Die komödiantische Weiterspinnung des Dracula-Stoffes in Amerikas Vampir-Hauptstadt New Orleans hätte viel Potenzial gehabt, erstickt aber an seiner altbackenen Formelhaftigkeit.
von Susanne Gottlieb
22. Mai 2023: Nicolas Cage als Dracula. Das allein sollte ein Kinoticket wert sein. Doch kann diese Fortsetzung des Weltliteraturromans über die Kultfigur funktionieren, die sich erstmals auf seinen in den Wahn getriebenen Diener Renfield fokussiert und nicht auf die klassischen Gegner Van Helsing oder die Harkers? Regisseur Chris McKay, bekannt für Robot Chicken oder The LEGO Batman Movie, versucht sein Bestes, hier eine spannende Saga über Selbstbestimmung, Abhängigkeiten und den Ausbruch aus toxischen Beziehungen aufzuziehen. Doch so richtig gut funktioniert das Ganze dann leider doch nicht. Ein bisschen Splatter, ein durchgeknallter Nic Cage und eine Story auf LSD sind halt dann doch nur die halbe Miete.
Wir verraten euch, was an dem Film (startet am 25. Mai bei uns im Kino) dennoch funktioniert, ob sich für ihn der Gang ins Kino lohnt oder ob man ihn getrost auslassen kann. Übrigens: Diese Filme starten im Juni – bereits im Mai angelaufen ist Arielle – hier unsere Kritik.
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Tragisch ist das Schicksal von R.M. Renfield (Nicholas Hoult). Eigentlich wollte er Graf Dracula (Nicolas Cage) in Transsylvanien nur ein Grundstück vermitteln, dann wird er plötzlich durch dessen vampirische Kräfte zum Diener. Unsterblichkeit und Superkräfte durch den Verzehr von Käfern inklusive. Doch diese 100 Jahre an Ausbeutung durch Dracula und die Pflicht, immer seine Opfer wegzuräumen und die Flucht vorzubereiten, nagen an Renfield. In ihrer neuesten Bleibe, New Orleans, möchte Renfield es in einer 12-Schritte-Selbsthilfegruppe für Menschen in Co-Abhängigkeit endlich schaffen, seine Unabhängigkeit zu erlangen und gleichzeitig die toxischen Partner der Gruppenmitglieder ausfindig machen, um sie Dracula zum Fraß vorzuwerfen.
Doch hier beginnt der so vorsichtig gesponnene Plan schiefzugehen. Als er einem von ihnen in ein Lagerhaus mit gestohlenen Drogen folgt, wird Renfield mit Teddy Lobo (Ben Schwartz) konfrontiert, hochrangiges Mitglied der Lobo-Verbrecherfamilie. Dieser hat wiederum eine unfreundliche Begegnung mit der Polizistin Rebecca Quincy (Awkwafina), die ihn bei einer Verkehrskontrolle anhält und generell seine Familie für den Tod ihres Vater verantwortlich macht. Bei einer Konfrontation der beiden in einer Bar gerät auch Renfield hinzu. Nun hat er nicht nur einen Verbündeten in Rebecca. Auch Teddy lernt bald mehr über die Beziehung Renfields zu Dracula. Und dieser ist gar nicht erfreut, dass Renfield sich von ihm lösen möchte.
Hat es sich die letzten 15, sehr Blutsauger-lastigen Jahre aus-vampirt? Anscheinend nicht. Und wo geht man hin, wenn man wieder Inspirationen braucht? Zum Klassiker schlechthin. Dracula von Bram Stoker inspiriert auch über 100 Jahre nach seiner Erscheinung noch die Massen. Und diesmal konzentriert sich die Geschichte auch auf eine Figur, die man sonst eher immer am Rande wahrgenommen und vielleicht noch ungefähr durch die Darstellung von Tom Waits in Francis Ford Coppolas Dracula (1992) in Erinnerung hat. Der psychotische Diener Renfield – im Roman in der Zwangsweste eingebuchtet und mit tragischem Ende – hat hier die Rolle des Dieners, der seit Jahrzehnten Dracula rund um in die Welt folgt.
Und es liegt auch etwas Spannendes darin, endlich von der romantisierten Figur des Draculas wegzukommen, und ihn endlich auch mal wieder Monster sein zu lassen. Genauso spannend ist es, sich einmal seriös mit der Rolle des Dieners auseinanderzusetzen, sowie den psychologischen Abhängigkeiten, die dadurch entstehen. Die Show What We Do In The Shadows macht es ähnlich mit ihrem Guillermo. Doch während die Vampire und ihre Anhängsel dort auf Humor und Sympathie getrimmt sind, weiß Renfield nicht so recht, was es eigentlich sein will. Ein bis unter die Decke mit Comedians zugestopftes Humorvehikel, ein Splattermovie für die Großen oder ein echtes Drama über toxische Abhängigkeiten und Selbstwert.
Und so dümpelt der stets so überzogene Nic Cage auch etwas planlos einmal als campy Bösewicht und einmal als fieses Monster zwischen den Extremen. Awkwafina muss nicht allzu tief für ihren verletzten Charakter wühlen. Schwartz ist zu kindisch, um wirklich als Gangster glaubhaft zu wirken. Hoult bemüht das alte Klischee von einem naiven Schönling, der wie ein Fisch auf dem Trockenen in eine unangenehme Situation gerät. Die leicht tolpatschige neurotische Masche, die er sich hier von seinem ehemaligen Co-Star Hugh Grant abgeschaut zu haben scheint, macht auch irgendwie Spaß. Trotzdem weiß man, dass Hoult mehr auf Lager hat und seine Fähigkeiten einfach verschwendet sind.
Für einen Vampirfilm ist diese ganze Odysee der Selbstermächtigung nicht stimmig und düster genug, für einen Genrefilm etwas zu sehr an den Saiten der klischeehaften Handlungselemente zupfend. Irgendwie weiß man stets, welche großen Überraschungen als nächstes auf einen zukommt. Und die sind auch nicht immer sonderlich unterhaltsam umgesetzt. Für ein bisschen Blut und Drama kann sich der Film durchaus sehen lassen. Sonst ist er eher eine fade Angelegenheit.
Renfield ist eher nur etwas für die ganz großen Nic Cage Fans. Wirklich viel über den Ausbruch aus toxischen Beziehungen lernt man nicht, genauso wenig können die Figuren und die Handlung überzeugen.
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Aufmacherfoto: (c) Universal Pictures
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.