immer einen Wingsuit für euch in der Tasche hat.
Außerdem will Saints Row die Konkurrenz mit besonders viel Individualisierung ausstechen. Der Character Editor ist dabei nur der Anfang. Autos lassen sich tunen, das Hauptquartier möblieren und sogar die Kleidung eurer Gang-Mitglieder anpassen. Obendrauf gibt es einen riesigen Haufen an knalligen Outfits zu finden und auszuprobieren – das erinnert fast schon an Online-Games. Die Grafik bewegt sich dabei auf gutem PS4-Niveau, nicht unbedingt im Next-Gen Bereich. Unsere Version hatte ein paar kleinere Bugs, wie feststeckende Animationen und Knopfbefehle. Allerdings legte sich das immer rasch und das Game war nie unspielbar.
Manche Fans haben sich vor einem krassen Wechsel der Tonalität gefürchtet. Die bulligen Alpha-Männchen der vorherigen Saints Row Spiele sind nämlich passé. Stattdessen übernehmen wir die Kontrolle einer Gang aus hochnäsigen Hipstern. Wobei auch alle feindlichen Gangs in eine ähnliche Richtung gehen, egal ob als Hobby-Anarchisten, Rave-Gänger oder Yuppies. Für uns hat das nicht wirklich funktioniert. Klar, die Prämisse soll ironisch sein – hippe Sprücheklopfer, gleichzeitig Superkiller und Amokläufer. Aber die Story und Dialoge sind nicht gut genug für die Prämisse geschrieben. Vor allem weil sie trotzdem ernste emotionale Bindungen rüberbringen wollen. Das klappt nicht. Aber zur Verteidigung: Auch die Vorgänger waren nicht gerade Comedy-Meisterwerke.
Die schrille Aufmachung kann nicht über kleine Ermüdungserscheinungen hinwegtäuschen. Das Game hat zwar alles, was eine Open World so bieten kann. Straßenkämpfe, Hubschrauber-Missionen, Auto-Action, ausbaubare Immobilien, Gang-Rekrutierung, usw. Man könnte mehrere Nachmittage mit Saints Row verbringen, bevor man essentielle Features wie den Gangster-Imperium-Bau freischaltet. Alle Features funktionieren gut, die Action ist wuchtig und rasant. Generell macht die Map Spaß und lineare Story-Missionen bieten gute Shooter-Abschnitte. Es macht also nichts falsch. Allerdings macht es auch nichts Überraschendes. Das kann beim Überangebot von ausufernd langen Open World Games problematisch sein, je nachdem wie viele man in letzter Zeit gezockt hat. Der Titel hätte exakt so von Ubisoft kommen können und fühlt sich angesichts der Open-World-Flut oft austauschbar an.
Im Grunde hat sich nicht viel geändert. Saints Row ist noch immer ein netter Ersatz für GTA, der nicht ganz an den Einfallsreichtum und Style der Vorlage herankommt. Über die manchmal fremdschämigen Charaktere muss man hinwegsehen, aber sonst ist der Reboot von Saints Row ein grundsolides Sandbox Spiel. Allerdings liegt da auch sein größtes Problem. Als Zocker schwimmt man ja geradezu in Open World Standardware, bei der Saints Row einfach nicht mehr heraussticht – die Richtung vom abgedrehten vierten Teil hinterließ mehr Eindruck. Es ist ein gutes Füller-Spiel, aber man verpasst auch nichts.
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Der Redakteur (APA, Helden der Freizeit) und Videospiel-Blogger reviewed für uns vor allem Games, Serien und Filme - ist aber auch so manchem Naturausflug nicht abgeneigt.