In seinem Regiedebüt Monkey Man feuert der britische Schauspieler Dev Patel aus vollen Rohren und bietet einen fast perfekten Actionthriller.
von Susanne Gottlieb, 5. 4. 2024
Es mag zwar nicht John Wick sein. Aber es macht mindenstens genauso viel Spaß. Dev Patel, der britische Darsteller der mit Danny Boyles Slumdog Millionär seinen internationalen Durchbruch hatte, und seither verlässlich kleine, aber feine Hits geliefert hat, gibt sein Regiedebüt und stylt sich zum Actionstar. Warum du den Film auf keinen Fall verpassen solltest, erfährst du hier.
Ob der nächste Kino-Monat auch ganz viel Action parat hat, verrät dir diese Mai-Übersicht.
In einer ungenannten indischen Großstadt lebt der Ringkämpfer Kid (Dev Patel), der regelmäßig als Monkey Man manipulierte Kämpfe gewinnt, um gemeinsam mit Ring-Manager Tiger (Sharlto Copley) fleißig daran zu verdienen. Das Geld braucht er für eine Waffe. Denn Kid ist auf Rache aus. Einst zerstörten der Polizeichef Rana (Sikandar Kher) in Zusammenarbeit mit der Industriellen Queenie (Ashwini Kalsekar) und dem spirituellen Führer Baba Shakti (Makarand Deshpande) sein von einer niederen Kaste bewohntes Heimatdorf im Wald, um großindustrielle Projekte dort zu verwirklichen. Dabei kam auch seine Mutter Neela (Adithi Kalkunte) zu Tode.
Zuerst fehlt es dem von Vergeltung getriebenen Hitzkopf aber noch an Kondition und Planung. Diese muss er sich nach einigen brillanten Schachzügen, wie dem Einschleusen in Queenies Betrieb (aber auch einigen weniger geglückten Konfrontationen mit Gegnern) noch aneignen. Womit er jedoch nicht gerechnet hat ist, dass er für die einfachen Menschen, für die Vertriebenen und Armen langsam zu einem Held wird. Einem Rächer, der ihnen ihre Würde und ihre Stimme zurück gibt.
Man muss Dev Patel lassen, dass er für ein Regiedebüt ganz schön nah an Perfektion gekommen ist. Ursprünglich gar nicht für einen Kinostart geplant, war es Jordan Peele, der nach einer frühen Sichtung meinte, das Ganze wäre einer Leinwand würdig und sich zum Produzenten aufschwang. Und da hat er durchaus recht. Vergleiche mit John Wick, einer mörderischen Ein-Mann-Armee, die in poetisch-verspielten Bildern in den Krieg gegen die Bösen zieht, mögen zwar nahe liegen. Und vielleicht lässt es sich auch am ehesten als solches umschreiben.
Aber Patel macht durchaus sein eigenes Ding. Baut immer wieder Verschnaufpausen ein, um Kontexte und politisch-gesellschaftliche Kritik anzureißen. Denn im Endeffekt ist der Film auch eine Abrechnung mit dem indischen Klassensystem. Dem religiösen Dogma und der Mystifizierung, die als Vorwand gegen andere missbraucht werden, um seine eigenen Interessen zu verfolgen. Und der Kluft zwischen Arm und Reich, der Anbiederung an den Westen auf Kosten der eigenen Menschen. Die Figur des Kid ist nicht einfach ein stylischer Gangster der viel “Porzellan kaputttrampelt”. Er ist eine fein polierte Rachefantasie.
Diese komplexen Themen sind auch die Kruz des Films. Grundsätzlich spricht nichts gegen ein Filmerlebnis, in dem die Handlung einem nicht alles vorkaut, und man selbst aus dem Gesehenen Schlüsse ziehen muss. Jedoch ist die erste Stunde etwas zu hektisch und schlägt zu sehr um sich, so dass es schwer fällt, dem Geschehen zu folgen. Die poetische Stream-of-Conscious-Erzählweise, die Patel hier entfaltet, wie ein Fiebertraum der Rache, braucht etwas, um von wackligen Füßen zu einer Balance zu kommen. Das macht sich dann aber vor allem in der zweiten Hälfte bezahlt.
Wo vorher noch Trauma, Traumsequenzen und schneller Szenenwechsel dominierten, wird es hier wirklich blutig-provokant. Die Gewaltorgien sind durchgestylt, die Eloquenz der Figuren und ihr Auftritt bestens getimed. Hier liefert der Film endlich jenen Actionkracher, den er einem zu Anfang versprochen hat. Getüncht in Rot, Violett und dem Grau-Braun-Schwarz der Straßen ist der Film eine Sinfonie der Sinne, ein Ritt, der einen keine Minute los lässt. Das Tor zu passieren, das einen in diese Welt hineinfallen lässt, ist leider die einzige Hürde.
Monkey Man ist knapp dran an dem perfekten Actionfilm und verspricht noch viel Großes von Regisseur und Hauptdarsteller Dev Patel.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.