Ein Beislsänger möchte Karriere machen – in Adrian Goigingers jüngstem Film muss Voodoo Jürgens als Rickerl über seinen Schatten springen. Wie es gelingt, übliche Klischees des Genres dabei zu umschiffen und um was es genau geht, liest du in unserer Rickerl Kritik.
von Susanne Gottlieb
16. Jänner 2024: Im November trafen wir uns mit Voodoo Jürgens im Cafe Weidinger, um über sein Filmdebüt in Adrian Goigingers Rickerl zu reden. Ein passender Schauplatz: Denn hier setzten sich auch der Kultsänger und Regisseur im Vorfeld zusammen. “Ich habe ihm Anekdoten erzählt, die er mitgeschrieben hat. Bei sich zu Hause in Salzburg hat er dann Neufassungen selbst daraus gemacht”, verriet er uns. Hier ist das Interview ausführlich nachzulesen. Nun bekommt der Film am 19. Jänner endlich seinen Kinostart in Österreich.
Ob sich der Film, in dem Voodoo Jürgens eine fiktionale, erfolglose Version seiner selbst spielt, die mit ihrem Leben aufräumen muss, lohnt, verrät euch unsere Rickerl Kritik. Und wenn ihr schon mal im Kino seid, schaut euch unbedingt auch All Of Us Strangers an – Filmkritik ist hier verlinkt.
Der Beisl-Musiker Erich „Rickerl“ Bohacek (Voodoo Jürgens) mag zwar das Talent haben, groß rauszukommen, aber es fehlt am nötigen Willen, sein erstes Album wirklich durchzuziehen. Den Gitarrenkoffer voller Lieder, hat er seinen letzten Versuch einst wegen künstlerischer Unzufriedenheit und Perfektionismus abgebrochen und lebt nun am absoluten Existenzminimum, in dem er sich von einem Job zum anderen hantelt. Ob nun Totengräber, Würstelverkäufer oder Sexladen-Verkäufer.
Doch der Ansporn, sein Leben in den Griff zu bekommen ist sein Sohn Dominik (Ben Winkler), den er sich mit seiner Ex Viki (Agnes Hausmann) teilt, und für den er der größte Held ist. Um ihm ein gutes Vorbild zu sein, versucht er endlich über seinen eigenen Schatten zu springen. Das bedeutet aber auch, nicht nur sein Umfeld, sondern sich selbst kritisch unter die Lupe zu nehmen.
Entstanden ist die Idee zum Projekt, als Adrian Goiginger erstmals über den Sänger stolperte. Jahrelang hatte man miteinander überlegt, was das für ein Projekt werden könnte, wie uns Voodoo Jürgens hier im Interview verriet. Herausgekommen ist wieder ein semi-biographisches Filmjuwel in typischer Goiginger-Manier, das sich diesmal aber nicht am Leben seiner eigenen Familienmitglieder orientiert, sondern sich an Kernelemente von Jürgens Biografie entlang schlängelt.
Wie immer geht es bei Goiginger auch hier um eine Person am gesellschaftlichen Rand. Einen Helden, der sich den Hürden widersetzen muss, um seinen Platz zu finden. Mit seiner gewohnt behutsamen Annäherung an den marginalisierten Protagonisten, mit Voodoo Jürgens natürlichem Charme und einem Haufen neuer Songs, die sich als musikalische Einlagen durch den Film ziehen, ist dieses Drama auch ein schönes schauspielerisches sowie musikalisches Erlebnis. Die ranzige Atmosphäre der Wiener Beisln und ihr buntes Publikum werden eindrucksvoll eingefangen. Die Drehorte sind ein “Best Of Wien” abseits der typischen Touristenpfade.
Das Drehbuch verzichtet darauf, die klischeehafte, aber stets populäre Geschichte eines Mannes, der erwachsen werden und seine Beziehungen und sein Leben in Ordnung bringen muss, wie einen Weichspüler ohne Ecken und Kanten über dem Zuschauer auszuschütten. Zwar mag Goiginger, der auch das Drehbuch geschrieben hat, durchaus einen Hang zum Sentimentalen haben. Aber er bietet keine einfachen Lösungen. Und die Schwächen funktionieren, weil so viel Herz in diesem Film steckt. Die Erkenntnis, dass es sich manchmal schon lohnt, den ersten Baby-Schritt in die richtige Richtung zu tun und einfach zu schauen, was als nächstes passiert, ist oft mehr wert, als eine große dramatische Geste. Mögen doch mehr Filme dieser Simplizität frönen.
Rickerl ist ein schöner Film über einen Künstler, der endlich über seinen eigenen Schatten springen muss, und der auf allzu viele Stereotype des Genres verzichtet.
Tipp! Folgt uns auf Instagram – da könnt ihr auch noch dieses amüsante Wordrap-Video mit dem Voodoo sehen, das wir im Weidinger aufgenommen haben.
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Alle Fotos: (c) Filmladen
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.