Und wieder mal geht es um Superhelden. Oder in diesem Fall: Menschen, die für eine kurze Zeit durch die Einnahme einer wundersamen Droge Superkräfte entwickeln. Ein oberflächlich unterhaltsamer Zeitvertreib für einen Netflix-Abend.
von Susanne Gottlieb
15. August 2020: Ob es zur Zeit schon zu viele Serien und Filme mit Superhelden und Superkräften gibt, sei einmal dahingestellt. Ein bisschen an dem Kuchen mitnaschen wollen dann doch alle. Menschen, die durch die Einnahme von Drogen Superkräfte entwickeln und jene die sich gegen deren Missbrauch entgegenstellen. Klingt doch ein wenig wie der Amazon Prime Hit The Boys.
Während dessen Vorlage aber schon ein wenig älter ist, und auch eher die Comic-Vorlagen des Genres persifliert, ist Project Power ein frisch zusammengeschustertes Konstrukt, hektisch überpinselt mit Fragen nach systematischen Rassismus, medizinischer Ethik und der Verantwortung der Mächtigen. Weil das ganze Konstrukt etwas notgedrungen wirkt, entfaltet der Film aber nie die inhaltliche Tiefe, die er ganz offensichtlich anstrebt. Warum er trotzdem ganz passabler Zeitvertreib ist, lest ihr hier.
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In New Orleans tauchen in der Drogenszene seit einiger Zeit seltsame Pillen auf, die dem Einnehmenden für fünf Minuten übernatürliche Kräfte verleihen. Der Polizist Frank Shaver (Joseph Gordon-Levitt) versucht dem Kartell das Handwerk zu legen, bedient sich aber immer wieder selber der Pillen, die er von Dealerin Robin (Dominique Fishback) in Empfang nimmt.
Robin, ein Mädchen aus ärmeren Verhältnissen, hält selber wenig von den Drogen, verdient so aber den Unterhalt für sich und ihre Mutter. Eines Tages wird sie von einem Mann namens Art (Jamie Foxx) entführt, der auf einer Rachemission gegen das Kartell hinter den Drogen ist. Laut ihm würden diese seine Tochter Trac (Kyanna Simone Simpson) festhalten, deren übernatürliche Kräfte ungleich aller anderen Menschen natürlich seien, und nicht durch eine Pille getriggered werden müssen.
Wie der Zufall so will ist Frank auf der Suche nach Art, da die Behörden ihn als Mastermind hinter dem Drogenimperium darstellen. Als sich die Wege der drei schließlich kreuzen, heißt es, sich nun dem wahren Feind zu stellen.
Man muss dem Film zuallererst lassen, dass er seine Mythologie sehr gut aufbaut. Auch wenn vor allem der Anfang etwas gehetzt wirkt. Als Zuschauer kennt man sich immer aus, wie die Beziehung der Figuren zueinander ist, wie die Pillen funktionieren und warum die Bösewichte gestoppt werden müssen.
Zum Teil liegt es aber auch daran, dass sich Drehbuchautor Mattson Tomline geschickt an etablierten Figuren und Konventionen orientiert. Die Kräfte seien Variationen von Tieren, die der Menschheit überlegen seien, so die Exposition. Dass der Mensch nie als das gefährlichste Wesen von allen hingestellt wird, aufgrund seiner Superkraft “menschliche Intelligenz”, sei mal dahingestellt.
Und so entdeckt man Menschen mit unpenetrierbarer Haut, Menschen, deren Haut sich zu Eis verwandelt, Menschen, die zu einem Feuerball werden, sogar eine Figur mit Wolverine-artigen Klauen an den Händen gibt es. Wenn schon kopiert, dann aber richtig.
Während die X-Men sich mit breiteren philosophischen Themen des Andersseins und der Akzeptanz auseinandersetzen, ist Project Power mehr an gegenwärtigen Problemen interessiert. Sie hält Art Robin an sich als junge schwarze Frau dem System über das System, das sie verschluckt, hinwegzusetzen. Das noch immer von Hurricane Katrina traumageplagte New Orleans wird angerissen. Die Drehorte sind fast alle in den schäbigeren Viertel entlang der oberen Canal Street und nicht im schicken French Quarter. Und die Frage Macht und Verantwortung, die symbolische Brise Onkel Ben, wird zum Abschluss auch noch drüber gestreut.
Leider geben diese interessanten Inputs doch zu wenig her, da der Film dann doch lieber in wilden Action-Sequenzen badet, komplett mit plastischer Gewalt, verwackelten Bildern und dunklen Einstellungen. “Letztendlich landen diese Kräfte immer bei jenen die schon die Macht haben,” stellt Art hoffnunglos fest. Ein guter Gedanke. Aber er hätte etwas mehr in den Vordergrund gerückt werden können.
Project Power unterhält mit einer im Kern interessanten Story, erlaubt sich aber nicht die inhaltliche Tiefe zu erreichen, die es verbal immer wieder anteasert. Daher eher leichte Unterhaltung für zwischendurch.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.