Leipzigs Aufstieg in die Deutsche Bundesliga sorgt für viel Zündstoff. Schadet oder nützt das Engagement von Red Bull dem Fußball? Ein Buch sucht nach Antworten.
von Christian Orou
Kennen Sie Hohenmölsen? Nein? Von dort aus begann der Siegeszug eines Vereins, dessen Aufstieg in die Deutsche Bundesliga für gewaltig Gesprächsstoff sorgt. Die Legende sagt, dass in Hohenmölsen unweit von Leipzig der Elektrikermeister Roland Gall die Idee hatte, Red Bull nach Sachsen zu holen. Doch es wurde nach massiven Fanprotesten dann nicht der FC Sachsen, der übernommen wurde, sondern der SSV Markranstädt. Das Ziel: Deutsche Bundesliga. Heuer wurde dieses Ziel erreicht. Nicht nur das. Auch das neugegründete Frauenfußballteam erhitzt bereits die Gemüter.
Für die einen markiert das Engagement von Getränkeproduzent Red Bull im deutschen Fußball bei RB Leipzig den Beginn des Untergangs der Fußballkultur. Für die anderen ist Red Bull-Gründer Dietrich Mateschitz der Retter des maroden Fußballklubs Austria Salzburg und ein geschäftstüchtiger Manager, der seinen Weg geht. Mateschitz wird es, nach der Meinung der Befürworterinnen und Befürworter, den mächtigen Klubs der deutschen Bundesliga zeigen. Als Österreicher. Egal ist der Salzburger Brausehersteller kaum jemanden.
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RB steht für Rasenballsport
Das Thema Helden liegt dem Red Bull-Konzern sehr nahe. So prägen Skispringer und Schifahrerinnen, Formel 1-Teams, eine Flugshow, zahlreiche Extremsportler und eine Eiscross-Serie das Image der Brachial-Brause. Red Bull investiert in Sportarten, die cool, gefährlich, innovativ und auch ein bisschen verrückt sind. Schlagwörter, die man nicht unbedingt mit einer Sportart wie Fußball verbindet.
Ulrich Kroemer, deutscher Sportjournalist, erzählt in seinem neuen Buch die Geschichte von RB Leipzig. Wer es noch nicht weiß: RB steht nicht für Red Bull sondern für Rasenballsport. Denn Sponsoren dürfen, anders als in Österreich, in Deutschland nicht im Vereinsnamen aufscheinen. Kroemer versucht in seinem Buch, ein umfassendes Bild zu zeichnen. So interviewt er nicht nur die involvierten Protagonisten des Klubs, er lässt auch Kritiker zu Wort kommen.
Das Ziel: Die Champions-League
Vier Aufstiege in sieben Jahren, drei in den letzten vier Spielzeiten. In der Bundesliga angekommen will RB-Leipzig jetzt sogar den großen FC Bayern München angreifen – und auch auf europäischer Ebene für Furore sorgen. Ist das Engagement von Red Bull im Fußball nicht mehr als eine klug durchgerechnete Marketingstrategie, um günstige Werbezeiten zu lukrieren? Und wenn dem wirklich so ist, warum hat RB-Leipzig dann über 4.500 eingetragene Fans, die auf diesen Trick hereingefallen sind? Fragen, auf die Kroemer eine Antwort suchte.
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Spannendes Detail an Rande: Auch der FC St. Pauli und 1860 München waren vor dem Engagement in Deutschland im Gespräch, übernommen zu werden. Weit sind die Gespräche mit den beiden Traditionsvereinen aber nicht gediehen.
Red Bull: Gut oder Böse?
Penibel wiegt Kroemer in seinem Buch die Für und Wider ab. So ist der Konzern für den wirtschaftlich schlecht aufgestellten Osten Deutschlands ein Segen. Auf der anderen Seite gibt es auch viele Vorbehalte. Ein Grund dafür ist sicher die Philosophie: „Was ich brauche, kauf ich mir. Koste es, was es wolle.“ Gewachsene Vereine bauen über Jahre eine Kampfmannschaft, eine Jugendabteilung, eine zweite Mannschaft, ein Frauenteam auf, um am Ligabetrieb teilnehmen zu können. Bei RB lief (und läuft) das anders. RB-Leipzig braucht eine zweite Mannschaft? Man kauft die Lizenz von ESV Delitzsch. Eine Jugendabteilung? Zum Glück ist gerade der FC Sachsen insolvent. RB-Leipzig übernimmt und sichert so vielen Kindern und Jugendlichen einen Platz, um ihrem Lieblingssport nach zu gehen. Gut? Böse? Heiligt der Zweck die Mittel? Die Art und Weise verärgert auf alle Fälle die Konkurrenten, die über Jahre und Jahrzehnte jede Menge Zeit und Geld in den Aufbau investierten.
Viele Interviews ergeben ein umfassendes Bild
Um ein umfassendes Bild zu bekommen, führte Ulrich Kroemer unzählige Gespräche, die zum Teil als Interviews in das Buch eingegliedert wurden. Gesprächspartner waren aber nicht nur ehemalige und zur Zeit aktive Spieler, Trainer und Eigentümervertreter, allen voran der aktuelle Cheftrainer und Sportdirektor Ralf Rangnick. Es kommen auch Kritiker, zum Beispiel aus der Fanklub-Szene, zu Wort.
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Ein eigenes Kapitel widmet Kroemer der Fanszene von RB-Leipzig, ein weiteres den Protesten, die den Verein seit seiner Gründung begleiten. Ein Artikel über die Akademie und ein umfangreicher Statistik-Teil runden das Thema ab. Kroemer gelingt in seinem Buch ein umfassendes Bild des kontroversiellen Phänomens RB-Leipzig. Ist der Verein jetzt gut oder böse? Darüber können die Leserinnen und Leser nach der Lektüre des Buches selbst entscheiden.
Titel: RB Leipzig – Aufstieg ohne Grenzen
Autor: Ullrich Kroemer
Verlag: Verlag die Werkstatt, 2016
Seiten: 176
Weitere Titel: Wer auf der Suche nach Vereinsporträts ist, ist beim Verlag die Werkstatt gut aufgehoben. Unter anderem im Programm: HSV, St. Pauli oder Union Berlin.
Fazit: Ulrich Kroemer ist ein facettenreiches Vereinsporträt gelungen, dass die Für und Wider des Engagements von Red Bull im deutschen Fußball abwägt.
Der Chefredakteur der Wiener Alszeilen verfasst für heldenderfreizeit.com Buch-, Musik- und Spiel-Rezensionen, ist Video-Redakteur von CU TV und schreibt für das Musikmagazin Stark!Strom. Dazu berichtet er von Konzerten, Sport- und anderen Kulturevents und führt Interviews mit Stars und spannenden Persönlichkeiten.