So beliebt und bahnbrechend wie Resident Evil 4 war kaum ein Ableger der ikonischen Horrorserie. Umso höher waren die Erwartungen an das neue Remake. Denn so gut die neuesten Teile sein mögen, wie die grandiose Neuauflage von Resident Evil 2, frei von Kritik waren sie nicht. Vor allem das Resident Evil 3 Remake geriet wegen harten Cuts und fragwürdigen Neuinterpretationen unter Beschuss von Fans. Kann Resident Evil 4 die Wogen glätten? Als Experten des Originals nehmen wir die Neuauflage in unserem Resident Evil 4 Remake Review kritisch unter die Lupe.
von Klaus Kainz
Resident Evil 4 zählt zu den einflussreichsten Games überhaupt. Während das originale Resident Evil digitalen Horror populär machte, revolutionierte der vierte Ableger Shooter im Allgemeinen. Sich über die Schulterperspektive superflinke Gegner mit dezidierten Hitboxen vom Leib zu halten, das war 2005 noch nie dagewesen. Das inzwischen ebenfalls als Remake erhältliche Dead Space (unser Test) bediente sich rasch beim neuen Action-Horror, aber auch Gears of War, Uncharted oder The Last of Us gäbe es nicht ohne Resident Evil 4. Dementsprechend stellt sich vor allem für Riesenfans des Originals, die wir sind, die Frage, wie das ein Remake überhaupt toppen kann.
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Damals war Resident Evil 4 durchaus ein Schock. Klassische Zombies und den bösen Konzern Umbrella gab es nicht mehr, gemächliches Gameplay in kleinen Herrenhäusern wich Stressterror mit Action-Einlagen. Statt sachte Überlebensplanung musste rasch auf Gegner aus allen Richtungen reagiert werden und viel Loot eingesammelt, um im Shop Upgrades zu kaufen. Im Remake bleibt das so, das nun wieder viel rasanter ist als seine direkten Vorgänger.
Worum geht’s? Leon S. Kennedy verschlägt es nach der Zombie-Apokalypse von Raccoon City in ein absurdes Dorf, in dem ihn tausende Besessene (Ganados, keine Zombies!) die Hölle heiß machen. Das Remake weiß dabei genau, was die alte Faszination ausgemacht hat. Resident Evil 4 war und ist purer Stressterror. Kultisten greifen aus allen Richtungen an und müssen mit der richtig gewählten Waffe – Munitionsmangel ist übrigens noch immer an der Tagesordnung – schnell ausgeschaltet werden. Wäre das nicht schon genug, wird oft Multitasking von euch abverlangt. Unter Dauerfeuer müssen Schalter im richtigen Timing aktiviert, Charaktere beschützt oder überstarke Bosse innerhalb der Meute isoliert werden.
Es ist überraschend, wie viel Stress die alten Verhaltensmuster der Ganados noch immer verursachen, die eigentlich nur ein bisschen ausweichen und ab und zu mit Äxten und Dynamit werfen. Das Remake setzt dem noch eine Schippe drauf. Im Gegensatz zum Original kann Leon beim Zielen nun auch Laufen und hat neue Konter mit dem Messer drauf, die sogar gegen Kettensägen ankommen. Damit das Balancing weiter funktioniert, sind die Pseudo-Zombies jetzt aber schneller, arbeiten besser zusammen und haben eine größere Reichweite. Kämpfe gegen Bosse wie den Kettensägenmann oder das blinde Krallenmonster überraschen auch mit neuen Kniffen, wobei vor allem das neue Sound-Design den Puls befeuert.
Der ganze Stress muss natürlich Spaß machen. Noch immer fesselt der Gameplay-Loop an den Controller, selbst wenn es Game Overs hagelt. Es motiviert ungemein, Kontrolle über die gegnerischen Horden zu bekommen, durch einen gekonnten Umgang mit dem riesigen Waffenarsenal, Roundhousekicks nach gekonnten Knie- oder Kopfschüssen, oder mit den neuen Messer-Finishern, um die nun noch gefährlicheren Mutationen von gelegten Kultisten zu verhindern.
Zuvor war Resident Evil 2 noch viel mehr eine Neuinterpretation der Playstation 1 Vorlage, mit gänzlich neuem Gameplay und Aufbau. Resident Evil 4 ändert das. Weil das Original spielerisch so bahnbrechend war, konnte viel vom alten Level-Design und Gegnerverhalten übernommen werden. Auch die Dialoge wurden diesmal viel öfter nur neu eingesprochen, statt komplett neu geschrieben. Gleichzeitig ist es aber kein 1:1-Remake wie Demon’s Souls, das nur neue Texturen und Knopfbelegungen über das alte Code-Gerüst stülpt. Resident Evil 4 baut das Original von Grund auf neu auf, auch wenn es sich stark an ihm orientiert.
Viele der großen Kampfarenen sind in der Grundstruktur gleich geblieben, wie der mit Feuerkatapulten bewachte Eingang zur Burg, die Arenen mit den Giganten, oder natürlich das ikonische Intro-Dorf mit dem Kettensägenmann, das schon in der Demo gezockt werden durfte. Große Bosse sind am authentischsten rekonstruiert, allerdings hauen sie noch ein bisschen mehr auf den Putz. Hier ist das Resident Evil 4 Remake am stärksten. Viele der ohnehin grandiosen Kämpfe von früher sind nun noch einen Ticken spannender. Die Schwierigkeitsgrade sind deswegen darauf abgestimmt, ob ihr das Original schon kennt, oder nicht. Veteranen wird der Hard Mode nahegelegt, den wir auch als angemessene Herausforderung empfanden.
Allerdings sind viele Abschnitte zwischen den ikonischsten Abschnitten entschlackt worden. Es gibt zwar neue Rätsel und ein paar neue Gegner. Weil es im Gegensatz zu Resident Evil 2 viele Gebiete 1:1 nachgebaut hat, fiel uns diesmal aber leider negativ auf, wenn manche Level schlicht nicht mehr da waren. Selbst in dieser leicht eingedampften Version bleibt Resident Evil 4 einer der abwechslungsreichsten Shooter überhaupt. Trotzdem: Als Hardcore-Fans des Originals sind diese Cuts enttäuschend.
Seit Resident Evil 7: Biohazard sorgt Capcom’s neue RE Engine für atemberaubenden grafischen Realismus, weil die Entwickler reale Objekte einscannen und ins Spiel verfrachten können. In neuem Glanz erstrahlte auch Raccoon City in den Remakes von 2 und 3. Resident Evil 4 steht dem in Nichts nach und kommt – zumindest auf Playstation 5 – mit extrem kurzen Ladezeiten davon.
Allerdings geht etwas der Zauber des Originals flöten. Nein, das hat nicht nur mit unserer Nostalgie zu tun. Nicht nur fehlen manche Gebiete, wie der Lavaraum oder die düstere Gondelfahrt, die einen eigenen Flair hatten. Das Resident Evil 4 Remake reiht sich durch die realistische Grafik und den glatten Style in die Stimmung der neuesten Resident Evil Ableger ein. Das mag sinnvoll klingen. Aber Resident Evil 4 war damals nicht wie andere Games, oder wie seine Vorgänger – es war etwas eigenes. Vor allem durch einen Stil, der noch viel überdrehter war, wie eine Geisterbahnfahrt, oder ein überzeichnetes düsteres Märchen im Stil von John Carpenter. Natürlich ist das Resident Evil 4 Remake noch abgedreht genug. Aber manche Areale, wie das Schloss, könnten nun genauso aus Resident Evil Village stammen, sind also weniger besonders.
Außerdem ist die Musik minimalistischer und weniger atmosphärisch, nur das alte Save-Theme wurde übernommen. Es fehlen Spielereien wie Leon, der im Menü mit Hühnereiern spielen, oder es sich auf Thronen bequem machen kann. Kleine Geheimnisse von früher weichen weniger innovativen Sidequests. Klar, das sind Kleinigkeiten. Trotzdem behält die alte Fassung Resident Evil 4 so eine eigene Atmosphäre. Immerhin: Leon ist noch immer ein Sprücheklopfer und der Waffenhändler so albern wie eh und je.
Damals wie heute weiß der Action-Horror in Resident Evil 4 den Puls in die Höhe zu treiben. Viele der ohnehin ikonischen Kämpfe sind – im positiven Sinne – noch zermürbender, das Gameplay durch die höhere Flexibilität und das noch höhere Tempo umso spannender. Wermutstropfen für Hardcore-Fans der alten Version: Die Stimmung des Originals will durch kleine Cuts und andere subtile Änderungen nicht ganz aufkommen. Das ist Kritik auf extrem hohem Niveau, die besonders Resi-Neulinge nicht stören wird. Denn Resident Evil 4 Remake zählt trotzdem zu den abwechslungsreichsten und poliertesten Shootern der letzten Jahre. Bei einem legendären Game wie Resident Evil 4 wollen wir aber solche Mankos nicht unerwähnt lassen.
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Der Redakteur (APA, Helden der Freizeit) und Videospiel-Blogger reviewed für uns vor allem Games, Serien und Filme - ist aber auch so manchem Naturausflug nicht abgeneigt.