Pastranas “Neeeitro Zirkus”. Das ist etwas für Action-Puristen. Nonstop Stunts ohne Pausenfüller. Und wenn zwei Fans bei einem Backflip mit am Bike sitzen, bleibt einem kurz das Herz stehen.
von Christoph König
Ein fliegendes Sofa, ein Sprung mit einem winzigen rosaroten Sportauto, drei Kerle zu dritt kopfüber am Motorrad. So irrwitzig das ist, könnte man meinen, es handelt sich um einen schrägen Intro-Clip des Monty Python Flying Circus.
Tatsächlich sind es die nicht weniger lustigen Gesellen des Nitro Circus, die sich mit den schrägstens Stunts furchtlos in die Lüfte des Wiener Ernst Happel Stadions werfen. Die MTV-Kultshow von Actionstar Travis Pastrana macht bei ihrer alljährlichen Welttournee wieder mal Halt in Österreich. Und diesmal lasse ich mir das Spektakel nicht entgehen.
Das Angenehmste vorweg: Auf viel Zwischengeplapper und mühsame Pausenfüller wird hier verzichtet. Heutzutage schon fast ungewöhnlich. Wohltuend, bedenkt man wie arg Live-Action-Shows beispielsweise auf Pro7 durch Werbepausen und sinnlose Moderationen und Erklärungen schier endlos in die Länge gezogen werden. Hier geht es Schlag auf Schlag. Da ein schneller Whip-Contest der Motocrosser, dort ein Backflip-Duell auf Dreiradlern. Zwei Kicker, auf einem steht der Stadionsprecher, Wiederholungen auf einem Videoscreen. That’s it!
Pastrana selbst führt einige Stunts an, hält sich aber bewusst zurück. Logisch, würde er ausfallen, wäre er als Leitfigur der Show nicht ersetzbar. Frau und Kind stehen am Happel-Stadion-Rasen, schauen sich den fliegenden Dad aus nächster Nähe an.
Die Stimmung im Publikum ist gut, aber auch nicht überwältigend. Das liegt wohl am Sprecher. Der plärrt im ärgsten Piefke-Deutsch ins Mikro. Das nervt zeitweise. Zum Beispiel als ein Duell zwischen Team USA und Team Österreich inszeniert wird. Das wirkt schon so sehr aufgesetzt, ist doch nur ein Biker ein Hiesiger. Und dann schreit der Stadionsprecher: “Wir Österreicher lassen uns nich die Wurst vom Brot nehm’!” Da passt es schon etwas besser als der Grazer Biker die Amis im Dialekt provoziert: “Wos hobts ihr uns scho Gscheites brocht, außer den Mäci und die Silikon-Titinger?” Na gut, wenn es sein muss.
Bier auf den Aggro-Heini
Zumindest einen Fan, der schräg vor mir sitzt, scheint das mitzureißen. Als ein Ami springt, gröllt er böse und streckt seine fetten Mittelfinger in den Himmel. Der Typ ist schon derart alkoholisch “aufgewärmt”, dass er fast vom Hocker fliegt. Stiernacken, MMA-Leiberl und geschätzte 150 Kilo. So ziemlich genau die Person mit der man hier keinen Ärger haben will. Auf einmal spritzt Bier in die Luft. Mein Sitznachbar, ein Arbeitskollege, hat unabsichtlich seinen kompletten Becher Gerstensaft verschüttet – genau auf Rücken und Arsch des dicken Aggro-Typen! Der dreht sich mit einem Blick um, als wollte er den Schuldigen höher in die Luft schießen, als die Bikes vor uns. Zwei schnelle “Entschuldigung” verhindern das Schlimmste.
Richtig aufregend wird jetzt auch die Show. Zwei Fans sollen sich freiwillig für einen Stunt melden. Fast die Hälfte der Menschen springt auf. Mutig, mutig! Stark sollen sie sein. Zwei Typen werden ausgesucht. Zehn Minuten später stehen sie in voller Motocross Montur da. Die Verzichtserklärung haben sie wohl backstage unterschrieben.
Der Plan ist mit einem Pro zu Dritt am Bike einen Backflip zu machen. Oh Gott! Am Screen wird gezeigt, wie es ihren Vorgängern in anderen Ländern dabei ging. Raunen in den Rängen. Da sind Stürze dabei, die sicher nicht mit ein paar glimpflichen Wehwehchen endeten. Egal, ob dieses Duo vorgecastet ist oder nicht. Ich will nicht in ihrer Haut stecken. Sie drehen zwei Aufwärmrunden. Daumen nach oben. Das Trio rast auf die Schanze zu. Das Publikum hält den Atem an. Wenn das nur gut geht. Sie heben ab, drehen sich auf den Kopf und … landen tatsächlich wackelig oder doch wieder heil am Boden.
Am Abend treffe ich vor meiner Haustür meinen 60-jährigen Nachbarn. Wo waren Sie denn heute? Na bei dem Neeeitro Zirkus. Echt??? Wir auch. So ein Zufall. Hats ihnen gefallen? Jo, eh. Aber in da Stadthalle woan die Burschen besser.
Als ich ein Video von 2012 studiere, muss ich gestehen. Stimmt. Der Nitro Circus ist schon etwas in die Jahre gekommen. So wie mein junggebliebender Nachbar, der Herr Hedl. Was er sich wohl dachte als der Sprecher meinte: “Wir lassen uns nich die Wurst vom Brot nehm’.” Anscheinend wenig, denn darauf anggesprochen, sagt der Hedl. “Den Heini hob i überhaupt net verstondn!” Eh wurscht, denn am Ende gehts eh nur um die wahnsinnige Action.
Facts: Der Nitro Circus wurde 2009 erstmals auf MTV ausgestrahlt. Die Actionstars touren seit einigen Jahren auch als Showact um die Welt.
Fazit: Die Show ist sehenswert. Statt einer aufwändigen Inszenierung steht die Action im Vordergrund. Manche Aktionen wirken etwas aufgesetzt.
Der Chefredakteur der Helden der Freizeit hat das Onlinemagazin 2016 ins Leben gerufen und ist seit 2000 als Sportjournalist im Einsatz. Bei heldenderfreizeit.com ist er spezialisiert auf actiongeladene Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge, Videos, Spiele, Filme, Serien und Social Media.