Der Nino aus Wien im großen Interview über seine Helden, die Krise, das Popfest und den Prater. Warum der Vollblutmusiker nie Angst vor Kommerz hatte, obwohl er selbst weit davon entfernt ist. Warum britische Musik von den Kinks, Beatles und Co. viel mehr Einfluss auf ihn hatte als das Wienerlied. Und warum das Traurigste an Rapid derzeit ist, dass ihm sein Herzensklubs derzeit wurschter ist als ihm lieb ist.
von Christian Orou
Nino Mandl aka der Nino aus Wien gilt als einer der produktivsten und wandelbarsten Musiker Österreichs. Eiszeit heißt sein neues Album, auf dem er wieder mit Band zu hören ist. Aktuell ist er mit seiner Band in Deutschland und Österreich auf Tournee – hier alle Tourdaten.
Den Auftakt bildete ein Solokonzert im Theater am Spittelberg. Dort trafen ihn die Helden der Freizeit zu einem Gespräch über Helden, seine Wurzeln, Heimat und vieles mehr.
Eine gute Frage. Ich habe immer das Lied Heroes von David Bowie gehört. Durch dieses Lied war David Bowie für mich irgendwie ein Held. Ich mochte das Wort als Teenager ganz gern und habe es vor allem für Musikerinnen und Musiker gebraucht. Aber ich habe es ewig nicht mehr verwendet. Ich habe es erst jetzt wieder bei den Helden der Freizeit gelesen und das Wort irgendwie verloren. Ich bin kein Held, das kann ich sagen.
Das weiß ich nicht. Da hab ich keine Ahnung.
In meiner Kindheit war es vor allem Techno und Eurodance. Durch meinen älteren Bruder habe ich das immer gehört, der hat schon als Kind diese Musik gemacht. Er war hochbegabt am Computer und hat seine Technohits konzipiert und produziert. Später habe ich dann Radio gehört: Ö3 und 88,6. Da sind mir immer die Hits aus den Sechzigern und Siebzigern aufgefallen, die haben mir schon immer gut gefallen. Und dann bin ich auf die Beatles gekommen. Das war für mich der ärgste Moment. Das erste Mal die Beatles wahrzunehmen hat mich sehr inspiriert und beeinflusst.
Das erste Mal Hey Jude hören war unvergesslich. Später habe ich dann die CDs von den Beatles gefunden und mich in Strawberryfields forever verliebt. Mit 15 habe ich Beatles Anthology gesehen und wollte eine Band gründen. Später kamen die anderen Sechziger-Jahre-Sachen dazu: Bob Dylan, Syd Barret, die Kinks, Velvet Underground und solche Sachen. Ich habe eigentlich immer Musik gehört, auch die Hits im Radio von den Red Hot Chilli Peppers oder Jon Bon Jovi. Und natürlich darf ich die Austropop-Sachen nicht vergessen. Die haben meine Eltern immer gehört. Wolfgang Ambros, Rainhard Fendrich und vor allem Georg Danzer.
Jon Bon Jovi hat wahrscheinlich einen geringeren Einfluss. Lacht Der Austropop hat mich sicher beeinflusst. Aber wie die ganze Musik der Sechziger und Siebziger einen Einfluss auf mich hat, weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich haben die Kinks einen großen Einfluss auf mein Songwriting. Ich wollte immer wie die Kinks klingen. Weil wie Beatles klingen kann man nicht, das braucht man gar nicht probieren.
In einzelnen Momenten meiner Lieder glaube ich, die Kinks herauszuhören
Nino über den Einfluss der britischen Popstars
Aber in einzelnen Momenten meiner Lieder glaube ich die Kinks heraushören zu können. Auch Bob Dylan hatte einen großen Einfluss auf mich. Ich habe jahrelang nur Strophen geschrieben für achtminütige Lieder. Aber dieser Einfluss ging zurück. Auf dem neuen Album ist kein Lied über drei Minuten.
Ich würde das, was ich mache, nicht unbedingt als Wienerlieder bezeichnen. Ich bin eher von der britischen Musik beeinflusst. Es täuscht ein bisschen, dass ich Wien in meinem Namen trage. Vielleicht glauben dann einige, dass ich ein Wienerliedsänger bin. Ein bisschen spiele ich damit. Ich erwähne Wien gern einmal in einem Lied, das ist oft eine falsche Fährte. Ich höre gerne Wienerlieder zum Beispiel von Maly Nagl oder Hermann Leopoldi, das hat aber wenig mit meiner Musik zu tun.
Ich finde diese Klischees bei den Wienerliedern schön, wenn es um das Saufen und den Tod geht. Das wirkt so, als wären alle Wiener die ganze Zeit zua. Todessehnsüchtig wanken sie durch die Stadt. Diese Vorstellung finde ich lustig, weil ich vor allem lebenslustige Wiener kenne.
Mir persönlich ist es nicht wichtig, ich möchte mich nicht zu sehr damit befassen. Viele sagen, sie hassen das Wort Austropop. Mir ist das egal. Wenn man meine Musik als Austropop oder Wienerlied bezeichnen will, habe ich nichts dagegen. Ich mochte die Bezeichnung Pop immer gerne, weil so viel hineinpasst und weil Das Wort so kurz ist. Es ist das kürzest mögliche Wort für eine Musikrichtung.
Ich habe keine Angst vor Kommerz, auch wenn ich davon weit entfernt bin.
Der Nino aus Wien hat Popmusik immer in sich aufgesogen
Ich komme von einem Indie-Background. Bei mir ist alles Indie und DIY. Ich war immer bei einem Indielabel und spielte in den Klubs am Gürtel. Das ist eine Einstellungssache. Ich habe aber auch keine Angst vor Kommerz, obwohl ich weit davon entfernt bin. Ich höre auch gerne Hits, ich schreibe halt keine.
Ich finde es super, dass FM4 das spielt. Seit 2009 spielt FM4 verlässlich pro Album ein bis zwei Songs, das hilft sehr. Da bin ich sehr dankbar.
Das ist nie mein Lieblingswort gewesen. Es kommt in meinem Wortschatz kaum vor. Ich sage dieses Wort sehr selten, bin überall gerne, wo ich gerne bin. Ich will auch nicht in Österreich kleben, bin immer froh, wenn ich rauskomme. Das heißt: Ich bin wohl nicht der ärgste Patriot. Ich halte zur Nationalmannschaft, aber das ist dann auch schon fast alles.
Das hätte ich nicht gedacht, dass ich zu Lebzeiten im Museum lande. Das muss ich mir ansehen. Es zeigt, dass das Interesse an der Musik da ist. Das finde ich schön. Das waren gute Jahre vor Corona, da lief es für viele gut. Ernst Molden sagt immer: „Das waren die goldenen Jahre.“ Es ist ein Wunder, dass man in einem so kleinen Land von seiner Kunst leben kann. Jetzt kommt die erste Krise.
Es ist die erste Krise, die ich erlebe. Da will ich nicht gleich die Nerven verlieren
Nino über seinen Blick in die Zukunft
Viele Leute bleiben den Konzerten fern. Es ist alles ein wenig schwieriger. Aber es ist die erste Krise, die ich erlebe, also will ich nicht gleich die Nerven verlieren und halbwegs positiv in die Zukunft blicken. Es fürchten sich alle vor dem Herbst und dem Winter. Aber es wird weitergehen. Und ich bin dankbar für die Jahre davor.
Das letzte Album Eiszeit war schon von der Krise inspiriert. Die Songs habe ich im Lockdown geschrieben. Es hat schon eine Auswirkung gehabt. Ich habe wenig erlebt. In den Alben davor habe ich über das geschrieben, was ich erlebt habe. Diesmal war ich zu Hause, habe mit den Katzen gespielt und ferngesehen. So gab es kaum Lieder über Begegnungen im öffentlichen Raum. Die Krise geht aber weiter und ich habe das Gefühl, dass meine Lieder jetzt eher losgelöst davon sind. Aber ich glaube, dass alles aus der Außenwelt einen Einfluss auf mein Songwriting hat.
Ich komme aus dem 22. Bezirk und als Kind war ich einmal im Jahr im Prater. Das waren schöne Erlebnisse. Dann habe ich acht Jahre im Stuwerviertel gewohnt. Da habe ich den Prater richtig kennen gelernt. Am liebsten mochte ich ihn immer im Winter bei Nacht, wenn diese Figuren in ganz kalten Nächten fast zum Leben erweckt werden. Es ist ein spannender Ort. Kurz bevor ich nach Favoriten gezogen bin, habe ich als Abschluss dieser Epoche das Praterlied geschrieben.
Der ist schön. Er ist halt viel ruhiger. Da bin ich ab und zu beim Werklmann auf ein Surschnitzel.
Es war eine spannende Arbeit mit Katharina Seidler von FM4 und dem Falter. Wir haben wirklich gescoutet. Wir waren auf sehr vielen Konzerten, überall in Wien, in vielen Clubs und haben uns alles angesehen. Es war viel mehr Arbeit, als ich mir gedacht habe, aber es war sehr spannend. Wir haben fast alles, was wir wollten erreicht. Wir wollten eine bunte Mischung, wo für jeden was dabei ist. Ich könnte mich nicht erinnern, dass es eine Band gibt, die abgesagt hat. Es war eine interessante Mischung.
Tony Wegas auszugraben, war ein Traum von mir
Nino über seine Kurator-Tätigkeit beim Popfest 2018
Zum Beispiel spielte auch Tony Wegas. Das war ein Traum von mir, dass er wieder ausgegraben wird. Er hatte einen kurzen Auftritt im Wien-Museum. Wir hatten viel Indie-Zeug, aber auch ein Hansi-Lang-Special. Ich wollte damals irgendetwas anderes machen, da kam das Popfest zum richtigen Zeitpunkt.
Offensichtlich ist es wichtig, sonst würden sich nicht so viele Bands dafür bewerben. Ich habe schon beim allersten auf der Seebühne 2009 gespielt. Damals habe ich es noch nicht als so wichtig wahrgenommen. Über mehr als ein Jahrzehnt hat sich das Popfest etabliert. Es ist spannend, weil du viel kennenlernen kannst. Als Besucher ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Du hingehst und eine Band hörst, die dir gefällt und die du nicht kanntest. Was hab ich am Popfest Großartiges gesehen? Soap & Skin in der Karlskirche.
Das gibt es gar nicht mehr. Das war das Gerhard Hanppi-Stadion.
Einen sehr hohen, seit ich ein Kind bin. Ich war mit meiner Familie immer bei den Rapidspielen. Es hat in der Zeit begonnen, in der Rapid im Europacupfinale gespielt hat. Michael Konsel, Didi Kühbauer. Konsel war mein Held, um wieder zu diesem Wort zurück zu finden. Ich habe mir von Konsel alles abgeschaut. Als Tormann wollte ich seine Bewegungen imitieren. Ganz ist es mir nie gelungen. Ich würd ehrlich sagen, ich war immer besser im Fußball schauen als im Fußball spielen. Schauen tu ich immer noch regelmäßig. Ich bin Rapid verbunden, aber es ist eine schmerzhafte Verbindung. Es tut schon weh, grad im Moment passiert etwas sehr Trauriges, nämlich dass es mir wurscht ist.
Das ist für mich nur mehr in Ansätzen Rapid.
Nino ist sein Lieblingsklub derzeit wurschter als ihm lieb ist
Es trifft meine Emotionen nicht mehr so stark. Das ist für mich nur mehr in Ansätzen Rapid. Wenn du in fünf Spielen vom Rapidgeist nicht mehr mitgerissen wirst, wenn du gegen Vaduz nicht aufs Tor schießt, das tut schon weh. Aber ich hab keine andere Wahl, als der Rapid treu zu bleiben und hoffe dass bald wieder etwas weitergeht. Im Moment schaue ich lieber 90er-Jahre Fußball auf youtube. Die Dokumentation über den Weg ins Finale des Cups der Cupsieger. Rapid sorgt gerade dafür, dass ich sentimental werde.
Sicher. Es wäre auch fad, wenn es nicht so wäre, wenn wir immer alles gewinnen würden. Das könnte ich mir gar nicht vorstellen. Dieser Schmerz ist auch wichtig für mich. Es ist ein Katalysator. Ich verarbeite den Schmerz in traurige Lieder.
Es ist oft unglaublich interessant, was Musiker:innen abseits der Stage zu sagen haben. Lest bei uns, was sie inspiriert, bewegt, ausmacht und in ihrer Freizeit begeistert:
Josh. im Interview: “Ich hatte keinen Bock mehr. Auf gar nichts!”
Wiener Blond: “Unser zweites Wohnzimmer ist das Kaffeehaus!“
Voodoo Jürgens: “Ich schreibe keine Musik für Zielgruppen!”
Christian Hummer von Wanda: “Statt 150 kamen plötzlich 15.000!”
Aufmacherfoto: (c) Christian Orou/heldenderfreizeit.com
Der Chefredakteur der Wiener Alszeilen verfasst für heldenderfreizeit.com Buch-, Musik- und Spiel-Rezensionen, ist Video-Redakteur von CU TV und schreibt für das Musikmagazin Stark!Strom. Dazu berichtet er von Konzerten, Sport- und anderen Kulturevents und führt Interviews mit Stars und spannenden Persönlichkeiten.