Rudi Dolezal wirft in seinem Buch einen Blick auf mehrere Jahrzehnte Austropop. Das sind die persönlichen Top-20 des Musik-Chronisten.
von Christian Orou
Die Auswahl der Songs ist auf den ersten Blick ein wenig ungewöhnlich. Sie versammelt nicht nur die großen Hits. Natürlich ist Amadeus vertreten, Fürstenfeld und auch Bologna ist dabei. Andere Titel verwundern zunächst. „S´ Muaterl“ von der EAV zum Beispiel oder Hansi Langs „Bild aus Glas“. Bei der Lektüre wird die Auswahl dann klarer. Dolezal nutzt die Songs, um seinen reichen Schatz an Anekdoten zu plündern. Manchmal drängt er sich dabei aber zu sehr in den Vordergrund.
Gedanken zum Begriff Austropop
Noch bevor ich das Buch in Händen hielt, schwirrten mir verschiedene Gedanken durch den Kopf. Zuerst natürlich mein persönliches Ranking. Welche 20 Songs würden für mich die Geschichte des Austropop erzählen? Da kam ich gleich auf die nächsten Fragen: Was ist Austropop? Was ist überhaupt Pop? Die Frage nach dem Begriff Austropop beantwortete Christine Stürmer so: „Austropop ist Popmusik aus Österreich.“
Klingt sehr einleuchtend, diese Definition. Bei genauerer Betrachtung eröffnet sich aber deren ungemeine Tragweite. Denn diese Erklärung beschränkt den Begriff nicht auf die siebziger, vielleicht auch noch die achtziger Jahre. Nach dieser Definition, ich gehe da noch einen Schritt weiter und begreife Pop als populäre Musik, beginnt der Austropop schon bei Hermann Leopoldi und reicht bis in die Gegenwart.
Rudi war immer dabei
Dolezals Buch packt das Thema in 20 Kapiteln auf sehr unterschiedlich Weise an. Nicht immer steht der Song im Vordergrund. Bei „Koa Hiatamadl“ versucht Dolezal der Mechanik eines Hits auf die Spur zu kommen. In anderen Kapiteln beschränkt er sich, wie zum Beispiel bei Marianne Mendt oder Andy Baum, auf eine Hommage an unterschätzte Künstlerinnen und Künstler. Was dabei aber auf keinen Fall vergessen werden darf: Der Beitrag von Rudi Dolezal an der jeweiligen Karriere.
Wolfgang Ambros – Verwahrlost aber frei
Wilfried – Highdelbeeren
Falco – Rock me Amadeus
Austria 3 – Weusd´mei Friend bist
Opus – Live is life
Marianne Mendt – In deine Oam
Wanda – Bologna
EAV – s´Muaterl
Hubert von Goisern – Koa Hiatamadl
Georg Danzer – Die Freiheit
Boris Bukowski – Kokain
Stefanie Werger – I wü die g´spürn
STS – Fürstenfeld
Hansi Lang – Bild aus Glas
Andy Baum – Slow down
Rainhard Fendrich – von Zeit zu Zeit
Bilgeri & Köhlmeier – Strumpfbandgürtelblues
Schmetterlinge – Johnny reitet wieder
Christine Stürmer – Ich lebe
Austria für Afrika – Warum?
Ohne Maulkorb
Nebenbei erfahren dieLeserinnen und Leser ein wenig über österreichische Fernsehgeschichte, war Dolezal doch einige Jahre Moderator der Jugendsendung „Ohne Maulkorb“. Sie wurde in den Siebziger- und Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts ausgestrahlt und war ein Biotop für jungen, kreativen und kritischen Journalismus. Einige Beiträge sind noch auf Youtube zu finden.
Nicht nur Platz für die Großen
Bei den Interpreten der Songs handelt es sich vor allem um Größen einer vergangenen Zeit. Dass da bei 20 Songs nicht nur Platz für die großen drei Ambros, Danzer und Fendrich ist, liegt auf der Hand. So kommen auch jene Musiker zu Ehren, auf die sonst immer vergessen wird. Und immer wieder trifft man alte Bekannte. Ich habe sehr über den Beitrag über Boris Bukowski gefreut, haben mich doch er und seine Band Magic durch meine Jugend begleitet.
„Die Geschichte des Austropop in 20 Songs“ birgt aber nicht nur die Begegnung mit Bekanntem, es holt auch Erinnerungen an Musikerinnen und Musiker hevor, die es nicht mit Liedern in diesen Kanon geschafft haben. So gibt es zum Beispiel ein Wiedersehen mit dem Godfather der Wiener Musik-Szene, Hallucination Company-Mastermind Ludwig Adam.
Kleine Fotostrecke, großes Register
Eine Fotostrecke in der Mitte des Buches, ein akribisches Register, das alle erwähnten Personen, Bands und Lieder auflistet sowie ein Nachwort von Joesi Prokopetz und ein wenig Werbung für Dolezals Fernsehserie „Austropop-Legenden“ vervollständigen den Band.
Ich habe es mir nicht nehmen lassen und auch meine persönlichen Austropop-Top20 erstellt.
Marianne Mendt – A Glockn
Wolfgang Ambros – Dei Foto
Worried Man Skiffle Group – I bin a Wunda
Arik Brauer – Köpferl im Sand
Kyrie Eleison – Lenny
Smiler – I feel fine in Heidenreichstein
Stonehenge – Leave it up to me
Heli Deinboek – Lintschi
Hansi Lang – Keine Angst
Falco – Der Kommissar
Cosmetics – Hello Man
Ostbahn Kurti & die Chefpartie – Blattschuss
Magic – Ich bin müde
Hallucination Company – America
Drahdiwaberl – Mad cat sadie
Rank – Withou the Hilti
Wanda – Bussi Baby
Seiler und Speer – Ham kummst
Sofa Surfers – Edgelands
Molden, Resetarits, Soyka, Wirth – Rutschduam
Dolezals Buch lädt zu einer Reise in die österreichische Musikvergangenheit, bewegt sich aber dabei hauptsächlich im Mainstream. Der eine oder andere Abstecher in die Seitenarme der österreichischen Popmusik hätten nicht geschadet. Alles in allem ist Rudi Dolezal aber ein Buch gelungen, das man, hat man es einmal zur Hand genommen, kaum mehr weglegen wird.
Titel: Die Geschichte des Austropop in 20 Songs
Autor: Rudi Dolezal
Verlag: Servus Buchverlag, 2016
Seiten: 188
Weiterlesen: Wer sich für die klassischen Jahre des Austropop interessiert, dem sei die Anthologie „Heimspiel“ herausgegeben von Walter Gröbchen, 1995 im Hannibal-Verlag erschienen, empfohlen.
Fazit: Das neue Buch von Rudi Dolezal gibt einen schönen Überblick über die klassischen Jahre des Austropop. Es lädt zu einer Entdeckungsreise durch die österreichische Popmusik.
Der Chefredakteur der Wiener Alszeilen verfasst für heldenderfreizeit.com Buch-, Musik- und Spiel-Rezensionen, ist Video-Redakteur von CU TV und schreibt für das Musikmagazin Stark!Strom. Dazu berichtet er von Konzerten, Sport- und anderen Kulturevents und führt Interviews mit Stars und spannenden Persönlichkeiten.