Floor Jansen und Troy Donockley von Nightwish über heldenhafte Momente, Ausrutscher vor 40.000 Fans, Österreich, Traum-Line-Ups, ihr neuestes Album und einem Erlebnis als Helfer bei einem fürchterlichen Unfall.
von Patrick Meerwald
6. April 2020: Die Symphonic Metal Giganten von Nightwish riefen. Und die Helden der Freizeit kamen. Vor der Coronavirus-Krise freilich! Mit dem Zug nach München ging es los. Angekommen sofort das 25 Hours Hotel aufgesucht, dort das neue Doppelalbum Human:Nature (Release: 10.4.) genossen und rein in die Swan Suite, in der Floor Jansen und Troy Donockley warteten. Im großen Interview sprachen wir über heroisches, perfekte Line-Ups, Hoppalas auf dem Nova Rock Festival und mehr.
Floor Jansen: Der Hauptunterschied zu früher ist, dass es ein Doppelalbum ist. Eines ist mit der gesamten Band und insgesamt neun Titeln. Im Vergleich zu früheren Alben von Nightwish ist es eines, bei dem kein Orchester spielt. Wir haben vereinzelt Streicher, aber das war’s. Außerdem haben wir erstmals den Ansatz verfolgt, dass wir weniger mit einem Chor harmonieren, sondern fokussieren uns darauf, als Band noch mehr zusammenzuspielen. Der zweite Teil ist ein richtiges Stück Symphonie. Das ist dafür aber mit ganzem Orchester. Bei dem ist die Band aber nicht zu hören.
Troy Donockley: Ja, es ist wirklich anders. Ich finde wir waren bis jetzt immer erfolgreich, wenn wir Neues versucht haben. Trotzdem ist alles Neue noch ganz klar mit der Quintessenz von Nightwish.
Floor: Es geht um das menschliche Verhalten allgemein. Da haben wir den Menschen, der Bäume umarmt, dem ist die Natur wichtig. Ein anderer, der nur an seine eigene Homepage denkt und nichts anderes, eine Mutter, die für ihre Tochter vermeintlich nur das Beste will, aber unmenschliche Erwartungen an sie hat. Das Lied zeigt eine dunkle Seite von uns allen, die wir irgendwo in uns tragen. Am Ende des Videos sieht man aber das wahre Licht, den wahren Horizont, das wahre Leben und doch die Wahrheit, wie sie eben ist. Und eben nicht in dieser Fake-Welt online, nach der wir süchtig werden.
Troy: Ich finde, es kommt ganz auf die Person an. Es gibt Leute, die sind nicht geduldig und ihnen fällt es schwer sich neuer Musik zu öffnen, weil ihnen die Kapazitäten dafür fehlen. Persönlich würde ich aber am ehesten The Greatest Show On Earth empfehlen.
Floor: Das Ding ist, ich bin der Meinung, dass es keinen Song gibt, der das ganze Spektrum abdeckt, für das Nightwish steht. Man muss wirklich schauen, was für eine Art Person der Zuhörer ist. Haben wir zum Beispiel jemanden, der noch nie Heavy Musik gehört hat, dann würde ich ihm sofort das Härteste geben, was wir haben. Ist die Person aber zum Beispiel ein Slayer Fan, dem sollte man dann nicht unbedingt das heavieste zeigen.
Floor: Ich finde, die Helden der heutigen Zeit sind diejenigen, die sich um andere kümmern und für andere da sind. Besonders in den Pflege-Berufen, als Krankenpfleger wie auch aktuell in Zeiten des Corona-Virus zum Beispiel. Diese Leute unterstützen Menschen, wo sie nur können und das für ziemlich wenig Geld. Diese Jobs sind emotional und auch körperlich richtig intensiv.
Troy: Wenn ich einen Helden definiere, dann ist das bestimmt kein Celebrity. Ein Held steht mit Integrität und Courage für seine Mitmenschen ein und tut das selbstlos. Das ist nicht irgendjemand, der am schnellsten die Riffs auf der Gitarre spielt.
Troy: Mein ganzes Leben ist heldenhaft, ich bin froh dieses Leben zu leben (lacht). Besonders heldenhaft ist, wenn ich bei rot oder gelb manchmal über die Straße renne. Aber im ernst. All meine Freunde auf dieser Welt sind Helden zu einem gewissen Grad. Denn sie sind Freidenker und das macht für mich auch allgemein Helden aus. Weil sie Dinge in Frage stellen, nicht alles akzeptieren, was Obrigkeiten wollen.
Floor: Ich hatte ein besonderes Erlebnis mit früheren Band-Mitgliedern vor etwa 20 Jahren. Wir waren auf der Schnellstraße unterwegs und bemerkten: Auf der anderen Seite hatte ein Truck einen extremen Crash mit einem Auto. Der PKW war komplett hinüber und kurz davor in Flammen auf zu gehen. Dazu war der Fahrer zwischen den Gefährten eingeklemmt. Der Mann war schwer verletzt mit gebrochenen Knochen am ganzen Körper. Er sah echt nicht gut aus. Der Fahrer des Trucks war starr und saß wie angewurzelt in seiner Kabine, nicht im Stande die Rettung zu rufen.
Wir haben den Verletzten, der noch bei Bewusstsein war auf die Seite nehmen können. Ich habe ihn so lange wach gehalten, bis die Ambulanz kam. Das fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Mir war es sehr wichtig, ihn weit weg vom Geschehen weg zu bringen, weil ich dachte sein Auto würde explodieren. Danke Hollywood für diese Fake-News. PKWs brennen, gehen aber nicht hoch.
Er war einige Zeit in Lebensgefahr. Aber er schaffte es zum Glück. Für mich waren die Tage danach ganz schlimm, weil ich von dem Krankenhaus und der Familie keine Neuigkeiten erfahren habe. Ich gehörte ja nicht zu seinen Angehörigen. Ich bin so froh, dass er überlebt hat. Dieses Erlebnis war wahrscheinlich mein heldenhaftester Moment.
Floor: Ein Fakt ist, der Original Song, der Original-Stil wurde schon gemacht und da gibt es eine Erwartung. Trotzdem ist da ein gewisses Maß an Freiheit, wenn ich bekannte Songs neu-interpretiere. Die Band hat da schon ihren Platz in diesem Song gefunden, den muss ich aber noch finden. Ich möchte dem Lied meinen eigenen Touch geben. Aber nach dem ganzen Prozess wird der Titel zu meinen Songs und ich weiß, wie ich die Geschichten erzählen möchte. Das dauert eben länger, als wenn sie mit mir gemeinsam erstmals erzählt wurden.
Troy: Das ist eine brilliante Frage, das ist wirklich schwierig, wie ich finde. Ganz klar, wir wären ganz oben (lacht). Nein im Ernst, lass‘ mich bitte kurz überlegen. On Top wäre für mich definitiv Pink Floyd, dann aber schon Genesis mit Peter Gabriel natürlich, da wäre auch Led Zeppelin sicher dabei oder The WHO. All die klassischen Bands, für die ich zu jung war, sie zu sehen. Von den neuen habe ich die meisten schon gesehen. Wen würdest du nehmen Floor?
Floor: Ich weiß es nicht. Hm… ich würde gerne Queen sehen. (Troy stimmt mit breitem Grinsen zu und wirft ein: Ich habe nie Queen mit Freddie gesehen). Dann auf jeden Fall Aretha Franklin, dann Tina Turner in ihren rockigen Jahren, ja das wäre es ergänzend zu deinen Bands Troy.
Floor: Du kannst dir sicher sein, dass jeder, der einmal Kinder bekommt, dir sagen wird, dass Kinder kriegen das eigene Leben verändert. Aber zum Glück bleiben Babys nicht für immer Babys und wachsen. Die entwickeln sich zu Menschen.
Troy: Noch besser ist, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, dann können sie Mum und Dad zum Abendessen ausführen, was auch toll ist.
Floor: Stimmt, da hast du natürlich vollkommen recht. Darauf freue ich mich auch schon ziemlich (alle drei lachen). Was aber schön ist, du siehst das Leben von da an schon irgendwie anders. Du planst anders, du priorisierst anders. Im Wesentlichen bin ich aber ich geblieben und bin bereichert an tollen Dingen.
Floor: Nova Rock war das Festival, bei dem ich hingefallen bin beim letzten Mal, als wir dort gespielt haben. Das war vielleicht nicht die beste Erinnerung. Das Wetter war wirklich extrem. Ein großes Wow an das Publikum, das bei so einem starken Sturm geblieben ist und mit uns gefeiert hat.
Unsere Umkleide war vollkommen geflutet, überall war Wasser. Der Veranstalter war auch tatsächlich kurz davor unseren Gig abzusagen, doch wir haben dann doch spielen dürfen. Sie trockneten die Stages so gut sie konnten, aber leider nicht gut genug. Tja, bin ich eben vor 40.000 Leuten ausgerutscht.
Troy: Floor erholte sich zum Glück sehr schnell von dem Sturz und überspielte die Situation toll. Das war irgendwie Slapstick, wie in einem 20er Jahre Comedy-Film. Wichtig war, dass sie gelacht hat. Denn, wenn du nicht aufhörst zu lachen, dann kommst du da durch und sie hat genau das gemacht.
Troy: Ich liebe Österreich! Ich liebe Wien. Da fällt mir ein, ich habe mal mit einem Freund von mir das Lied Vienna gespielt. Er war damals in den 80ern ein Riesen-Fan von Ultravox und der Song war ihr Signature Song (improvisiert summend den Refrain von Vienna). Er hat gesungen und ich habe Gitarre gespielt. Das Besonders und lustige: Wir spielten Vienna in Wien. Das war eine coole Sache für mich.
Floor: Ich war mit meiner Familie auf Urlaub in Österreich, mehr so am Land, mit Kühen, frischer Milch und allem was dazu gehört. Gewandert sind wir oft. Wir sind damals von dem Hügel zu einer alten Bäuerin gegangen, die ihre Tiere sogar noch handgemolken hat. Es mag ein Klischee sein, aber ich habe daran die wärmsten Erinnerungen.
Bei den Helden der Freizeit lest ihr spannende Interviews und Storys zu Helden aus den unterschiedlichsten Bereichen. Der Musikheld im Jahrhundertfußballer, Cordula Grün-Star Josh., und viele mehr. Ein Abstecher in unsere Rubrik Helden der Helden lohnt sich:
Rapperin Yasmo: “Sich zu behaupten, geht auch ohne Hierarchie!”
Cil City: “Wenn die Energie passt, darf auch was danebengehen!”
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Nino aus Wien: “Ich höre gerne Hits, ich schreibe halt keine!”
Eric Papilaya: “Musiker sein, ist wie ein Marathon, nur ohne Ziel!”
Arabella zu Starmania: “Es braucht viel Mut und Verletzlichkeit!”
Christian Hummer von Wanda: “Statt 150 kamen plötzlich 15.000!”
Cley Freude: “Jeder Mensch ist ein Held und für jemanden wertvoll!”
Titus Vadon: “Musiker müssen innerlich brennen, sonst wird’s fad!”
Manuel Rubey: “Ich könnte Tag und Nacht Sport schauen!”
KØLEEN: “Ich liebe Kontraste im Leben, vor allem in meiner Musik!”
Sibbi von Itchy: “Für das Karma ist es gut, wenn man kein Arschloch ist!”
PAENDA im Interview: “Nicht nur meine Texte haben eine Message!”
Amy Wald: “Meine Sexualität war für mich nie so eine große Sache.”
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Christopher Seiler: “Wenn du einen Idioten spielst, musst du gscheit sein!”
Anna Heimrath nach Starmania: “Mein Ziel ist, von der Musik zu leben.”
Ina Regen: “Kenne deinen Grund, warum du was machst!”
Paul Pizzera: “Die Konzert-Geilheit bleibt trotz Absage-Frust!”
Russkajas Georgij: “Alles in meinem Beruf ist Freizeit!”
Wendja: “Neben dem Musikmachen ist Sport mein Leben!”
Marco Pogo: “Den Bierbrunnen will ich wirklich!”
Silbermond: “Ein Kind auf die Welt bringen ist heldenhaft.”
Vamummtn-Rapper Ansa: “Autotune-Gedöns ist nicht unsers!
Kaiser Franz Josef : “Unsere Musik ist zu leiwand fürs Radio!”
Nathan Trent: “Billie Eilish hat das Game revolutioniert!”
Cordula-Grün-Held Josh.: “Gig im Burgtheater wäre geil!”
Steve Hogarth: “Über John Lennon geht nichts!”
Prohaska über Musik: “Der Ambros ist mein größter Held!”
Hans Krankl: “Jeder Auftritt ist eine Heldentat!”
Alf Poier: “Mein halbes Leben war eine Heldentat!”
Aufmacher: (c) Tina Korhonen
Der Wiener Journalist ist seit 2016 Musik-Ressortleiter bei heldenderfreizeit.com, schreibt für diverse Musikfachmedien wie Stark!Strom berichtet dabei über Konzerte, Neuerscheinungen, führt Interviews und erstellt Besten- und Playlisten zu den Top-Liedern von Musikstars.