Kultregisseur Guillermo del Toro lässt die Fabelwesen hinter sich und will mit einem Star-Cast das Film Noir-Genre aufleben lassen. In Nightmare Alley gerät ein von Bradley Cooper gespielter Kleinganove in die Fänge einer mysteriösen Psychiaterin, gespielt von Cate Blanchett. Die Kulisse für den Thriller ist unter anderem ein dubioser Jahrmarkt, den del Toro mit seinem gewohnt ominösen Flair in Szene setzt. Sein letzter Film, Shape of Water (2017), konnte den Oscar für den besten Film abstauben. Ob sein neuestes Werk an diesen Erfolg nahtlos anknüpfen kann, erfahrt ihr unserem Nightmare Alley Review.
von Klaus Kainz
Eigentlich ist Guillermo del Toro für Geschichten mit düsteren Fabelwesen bekannt, sei es Pan’s Labyrinth (2006), oder die Originalverfilmung von Hellboy (2004). Nightmare Alley tritt hier als Remake eines 1947 erschienenen Film Noir zwar etwas zurück. Del Toro’s Handschrift bleibt dennoch unverkennbar. Der altmodische Karneval erlaubt es ihm, die düster märchenhafte Stimmung beizubehalten, für die er so bekannt ist – auch wenn die Monster fehlen. In seiner zweiten Hälfte wechselt Nightmare Alley wiederum zu typischen Film Noir-Kulissen. Das heißt: Elegante Anzüge, in Schatten gehüllte Gesichter, beklemmende Großstadtgassen oder Cate Blanchett als Femme Fatale.
Kurz vor Weltkriegsbeginn schließt sich der von Cooper gespielte Protagonist einer Gruppe von Trickbetrügern an, die einen wandernden Karneval mit vielen obskuren Ausstellungen betreiben. Bei den zwielichtigen Schaustellern, darunter Willem Dafoe oder Ex-Hellboy Ron Pearlman, eignet er sich schnell neue Tricks an. Schon bald kann er den Gedankenleser auf der großen Bühne der Großstadt spielen. Dort scheint ihm die von Blanchett dargestellte Therapeutin den Weg zu einem großen Coup zu öffnen, wobei ihn alte Dämonen langsam einzuholen drohen.
Film Noir war ursprünglich mehr als nur ein Look mit langen Schatten und Zigarettenrauch. Es war ein Genre, um Zensuren zu umgehen, oder gesellschaftliche Problematiken zu verhandeln, wie die unmittelbaren Folgen des Weltkriegs. Man denke an den im zerstörten Wien spielenden Klassiker Der Dritte Mann (1949). Moderne Interpretationen wie Bladerunner setzten sich neben düsteren Detektivgeschichten mit Digitalität und Konsumismus auseinander.
Nightmare Alley borgt sich den Look, bleibt aber eine geradlinige Geschichte über den Aufstieg und Fall eines Kleinkriminellen mit gelegentlichen Blicken auf extreme (physische wie psychische) Gewalt. Für manche internationale Pressestimmen war das etwas zu dünn, um sich über die gesamte Spiellänge zu halten. Tatsächlich verlangt die Laufzeit von zweieinhalb Stunden viel Sitzvermögen.
Trotzdem können wir die Kritik nicht vollends teilen. Das liegt nicht zuletzt an der visuellen Ausgestaltung. Nicht nur hat del Toro offensichtlich viel Budget für aufwendige Sets und Kostüme bekommen. Er weiß sie ebenfalls stimmungsvoll in Szene zu setzen. So bewegt sich die Story zwar langsam, aber wir wurden stellenweise dennoch in den Bann ihrer Welt gezogen. Seien es die modrigen Geisterbahnen, altmodischen Karusselle oder gruseligen Geek-Shows des Jahrmarkts – alles selbstverständlich bei schlechtem Wetter. Oder später die luxuriösen Bühnen und verschneiten Gassen und Friedhöfe. Zumal der Cast durchweg überzeugt, vor allem Cooper als schmieriger Gauner, oder Dafoe als besonders mieser Schausteller.
Nightmare Alley wird künftig zwar vermutlich nicht mit großen Film Noir-Klassikern in einem Satz genannt werden. Wer einen klassischen Krimi sucht und grundlegend vom Look aus den Trailern angetan ist, kann seinen Kinoabend aber auch schlechter verbringen. Wer wiederum mit del Toro’s Handschrift oder dem 1940er Setting ohnehin nichts anfangen kann, wird vermutlich gelangweiligt. Wie viel Unterhaltung der Streifen bietet, hängt letztlich davon ab, wie sehr man sich in seine Welt versetzen kann und will.
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Der Redakteur (APA, Helden der Freizeit) und Videospiel-Blogger reviewed für uns vor allem Games, Serien und Filme - ist aber auch so manchem Naturausflug nicht abgeneigt.