Wer bringt die goldene Statue diesmal heim? Am 12. März geht es wieder los. Die Oscars werden in Los Angeles vergeben. Auch heuer gibt es wieder einige haushohe Favoriten. Aber wer macht das Rennen? Unsere Chancenanalyse mit den Favoriten und Nominierungen in den wichtigsten Kategorien. Und was diesmal die Aufreger im Vorfeld waren.
von Susanne Gottlieb
6. März 2023: Es gibt wieder einen Oscar-Host! Der Late-Night-Moderator Jimmy Kimmel führt zum dritten Mal durch die Veranstaltung – wie schon bei der Panne 2017 als irrtümlich La La Land statt Moonlight als Bester Film verkündet wurde, und war auch der letzte reguläre Host bevor Kevin Hart im Vorfeld das Handtuch warf und die Oscars eine Weile ohne Moderator auskommen mussten. Und es wären auch nicht die Oscars, wenn nicht im Vorfeld schon zumindest eine Kontroverse die Zeremonie überschattet hätte.
Dieses Mal war es die von der Academy kontrovers aufgenommene Nominierung von Andrea Riseborough in der Beste Hauptdarstellerin-Kategorie. Für ihre Rolle in To Leslie hatten die Produzenten keine groß angelegte Marketing-Kampagne gefahren, sondern Regisseur Michael Morris und seine Frau setzten ganz auf Celebrity-Mundpropaganda-Schiene. Die Mittel brachten den Erfolg, Riseborough wurde wieder Erwarten nominiert. Die Academy suggerierte jedoch, dass die Nominierung verbotenes Lobbying gegenüber Stimmberechtigten sei, da sich hier eine explizite Person für die Wahl aussprechen würde. Man wollte eine Ermittlung in der Causa starten. Das schuf auch einiges an Kritik, da viele meinten, das Lobbying der Studios, das oft scheinbare “Kaufen” von Nominierungen, sei nichts anderes.
Sonst darf man sich wieder den üblichen Gesprächsthemen anschließen: Wird es genug Zuschauer geben? Kann man die Oscars wieder relevant machen? Und wer wird diesmal undankbar am Mikrofon abgeschnitten? Eine weitere Oscar-Ohrfeige wird uns ja hoffentlich heuer erspart. Doch wer wird diesmal ausgezeichnet? Das sind unsere Einschätzungen in den 9 wichtigsten Kategorien:
Im Westen nichts Neues, Deutschland
Argentina, 1985, Argentinien
Close, Belgien
EO, Polen
The Quiet Girl, Irland
Bei seinen neun Oscar-Nominierungen wird sich Im Westen nichts Neues mit dem österreichischen Schauspieler Felix Kammerer in den wichtigsten Kategorien wie “Bester Film” wohl nicht durchsetzen können. Dafür ist der der deutsche Netflix-Film der wahrscheinlichste Kandidat um hier beim Internationalen Film abzuräumen. Aber auch das polnische Eseldrama EO hat einige Fans und könnte jene Fraktion überzeugen, die nicht automatisch jedes Kriegsdrama auszeichnen will. Denn bei aller Liebe für den deutschen Film, er war doch ein bisschen zu geradlinig zum wirklich herauszustechen.
Guillermo del Toros Pinocchio
Marcel the Shell with Shoes On
Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch
Das Seeungeheuer
Rot
Während Disney letztes Jahr einen Horror-Pinocchio mit Tom Hanks abgeliefert hat, der auch für die Goldene Himbeere nominiert ist, durfte Guillermo del Toro allen zeigen, wie man es richtig macht. Sein Pinocchio, der im faschistischen Italien angesiedelt ist, beweist abermals nicht nur, dass del Toro ein großer Künstler des Horrors und des Fantastischen ist, sondern dass Animation auch ein ernst zu nehmendes Genre ist. Sonst hätte auch der neue Der gestiefelte Kater-Film die Ehre verdient gehabt. Aber an Pinocchio wird er nicht vorbei kommen.
“Applause” from Tell It Like a Woman
“Hold My Hand” from Top Gun: Maverick
“Lift Me Up” from Black Panther: Wakanda Forever
“Naatu Naatu” from RRR
“This Is a Life” from Everything Everywhere All at Once
Manchmal bricht ein Film, der es nie wirklich auf den Hollywood-Markt abgesehen hatte, durch die Decke und verbreitet sich wie ein Lauffeuer. RRR, der indische Monumental-Blockbuster, hatte nicht nur die Massen weltweit begeistert, das Lied Naatu Naatu räumte inzwischen auch bei zahlreichen Award Shows inzwischen ab. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass es bei den Oscars anders sein wird.
Angela Bassett – Black Panther: Wakanda Forever
Hong Chau – The Whale
Kerry Condon – The Banshees of Inisherin
Jamie Lee Curtis – Everything Everywhere All at Once
Stephanie Hsu – Everything Everywhere All at Once
Die Nebendarstellerinnen-Kategorie ist heuer so hochkarätig, da sollte fast jede Nominierte einen Preis bekommen. Bisher haben sich Angela Bassett, Kerry Condon und Stephanie Hsu die Auszeichnungen tatächlich auch sehr gerecht aufgeteilt. Aber am Ende kann es (normalerweise) nur eine geben. Und am ehesten schaut es so aus, als würde Angela Bassett nicht nur für ihre Rolle als Königin Ramonda geehrt werden, sondern allgemein für ihre Hollywoodkarriere. Damit würde auch der zweite Black Panther Film das MCU zu einem Oscar-Vehikel machen.
Brendan Gleeson – The Banshees of Inisherin
Brian Tyree Henry – Causeway
Judd Hirsch – The Fabelmans
Barry Keoghan – The Banshees of Inisherin
Ke Huy Quan – Everything Everywhere All at Once
Ungleich der Besten Nebendarstellerin sind hier die Trümpfe klarer verteilt. Und sie transportieren auch eines der schönsten Narrative dieses Jahr. Ke Huy Quan, der Darsteller, der einst als Kind mit Die Goonies und Indiana Jones und der Tempel des Todes berühmt wurde, hatte sein großes Comeback als Waymond Wang und bisher alles abgeräumt, was es zu gewinnen kann. Das ist schön auf zweierlei Weise. Zum einen, da Quan einst in der Versenkung verschwand, da er als Erwachsener ab den 90ern feststellen musste, dass Hollywood kein Interesse an POC-Figuren hatte. Dies hat sich in den letzten zehn Jahren sehr verändert. Zum anderen, da es zeigt, wie ein ehemaliger Kinderdarsteller Erfolg haben kann, und nicht im Alkoholismus oder Drogensumpf versinkt. Hollywood liebt solche Geschichten. Auszeichnungswürdig.
Cate Blanchett – Tár
Ana de Armas – Blonde
Andrea Riseborough – To Leslie
Michelle Williams – The Fabelmans
Michelle Yeoh – Everything Everywhere All at Once
Hier geht es eigentlich nur um zwei Namen, die das Rennen machen könnten. Cate Blanchett für Tár und Michelle Yeoh für Everything Everywhere All at Once. Geht es rein um die darstellerische Leistung, ist Blanchett heuer allen Lichtjahre voraus. Doch Yeoh könnte das Fahrwasser von Everything Everywhere All at Once mit seiner POC-machen-Filme-Botschaft den nötigen Push geben. Bisher haben sich die beiden die Auszeichnungen aufgeteilt.
Austin Butler – Elvis
Colin Farrell – The Banshees of Inisherin
Brendan Fraser – The Whale
Paul Mescal – Aftersun
Bill Nighy – Living
Auch bei den Hauptdarstellern zeigt sich heuer, wie vielschichtig das Schaffen war. Bisher haben stets entweder Austin Butler, Colin Farrell oder Brendan Fraser den Preis gewonnen. Fraser wäre die andere große Comeback-Story und hat jetzt auch international bei den BAFTAS und den Globes gewonnen. Austin Butler wäre die klassische Biopic-Auszeichnung, die zwar gut gespielt ist, aber in Hinblick auf Auszeichnungen schon etwas repetitiv ist. Viele hoffen ja noch auf Colin Farrell als tragisch-komischer Inselbewohner. Die vielleicht beste, nuancierteste Performance, die aber leider nicht unbedingt in das klassische Oscar-Schema passt.
Martin McDonagh – The Banshees of Inisherin
Daniel Kwan and Daniel Scheinert – Everything Everywhere All at Once
Steven Spielberg – The Fabelmans
Todd Field – Tár
Ruben Östlund – Triangle of Sadness
Vor ein paar Jahren wäre es noch selbstverständlich gewesen, dass man Steven Spielberg für seinen besten Film seit Jahren den Oscar hinterherwirft – hier unsere Kritik zu The Fabelmans, der auch gerade bei uns im Kino gestartet ist. Nun schaut es wohl eher so aus, als würden die Daniels, Daniel Kwan und Daniel Scheinert für Everything Everywhere All at Once gewinnen. Wer hätte das von zwei Regisseuren gedacht, die vor ein paar Jahren noch Daniel Radcliffe als pfurzende Leiche inszeniert hatten?
Im Westen nichts Neues
Avatar: The Way of Water
The Banshees of Inisherin
Elvis
Everything Everywhere All at Once
The Fabelmans
Tár
Top Gun: Maverick
Triangle of Sadness
Die Aussprache
Hier gilt das gleiche wie für Beste Regie. Steven Spielbergs Ode an die Jugend und “Filme sind magisch”-Botschaft ist eigentlich genau das, was die Academy liebt (mehr zu The Fabelmans in unserer Review) Dennoch wird Everything Everwhere All at Once sehr wahrscheinlich das Rennen machen.
Kinofan? Dann schau dir hier an, wie du mit dem brandneuen Nonstop Kinoabo wie bei Netflix so viele Filme schauen kannst, wie du willst.
Wie haben die Nominierten der Oscars 2023 in unseren Bewertungen abgeschnitten? Lies hier unsere Reviews zu fünf nominierten Filmen:
The Fabelmans – Kritik zum besten Spielberg seit langem
Tár: Grandioses Epos mit herausragender Cate Blanchett
Avatar 2 – James Cameron zeigt wieder wie Blockbuster geht
Black Panther: Wakanda Forever – Überladenes Actionspektakel
Triangle of Sadness: Provokative Satire über die Schickeria
Top Gun: Maverick – Review zum Tom Cruise Spektakel
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.