Nachdem im letzten Jahr doch mehr Filme gelaufen sind als im Corona Jahr #1, wird auch die Auswahl an Filmen heuer wieder etwas vielfältiger. Und es gibt auch wieder eine richtige In-Person-Verleihung. In unserer Prognose für die Oscars 2022 erfährst du alles, was du zur Acadamy-Preisverleihung am 27. März wissen musst – zu den Nominierten und den jüngsten Aufregern.
von Susanne Gottlieb
21. März 2022: Nach einem etwas Kino-freundlicheren 2021 und einem etablierten Impf- und Testprozedere können die Oscars 2022 wieder in ihrem vollen Glanz stattfinden. Das heißt, im Hinblick darauf, dass es natürlich nie ganz ohne Skandal geht. Aufreger heuer: Acht Kategorien sollen nicht live ausgestrahlt werden. Dabei handelt es sich um Besten Kurzdokumentarfilm, Bester Schnitt, Bestes Make-up, Bester Soundtrack, Bestes Production Design, Bester animierter Kurzfilm, Bester Kurzfilm und Bester Ton. Zahlreiche Prominente und Vertreter dieser Branchen haben in den letzten Tagen bereits ihren Unmut dazu geäußert. Die Diskussion, dass manche Kategorien als weniger wert oder wichtig gesehen werden, ist wieder vollends entflammt.
Dabei ist diese Entwicklung gar keine gewollte Böswilligkeit seitens der Academy, sondenr eine etwas bizarre Vorgabe des Senders abc, die Verleihung zeitlich zu kürzen. Aber bevor man Kategorien ausschließt, hätte man sicher die Nabelschau-schwangeren Einlagen, in denen sich Hollywood jedes Jahr selber zelibriert, weglassen können. Abseits davon sorgte auch der neue Versuch, einen “popular Oscar” einzuführen für Kopfschütteln unter den Cineasten. Mit dem Fan-Favorite-Film sollte via Twitter ein Gewinner eruiert werden. Doch statt hier einen Queerschnitt des Publikumgeschmacks zu bekommen, artete das Ganze bisher eher in einen Krieg der Fandoms aus. So pushten die Anhänger von Camilla Cabello den kaum nennenswerten Amazon Prime Streifen Cinderella und auch die Hardcore Zack Snyder Fans versuchten den Director’s Cut von Justice League erneut relevant zu machen.
Was dafür seit langem wieder einmal zu sehen ist: ein Host – in diesem Fall sogar drei! Regina Hall, Amy Schumer und Wanda Sykes haben sich erbarmt und werden den undankbaren Job der Osca-Präsentation übernehmen. Doch wer wird nun ausgezeichnet. Das sind unsere Einschätzungen:
Um das Ganze überschaubar zu halten, werden wir auch heuer wieder nur die neun größten Kategorien behandeln – ohne hier die Diskussion um die 8 ausgelassenen Kategorien zu befeuern. Alle 25 Kategorien wären einfach zu viel des guten.
Drive My Car, Japan
The Worst Person in the World, Norwegen
Flee, Dänemark
The Hand of God, Italien
Lunana: A Yak in the Classroom, Bhutan
Ein zweites Parasite wird es wohl nicht werden, in dem ein asiatischer Film sowohl den Oscar als Bester Film als auch Bester Fremdsprachiger Film erhielt. Dennoch hat Drive My Car inzwischen so viele Fans international gewonnen, dass es fast unmöglich scheint, dass der japanische Film nicht die Trophäe mit nach Hause nimmt. Dabei sind die weiteren drei Nominierungen in Bestes Adaptiertes Drehbuch, Bester Regisseur und Bester Film sicher ein guter Indikator für Oscar-Ehren. Sollten es wider Erwarten doch nicht die Japaner werden, sind die Norweger mit The Worst Person in the World ein starker Gegenkandidat.
Encanto
The Mitchells vs. the Machines
Luca
Raya and the Last Dragon
Flee
Auch wenn hier wieder mal die altbekannte “Disney und Pixar gewinnen standardsgemäß” gefahren wird, so ist Encanto durchaus ein unterhaltsamer Film mit toller Musik von Lin-Manuel Miranda. Inklusive dem fast schon anstrengend werdenden viralen Hit We don’t talk about Bruno. Auch wenn es tatsächlich schöner gewesen wäre, den originellen The Mitchells vs. the Machines als Gewinner zu sehen. Olivia Colman als frustriertes Smartphone ist einfach zu gut.
No Time to Die aus No Time to Die
Dos Oruguitas aus Encanto
Be Alive aus King Richard
Down to Joy aus Belfast
Somehow You Do aus Four Good Days
Klassischerweise hat in den letzten Jahren immer, wenn ein James Bond Film im Kino zu sehen war, der jeweilige Bond Theme Sänger oder Sängerin die Statuette mit nach Hause genommen. Es könnte daher durchaus sein, dass Billie Eilish mit No Time to Die ihren ersten Oscar gewinnt. Oder die Academy geht mit dem ganzen Encanto Hype und macht Lin-Manuel Miranda letztendlich doch noch zum EGOT (Emmy Golden Globe, Oscar, Tony) – Gewinner.
Ariana DeBose – West Side Story
Kirsten Dunst – The Power of the Dog
Aunjanue Ellis – King Richard
Jessie Buckley – The Lost Daughter
Judi Dench – Belfast
Wie einst Rita Moreno für das Original könnte auch Ariana DeBose als Anita in West Side Story den Oscar gewinnen. Für DeBose spricht, dass sie bereits einige Kritikerpreise einsacken konnte, was meist eine ziemlich stabile Prognose für einen Oscargewinn ist. Sonst ist Kirsten Dunst einfühlsame Darstellung in The Power of the Dog ein weiterer heißer Kandidat bei den Oscars 2022.
Kodi Smit-McPhee – The Power of the Dog
Troy Kotsur – CODA
Ciarán Hinds – Belfast
J.K. Simmons – Being the Ricardos
Jesse Plemons – The Power of the Dog
Mit dem immer wunderbaren Jesse Plemons als Konkurrent im selben Film, wird die Auszeichnung dennoch an Kodi Smit-McPhee gehen. Bisher war der australische Jungstar vor allem aus den jüngeren X-Men Filmen bekannt, mit der Trophäe dürfte er auf jeden Fall mehr A-List-Arbeit an Land ziehen. Seine sensible und doch kalkulierte Darstellung war neben Cumberbatchs Darbietung einer der einprägsamsten Elemente des Films.
Olivia Colman – The Lost Daughter
Nicole Kidman – Being the Ricardos
Kristen Stewart – Spencer
Penélope Cruz – Parallel Mothers
Jessica Chastain – The Eyes of Tammy Faye
“This will never happen again” meinte Olivia Colman noch, als sie den Oscar als beste Darstellerin für The Favourite (hier unser Review) gewann. Und doch ist die Chance da, dass sie ihn für The Lost Daughter bekommen könnte. Zwar wurden bisher Nicole Kidman und Kristen Stewart als die Favoriten gehandelt, doch beide sind bei den Verleihungen von anderen Preisen bisher erstaunlich leer ausgegangen. Stewart wurde nicht einmal für den SAG und den BAFTA nominiert. Jessica Chastain könnte das Rennen auch noch überraschend machen, hat sie doch gerade erst den SAG Award gewonnen. Ein durchaus sehr offenes Rennen. Doch sollte Colman als Siegerin hervorgehen, können wir uns immerhin auf eine neue brillante Rede von ihr einstellen.
Will Smith – King Richard
Benedict Cumberbatch – The Power of the Dog
Denzel Washington – The Tragedy of Macbeth
Andrew Garfield – Tick, Tick…Boom!
Javier Bardem – Being the Ricardos
Nach Nominierungen für Das Streben nach Glück und Ali könnte es Will Smith nach all den Jahren doch noch schaffen, sich in der Rolle des Vaters von Venus und Serena Williams an den Oscar heranzutasten. Ein zweiter heißer Kandidat ist Benedict Cumberbatch als sadistisch-aggressiver Hauptdarsteller in The Power of the Dog. Was noch für Cumberbatch sprechen würde sind die insgesamt zwölf Nominierungen für The Power of the Dog. Aber es wird doch eher auf eine “letztendlich aber doch” Auszeichnung für Smith hinauslaufen.
Jane Campion – The Power of the Dog
Paul Thomas Anderson – Licorice Pizza
Ryûsuke Hamaguchi – Drive My Car
Kenneth Branagh – Belfast
Steven Spielberg – West Side Story
Eigentlich hätte sie ihn schon 1993 für Das Piano verdient gehabt. Doch es sollte nicht sein. Mit zwölf Nominierungen im Gepäck ist es endlich Zeit für die brillante Jane Campion, mit der Statue nach Hause zu gehen. Sie wäre zudem die dritte Frau ingesamt und die zweite In Folge nach Chloé Zhao im Vorjahr, die die Statue gewinnen würde. Steven Spielberg, der 1993 ebenfalls nominiert war, und für Schindlers Liste gewann, ist diesmal nur unter “ferner liefen”.
The Power of the Dog
Belfast
West Side Story
King Richard
Dune
Drive My Car
Licorice Pizza
CODA
Don’t Look Up
Nightmare Alley
Auch hier ist zu erwarten, dass The Power of the Dog verdient das Rennen machen wird. Jane Campions später Western ist eine Auseinandersetzung mit toxischer Maskulinität und mit der Erkenntnis, wie weit man für einen Menschen, den man liebt, zu gehen bereit ist.
Neugierig, wie wir die Favoriten der Oscars 2022 selber bewertet haben? Lies hier unsere Reviews zu einigen heißen Kandidaten:
The Power of the Dog – Kritik
Dune – Kritik
Don’t Look Up – Kritik
Nightmare Alley – Kritik
James Bond – Keine Zeit zu sterben– Kritik
Aufmacherfoto: (c) Netflix (c) Walt Disney (c) Polyfilm (c) Constantin Film
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.