Dinner, Artisten und Varieté – das sind die Erfolgszutaten des PALAZZO. Wir haben den Spiegelpalast in Wien mit der Show Ladies First besucht und sagen euch, ob sie den Preis wert ist.
12. Jänner 2020: Wir haben gerade an unserem Logentisch Platz genommen, da bittet uns ein blonder junger Mann (erinnert optisch an unser ehemaliges Judo-Ass Lupo Paischer) um Rat, wo er die Zierpflanze hinstellen soll. Wir sagen: Hier! Und bitten ihn spontan, ein Foto von unserer Runde mit dem Handy zu machen. Offenbar wird noch der letzte Saalschmuck platziert, bevor es los geht, denken wir uns. Denkste! Zwei Stunden später wirbelt Ole Schöne seine Partnerin Mara bei einer spektakulären Trampolin-Darbietung durch die Luft. Uns wird klar: Der Pflanzen-Schmäh war bereits Teil der Show und der Deutsche hat viel, viel mehr drauf, als diesen (offen gesagt) mäßig gelungenen Gag.
Ein Aha-Erlebnis, das sich an diesem Abend noch öfter wiederholen sollte. Denn natürlich ist die “zufällig” für das Singen eines Songs aus dem Publikum gefischte Dame nicht irgendjemand, sondern Niamh O’Reilly, die singende Schlangenfrau aus Irland. Und Danila Bim (mit diesem Namen sollte sie in den Wiener Linien lebenslang gratis fahren), die mal so eben einen Essensgang serviert hat, schwebt als Höhepunkt der Zirkusgala auf ihren Haaren aufgehängt über unseren Köpfen.
Ein Abend im PALAZZO ist auf alle Fälle eines: Eine sehr spezielle Erfahrung. Etwa 30 Jahre gibt es ähnliche Konzepte einer solchen Dinner-Show in einem Spiegelpalast bereits. Unter dem Namen PALAZZO wird sie aktuell an fünf Standorten geboten: Berlin, Nürnberg, Hamburg, Stuttgart und Wien. Ab November 2020 auch wieder in Graz.
Wir haben uns die neue Show Ladies First, die noch bis Ende März läuft, im PALAZZO Wien angeschaut. Zwischen 88 Euro (billigster Platz, Wochentag) und 238 Euro (teuerster Platz, Silvester) kostet das. Geboten wird ein Vier-Gang-Menü kreiert von Toni Mörwald und ein Theaterzirkus. Ob sich der nicht gerade ganz günstige Spaß auszahlt, lest ihr in unserem Test.
Ein roter Teppich führt uns zum Zelteingang, hinter dem die Gäste gleich einmal zu einer Sektbar gelangen. Dass man sich wie bei einer Seitenblicke-Veranstaltung fühlt, wird noch von den Sponsorenwänden unterstrichen, die hier für TV-Interviews platziert sind. Wir werden durch den Saal zu unseren Plätzen geführt. 128 Euro zahlt man für die Loge am Rand (exklusive Getränke). 140 an einem Freitag oder Samstag (hier die komplette Palazzo-Preisliste). Richtung Mitte, wo man die Artisten hautnah erleben kann, steigen die Preise nochmal um bis zu 20 Euro an. Helden-Tipp! Gute Sicht hat man von überall im Saal. Man sollte aber schon viele Wochen im voraus reservieren, denn die Shows sind extrem gut gebucht.
Essentechnisch wird ein Viergang-Menü geboten: Bio-Stein-Garnelen, Karottensuppe, Roastbeef und ein Schoko-Riegel. Die vegetarische Variante bietet als Vorspeise ein Avocado-Cocktail und als Hauptspeise Ricotta Ravioli. Für Kinder gibt es ein Zwergerl-Menü mit Mozzarella-Paradeisern, Karottensuppe, Hühnerschnitzel und Nutella-Palatschinken. Unser Urteil: Gut. Aber für den Preis hätten wir uns geschmacklich sogar noch mehr erwartet. Unser Favorit ist die Karottensuppe. Man merkt dem Ganzen aber natürlich an, dass hier alles zack-zack gehen muss. Positiv erstaunt aber der sehr flotte Service.
Zweifellos am Beeindruckendsten sind aber die Soloauftritte der Artisten. O’ Reilly glänzt schon alleine durch ihren Gesang. Aber wenn sie die Töne dann noch genauso gekonnt im einarmigen Handstand trifft, ist das schon außergewöhnlich. Die Meleshin Brothers beeindrucken beim Rola Bola mit Kraft und Balancegefühl, ebenso wie Seiltänzer Julien Posada und La Fem Fatal am Trapez. Die 14fache Seilsprung-Weltmeisterin Vivien Vajda aus Ungarn fegt wie ein Wirbelwind durch das Zelt. War das jetzt ein Bein oder das Sprungseil, das vorbeiflog? Bei Aramelo (mit unserem Pflanzenfreund) macht sie einen auf tot und er schießt sie am Trampolin durch die Luft.
Dramaturgischer Höhepunkt der Show ist aber die Brasilianerin Danila Bim, die am Ende des Abends mit einem Seil an ihrem Haarschopf über die Köpfe des Publikums schwingt. Nachdem der restliche Abend einen amüsanten Anstrich hat, hebt sich ihre Darbietung, die Ästhetik, Anmut und einen Hauch Erotik verbreitet, deutlich von den anderen ab. Nicht umsonst war sie zehn Jahre ein Star des Cirque du Soleil.
Dazwischen führen als roter Faden die englische Sängerin Miss Frisky und das Comedy-Duo Les Deux de Pique durch den Abend. Der Gesang der Britin und die Gags und Kunststücke der Kanadier sind gelungen. So mancher Schmäh dazwischen ist allerdings gar etwas einfach gestrickt. “Karottensuppe von Toni Möhren-wald, ha ha!” Und auch die Einlagen, die jeden Gang einleiten und bei dem auch die Solokünstler eingesetzt werden, wirken eher wie eine Animationsshow und fallen qualitativ doch von den fantastischen Einzelauftritten der Artisten ab. Mitunter entlocken sie einem damit aber doch einen Lacher – weil es einfach so deppert ist, wenn Clown Philippe vor der Vorspeise als tanzende Garnele durch die Gegend hüpft oder sich die Protagonisten vor dem Roastbeef einen Beef mit Rap und Breakdance-Einlagen liefern.
Ein Abend im PALAZZO Spiegelpalast bietet knapp vier Stunden Unterhaltung. Diese schwankt zwischen solidem und ausgezeichnetem Niveau. Vor allem die Auftritte der Solo-Artisten sind sehr beeindruckend. Was das Preis-Leistungsverhältnis betrifft, liegt das Ganze eher an der oberen Schmerzgrenze, vielleicht sogar leicht darüber. Denn: bei so manchem Zwischen-Gag und Essens-Gang waren unsere Erwartungen noch ein bisschen höher. Die Artisten sind auf jeden Fall die wahren Stars des Abends.
Wer sich eine Flasche Wein dazu bestellt (wenn schon, denn schon) und auf die bunten Reize des Dinner-Zirkus einlässt, wird aber auf alle Fälle seinen Spaß haben.
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Alle Fotos: (c) PALAZZO
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