Die Tourneeschanze in Bischofshofen kann man nicht nur hinunterspringen, man kann sie auch hinauflaufen. Ich habs getan! So hart ist das Red Bull 400.
von Manuel Stenger
What goes up must come down – so ein Sprichwort. Beim Red Bull 400 in Bischofshofen ist es genau umgekehrt. Jeden Winter hauen sich hier die weltbesten Skispringer von der Paul-Außerleitner-Schanze, im Sommer müssen die Athleten beim Red Bull 400 die gleiche Strecke von unten nach oben meistern. Wohlgemerkt: Zwischen Start und Ziel liegt ein Höhenunterschied von 140 Metern! Bergkraxeln ist also angesagt. Als Held der Freizeit habe ich das Vergnügen dabei zu sein. Obwohl das Wort „Vergnügen“ bei diesem schweißtreibenden Event vielleicht nicht das Passendste ist.
2016 findet das Rennen zum zweiten Mal auf der Schanze in Bischofshofen statt. Am Tag davor sammle ich bei der Besichtigung erste Eindrücke. Direkt vor Ort wirkt die Anlage noch viel beeindruckender als im Fernsehen. Jetzt spüre ich das erste Mal einen Anflug von Nervosität. Das Ganze flößt mir gehörig Respekt ein. Zumal meine Vorbereitung nicht gerade professionell abgelaufen ist. Die letzten drei Wochen vor dem Bewerb habe ich die fünf Stöcke in unserem Haus genutzt, um den Lauf zu simulieren – nicht ohne ein paar fragende Blicke von anderen Mietern zu ernten.
Langsam wird’s ernst!
Der Wettkampftag startet gemütlich. In der Früh noch schnell das Starterpaket abgeholt und ab ins Schwimmbad direkt neben der Strecke. Ich bin nicht der einzige Teilnehmer mit der Idee. Viele Gesichter erkenne ich später beim Rennen wieder.
Ganz so entspannend wird es dann trotzdem nicht: Ich werde immer nervöser. Schon drei Stunden davor schaue ich alle paar Minuten auf die Uhr, wann es denn nun endlich soweit ist. Ich bin für den letzten Vorlauf der Herren eingeteilt und es zeigt sich bei den Läufen davor: Nicht jeder schafft es nach oben. Das Zuschauen hilft mir trotzdem mich mental, auf das was kommt einzustellen.
Ein letzter Kampfschrei am Start
Nur noch zehn Minuten! Ab in den Startbereich. Ich spüre das Adrenalin. Der Blick auf die Schanze erzeugt ein mulmiges Gefühl. Ein letzter Kampfschrei aller Teilnehmer meines Vorlaufs. Dann setzt bereits der 20-Sekunden-Countdown ein. Jetzt gibt’s kein Zurück mehr. Der Startschuss ertönt, alle stürmen nach vorne, ich mittendrin.
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Laufen, gehen, robben: Vorwärts, egal wie!
Gleich nach dem Start rennen die Athleten durch einen Wasserstrahl der Feuerwehr. Eine letzte Erfrischung, dann geht’s auch schon den Hang hinauf. Die ersten 100 Meter sind schnell geschafft, doch nun kommt der schwierigste Part. Von Meter 100 bis 250 geht es nur mehr steil bergauf, teilweise mit einer Steigung von bis zu 79 Prozent. Nach 125 Metern ist die Wand so steil, dass sich fast alle Teilnehmer auf allen Vieren fortbewegen müssen. Zur Hilfe ist ein Netz über den Hang gespannt, um sich festzuhalten und nach oben hin abzustoßen.
Nun versuche ich Schritt für Schritt voranzukommen, teilweise spüre ich Beine und Lunge so stark, dass ich stehenbleiben muss. Nicht nach oben schauen, denke ich mir, um motiviert zu bleiben. Einen Riesenschub gibt mir die 200-Meter-Marke, die auf einmal neben mir auftaucht. Gleich wird der Hügel wieder flacher. Ich kann mich aufrichten, schaffe es mit Hilfe der Anfeuerungsrufe der Zuschauer, den Vorbau hinauf. Yes, 250 Meter geschafft!
Ich bin am Ende, der Lauf noch nicht
Meine Lunge brennt, meine Beine sind schwer wie Blei. Jetzt hätte ich wirklich gerne ein Glas Wasser. Das gibt’s aber erst im Ziel. Über eine Holzplanke geht’s rauf auf den Schanzentisch. Die letzten 150 Meter sind nicht mehr ganz so steil, rauben mir dennoch alle Kräfte. Gott sei Dank ist der Anlauf in Bischofshofen noch der flachste aller vier Tourneeschanzen. Obwohl ich ein paar Mal stehenbleiben muss, finde ich langsam wieder in den Laufschritt und kann noch ein paar Teilnehmer überholen.
Auf den letzten 50 Metern wird es wieder steiler. Auf der Seite ist ein Seil als Hilfsmittel gespannt. Das habe ich jetzt bitter nötig. Ich sehe das Ziel. Erste Glücksgefühle kommen auf. Ich robbe über die Ziellinie. Das war wahrlich kein Telemark, aber mir fällt ein Stein vom Herzen. Mit einer Zeit von 7 Minuten und 4 Sekunden bleibe ich deutlich über meinen Erwartungen. Schon mit einem Finish unter 10 Minuten wäre ich glücklich gewesen. Vielleicht auch damit, nicht Letzter zu werden.
Sieger Tomas Celko packt die Strecke im Finale in drei Minuten und 17 Sekunden. Wahnsinn! Im Ziel schaue ich in viele lächelnde Gesichter. Viele haben es sich auf den Matratzen gemütlich gemacht, die überall bereitliegen. Ich brauche erst einmal ein paar Minuten zum Runterkommen. Vor lauter Glück spüre ich auch meine Schmerzen jetzt nicht mehr.
What goes up must come down. Jetzt trifft es das Sprichwort doch auf den Punkt. Denn: Wer beim Red Bull 400 mitmacht, darf nachher wieder zu Fuß runtermarschieren. So viel Sportsgeist muss sein. Unten angekommen, geben mir meine Freundin, Essen und Trinken wieder ein bisschen Kraft zurück. Extrem anstrengend und kräfteraubend, aber trotzdem geil – so wird mir der Red Bull 400 in Erinnerung bleiben. Und als Belohnung geht’s nachher wieder ab ins Schwimmbad. Diese Abkühlung habe ich mir jetzt wirklich verdient.
Ich freue mich schon aufs nächste Jahr
Schaffen es nur (ehemalige) Profi-Sportler auf die vorderen Plätze? Anscheinend nicht. Als wir uns am nächsten Tag den Frühstückstisch mit einem anderen Paar teilen, kommen wir ins Gespräch. Bei uns sitzt ein Finalteilnehmer am Tisch, der den 20. Platz erkämpfen konnte. Und das mit einer Zeit von 4 Minuten und 3 Sekunden. Ein netter Typ mit einem stinknormalen Bürojob. Ich bin ziemlich beeindruckt, gleichzeitig aber auch motiviert, nächstes Jahr wieder anzutreten – dann mit mehr Training. Vielleicht klappt es dann ja zumindest mit dem B-Finale.
Facts: Das Red Bull 400 darf sich zurecht „härtester 400 Meter Lauf der Welt“ nennen. Im Winter springen von der Paul-Außerleitner-Schanze in Bischofshofen die Skisprung-Größen des Weltcups. Im Rennen musst du die 140 Höhenmetern umgekehrt überwinden.
Adresse: Paul-Außerleitner-Schanze, Rosenthal, 5500 Bischofshofen, Von Wien nach Bischofshofen dauert die reine Fahrzeit mit dem Auto rund 3 Stunden und 30 Minuten, mit dem Zug braucht man in etwa gleichlang.
Fazit: Eigentlich dauert der Lauf nur wenige Minuten. Die Wenigsten schaffen es in den zweiten Durchgang. Trotzdem hat sich die fast vierstündige Autofahrt hin und retour für mich gelohnt. Es ist einfach ein Hammer, Teil dieses Wettkampfs zu sein. Oben angekommen hat man wahnsinnige Glücksgefühle und kann richtig stolz auf sich sein. Im nächsten Jahr werde ich wieder antreten, mich steigern und eine bessere Zeit rausholen. Der Berg ruft!
Aufmacherfoto: (c) Christopher Kelemen/Red Bull Content Pool
Fotos im Text: Mirja Geh/Red Bull Content Pool, heldenderfreizeit.com
Der Redakteur und Digital Marketing Spezialist ging für die Helden der Freizeit auf Reise- und Sport-Abenteuer.