Wenn am 10. März in Los Angeles die Oscars 2024 vergeben werden, waren die Favoriten den wichtigsten Kategorien selten so eindeutig. Warum Oppenheimer diesmal ganz groß abräumen dürfte und wer sich sonst noch Chancen ausrechnen darf.
von Susanne Gottlieb
5. März 2024: Niemand will die Oscars moderieren. Außer vielleicht er. Abermals wird der Comedian Jimmy Kimmel durch die Veranstaltung führen. Das ist bereits sein vierter Auftritt bei den Awards. An Kontroversen muss er sich auch nicht abstrampeln. Das ist, wenn man von den Aufregern vorab absieht, dass Greta Gerwig und Margot Robbie nicht als Regisseurin und Darstellerin für Barbie nominiert worden waren. Die unaufgeregsten Oscars seit langem? Wir werden sehen. Hierzulande startet die Show um 0:00 Uhr Ortszeit, in der Nacht von 10. auf 11. März (ORF überträgt live).
Zum Mitfiebern haben wir für euch die Liste der Nominierten in den 9 wichtigsten Kategorien auf einen Blick. In Fett und mit Beschreibung die jeweiligen Favoriten. Insgesamt hat bei den Nominierungen Oppenheimer mit 13 die Nase vorne, gefolgt von Poor Things (11), Killers of the Flower Moon (10) und Barbie (8).
Io Capitano, Italien
Perfect Days, Japan
Die Schneegesellschaft, Spanien
Das Lehrerzimmer, Deutschland
The Zone of Interest, Großbritannien
Selbst Steven Spielberg hatte ihn den besten Holocaust-Film seit langem genannt. The Zone of Interest erzählt vom Lager in Auschwitz, aber aus der Sicht der Täter. Soll heißen, die Familie des Lagerkommandanten Höss wird in ihrem Alltag beobachtet, und in ihrer kompletten kühlen Ignoranz, was sich ein paar Meter weiter drüben abspielt. Das ist bedrückend, Hanna Arendts “Banalität des Bösen” tut sich da auf. Als fremdsprachiger Film konnte sich der britische Beitrag übrigens qualifizieren, da er komplett auf Deutsch und Polnisch gedreht wurde.
Der Junge und der Reiher
Elemental
Nimona
Robot Dreams
Spider-Man: Across the Spider-Verse
Der Film von Hayao Miyazaki hat bereits den Golden Globe und den BAFTA gewonnen. Man darf also hoffen. Andererseits kann die Academy auch einfach noch zu konservativ sein, und auch das Sequel zum ersten Spider-Man auszeichnen. Dass Animationslegende Miyazaki aber ein bisschen Oscar-Liebe bekommt, wäre nicht verkehrt. Ob der Film auch wirklich sein letzter bleibt, und er nachher in Ruhestand geht, steht auf einem anderen Blatt.
“What Was I Made For?,” Billie Eilish und Finneas O’Connell, Barbie
“I’m Just Ken,” Mark Ronson und Andrew Wyatt, Barbie
“The Fire Inside,” Diane Warren, Flamin’ Hot
“It Never Went Away,” Jon Batiste und Dan Wilson, American Symphony
“Wahzhazhe (A Song for My People),” Scott George, Killers of the Flower Moon
Ryan Gosling als Ken mag zwar ikonischer sein. Der Oscar wird dennoch an Billie Eilish und ihren Bruder Finneas O’Connell gehen. Es wäre für die beiden der zweite Gewinn nach ihrem Bond-Lied No Time To Die. Und es wäre eine der zahlreichen Nebenkategorien, wo Barbie heuer abstauben wird.
Emily Blunt, Oppenheimer
Danielle Brooks, The Color Purple
America Ferrera, Barbie
Jodie Foster, Nyad
Da’Vine Joy Randolph, The Holdovers
Hier stellt sich keine Frage. Randolph hat bisher in allen Award-Shows bei allen Preisen abgestaubt. Als Köchin in The Holdovers hat sie das Publikum begeistert, und wird sich gegen altgediegene Filmgewichte wie Jodie Foster, oder jüngere wie Emily Blunt durchsetzen.
Sterling K. Brown, American Fiction
Robert De Niro, Killers of the Flower Moon
Robert Downey Jr., Oppenheimer
Ryan Gosling, Barbie
Mark Ruffalo, Poor Things
Auch hier stellt sich keine Frage wer die Trophäe einheimsen wird. Robert Downey Jr. krönt endlich seine Karriere mit einer Statue. Eine, die er schon für Chaplin hätte bekommen sollen, und für die er bei Tropic Thunder zumindest nominiert war. Der Darsteller, der seine jahrelangen Alkohol- und Drogenprobleme überwunden hat, nur um als Ironman zu einer der ikonistischen Figuren des 21. Jahrhunderts zu werden, ist eine Story, die ihresgleichen sucht. Dass er nicht immer nur eine Variation von sich selbst spielt, sondern auch in der Figur verschwinden kann, beweist er erneut in Oppenheimer.
Annette Bening, Nyad
Lily Gladstone, Killers of the Flower Moon
Sandra Hüller, Anatomy of a Fall
Carey Mulligan, Maestro
Emma Stone, Poor Things
Dies ist die einzige Schauspiel-Kategorie, in der sich noch eine Überraschung auftun könnte. Zwar hat Lily Gladstone den meisten Rückenwind, und wäre auch die erste Native American-Gewinnerin. Die Academy liebt solche Dinge. Doch Emma Stone hat gerade erst den BAFTA gewonnen und sich als absolut faire Konkurrenz hervorgetan. Beide Darbietungen waren beeindruckend. Oder es gibt etwas, das es seit Katherine Hepburn und Barbra Streisand nicht mehr gegeben hat. Ein Unentschieden und einen Oscar für beide. Aber das ist eher unwahrscheinlich.
Bradley Cooper, Maestro
Colman Domingo, Rustin
Paul Giamatti, The Holdovers
Cillian Murphy, Oppenheimer
Jeffrey Wright, American Fiction
Auch hier hat Cillian Murphy ziemlich garantiert die Statue schon in der Tasche. Auch verdient. Der talentierte Charaktermime hat eine ganze Karriere im Schatten anderer zugebracht. Oppenheimer, mit seinem langjährigen Kollaborateur Christopher Nolan, war seine erste große Blockbuster-Hauptrolle. Und das hat Murphy auch wirklich verdammt cool gemacht.
Jonathan Glazer, The Zone of Interest
Yorgos Lanthimos, Poor Things
Christopher Nolan, Oppenheimer
Martin Scorsese, Killers of the Flower Moon
Justine Triet, Anatomie eines Falls
Nach all den Jahren und all den Blockbustern wird Chris Nolan sich diesmal auch die Regie-Statue holen. Oppenheimer wird als einer der großen Gewinner aus diesem Abend gehen. Die Nolan-Jünger wirds freuen (hier übrigens unser Ranking der Nolan Werke), aber auch aus der Distanz kann man sagen, dass dieser Film sehr beeindruckend umgesetzt war. Also verdient. Mehr weibliche Nominierungen wären hier aber schön gewesen.
American Fiction
Anatomie eines Falls
Barbie
The Holdovers
Killers of the Flower Moon
Maestro
Oppenheimer
Past Lives
Poor Things
The Zone of Interest
Es ist schon eine gewisse Ironie dahinter. Da sind Christopher Nolan und Warner Bros jahrzehntelang miteinander verbandelt, wie eine filmische Symbiose. Dann kommt COVID-19, und Warner Bros möchte auf einmal so viel wie möglich gleich auf seine Streamer hauen. Da ihm dieses Modell nicht zusagt, verlässt Nolan Warner Bros und geht zu Universal. Dreht mit ihnen Oppenheimer. Und genau dieser Film wird diesmal so richtig bei den Oscars abräumen. Was lernen wird daraus? Kino ist wichtig. Geh ins Kino.
Wie haben die Nominierten der Oscars 2024 in unseren Bewertungen abgeschnitten? Lies hier unsere Reviews:
Oppenheimer Kritik – funktioniert die Nolan-Formel ohne Action?
Poor Things Kritik: Emanzipative Frankenstein-Story
Killers of the Flower Moon – Kritik: Mitreißender Westernkrimi
Past Lives: Einer der berührendsten Filme des Jahres
Barbie Kritik – Bunter, aber zu zahmer Feminismus
Mission Impossible: Dead Reckoning 1
Spider-Man: Across the Spider-Verse – Review
Aufmacherfoto: (c) Walt Disney, Universal Pictures, Constantin Film, Warner Bros
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.