Lukas Pellmann verwandelt in seinem brandneuen ersten Roman die Leopoldstadt in einen autoritär regierten Staat. Prater ist die düstere Vision eines gespaltenen Wiens und eine Warnung, was passiert, wenn Hetzer, gesteuerte Medien und skrupellose Machthaber regieren. Wie spannend das ist, lest ihr in unserer Rezension.
6. Juni 2018: Zerstreuung, Erholung, Spiel, Spaß, das Riesenrad. Das sind die ersten Begriffe, die uns beim Prater in den Sinn kommen. Lukas Pellmann, der sich bereits mit seinen tollen interaktiven Wien-Krimis einen Namen gemacht hat (hier unsere Rezension zu Instamord), hatte für die kultige Wiener Institution andere Pläne. Er macht in seinem gerade erschienenen ersten Roman aus der Leopoldstadt einen autoritär regierten Staat. Morgen am 7. Juni präsentiert der Autor sein Buch um 19 Uhr in der Buchhandlung im Stuwerviertel (Stuwerstraße 42, 1020 Wien).
Die perfekte Lektüre, um sich an einem heißen Sommertag in einer anderen Welt zu verlieren? Die Helden der Freizeit verraten es euch in unserer Rezension.
Wiens Bezirke im Jahr 2028. Nach einer Trinkwasserkatastrophe sind die Bewohner nördlich der Donau in schlimmer Not. Die „Danubier“ flüchten in die Bezirke südlich der Donau, doch die sehen sich dem Ansturm nicht gewachsen. Der vom „Obersten“ regierte Prater macht nicht nur dicht. Das Regime lässt auch jeden erschießen, der über die Donau herein kommt. Die Hauptfigur im Buch ist kein Held. Im Gegenteil! Jan Kepler hat als Führungskraft in der Abteilung für direkte Wahrheit großen Anteil am Erhalt des Systems. Im Überwachungsstaat Prater, der seine Bürger mit Armbändern kontrolliert, die alles aufzeichnen, wird manipuliert was das Zeug hält, gegen die anderen Bezirke gehetzt und vor nichts zurückgeschreckt, um die Bevölkerung in Schach zu halten.
Während Jan die konstruierte Wahrheit des Regimes so verinnerlicht, dass ihm keine Maßnahme des Obersten zu drastisch erscheint und er sogar dessen Biographie verfassen darf, ist seine schwangere Frau Valerie in Bezug auf den Prater weitaus weniger euphorisch – ganz im Gegenteil. Sie will aus dieser Welt, in der sie als geborene Danubierin ihre Herkunft verheimlichen muss, ausbrechen. Einzig ihr erstes Kind Emil scheint die brüchige Ehe mit Jan noch zusammenzuhalten. Fragt sich, wie lange noch.
Prater – ein dystopischer Heimatroman von Lukas Pellmann schafft es, den Leser von Beginn an zu fesseln. Brandaktuelle Themen, wie der Umgang mit Flüchtlingen, Hetze oder die Manipulation der Menschen durch Medien, gipfeln in einer düsteren Zukunftsvision, die einen rasch mit der Frage konfrontiert: Könnte es wirklich so weit kommen? Wird tatsächlich bereits die Basis für so etwas gelegt? Im Buch werden die Österreichischen Regierungen durch das Prater-Regime als pseudodemokratische Institutionen verunglimpft, die den Bezug zum einfachen Mann verloren haben. Das Erschreckende ist, dass einige Probleme und Fehlentwicklungen, die hier behandelt werden (Stichwort: Politikverdrossenheit, Freunderlwirtschaft) tatsächlich bereits seit vielen Jahren zu beobachten sind.
Der autoritäre Staat Prater als Antwort darauf erinnert an eine dunkle Vergangenheit. Regimegegner werden hingerichtet, eine Opferrolle wird aufgebaut, aus der sich das Land, so will man es dem Volk weiß machen, nur mit einem Krieg gegen seine Feinde (die anderen Bezirke) wehren kann. Manches erinnert an die Nazizeit, manches an die DDR oder aktuelle Regime. Alles freilich heruntergebrochen auf den kleinen Kosmos der Wiener Grätzln.
Diese brisante Thematik ist in der persönlichen Geschichte von Jan und Valerie spannend verpackt. Eine Story, die sich unvermeidlich immer mehr zuspitzt und einen mit jeder Seite mehr mitreißt. Don’t judge a book by it’s Klappentext könnte man auch sagen. Denn: Zunächst hat man den Eindruck, die Thematik mit den Bezirken, die sich als Staaten bekriegen, wäre etwas an den Haaren herbeigezogen. Die bösen Danubier – das hat ja schon fast etwas Satirisches. Allerdings lässt das letzte Kapitel – ohne etwas zu spoilern – die ganze Geschichte dann doch noch in einem ganz anderen Licht erscheinen. Dieser Twist sorgt noch einmal für einen echten Aha-Effekt.
Wir hatten Prater in kürzester Zeit verschlungen und können das Buch nicht nur WienerInnen ans Herz legen. Die Story ist jedenfalls viel rasanter als eine Fahrt mit dem Riesenrad – die Ausblicke darin allerdings auch weitaus weniger schön. Eine Geschichte, die einem nicht unbedingt mit einem wohligen Gefühl entlässt. Die aber eine starke Message und Warnung enthält, in welchem Alptraum wir uns wiederfinden könnten, wenn wir nicht aufpassen und Fehlentwicklungen nichts entgegensetzen. (ak)
Autor: Lukas Pellmann
Titel: Prater – ein dystopischer Heimatroman
Verlag: Text/Rahmen
Seiten: 296
Preis: 14,30 Euro (Pellmann spendet 50 Cent jedes verkauften Exemplars an die Plattform meineabgeordneten.at, die die Öffentlichkeit über unsere Abgeordneten informiert).
In unserem Leser-Bereich findet ihr noch mehr starke Buchtipps. Und wir zeigen euch, was der reale Prater so zu bieten hat:
Instamord – der Instagram-Krimi: Wenn Motivjäger ins Visier geraten
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Der Chefredakteur der Helden der Freizeit hat das Onlinemagazin 2016 ins Leben gerufen und ist seit 2000 als Sportjournalist im Einsatz. Bei heldenderfreizeit.com ist er spezialisiert auf actiongeladene Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge, Videos, Spiele, Filme, Serien und Social Media.