Regisseur Sam Levinson, Spross des oscarprämierten Barry Levinson (u.a. Rain Man), ist wegen der teils schlechten Kritiken für sein Vorgängerwerk Assassination Nation wohl schwer verletzt gewesen. Sein in COVID-19-Isolation gedrehtes Drama Malcolm & Marie ist, neben dem Anspruch ein Beziehungsdrama zu sein, vor allem eine privilegiert-arrogante Abrechnung mit dem Business. Unser Review zum Netflix-Start.
von Susanne Gottlieb
4. Februar 2021: 2018 war es, da schrieb LA Times Kritikerin Katie Walsh eine vernichtende Kritik über Sam Levinsons Assassination Nation. Sie nannte es “ausbeuterischen Horror, der die Dreistigkeit hat, uns über Grrrl Power zu belehren.” Sam Levinson, Nachwuchs des versierten Hollywoodregisseurs Barry Levinson, und daher wohl eher auf die Butterseite des Business gefallen, schien das nicht sonderlich zu gefallen. Schon vorab hatte er sich bei Q&A beschwert, dass man seine “Kunst” nicht verstehen würde. Nun hat er die schwer traumatische Ablehnung seines Films (immerhin 74% Fresh auf Rotten Tomatoes, aber nur ein 56 Score auf Metacritic, was gemischte bis negative Reaktionen bedeutet) in einem Film verarbeitet.
In Malcolm & Marie, schimpft sein persönliches Stand in Malcolm, dargestellt vom Schwarzen John David Washington (der Star aus Tenet – hier unsere Kritik), was die ganze Thematik um “racial politics” in dem Film nochmals umso bizarrer macht, dann ziemlich ausgiebig auf diese “Bitch” von der LA Times. Aber das ist leider nicht einmal die einzige Schwachstelle des Films. Was Levinson hier liefert ist letztendlich ein seichtes, prätentiös gefilmtes Beziehungsdrama, das nur allzu bittend schlechte Kritiken herausfordert.
Wir verraten euch, warum ihr den Film, der am 5. Februar auf Netflix startet, nicht unbedingt sehen müsst.
Der Filmemacher Malcolm (Washington) und seine Freundin Marie (Zendaya) kehren nach der erfolgreichen Premiere seines jüngsten Films in das von der Produktionsfirma zur Verfügung gestellte Haus zurück. Nun beginnt das Warten auf die ersten Kritiken. Während Malcolm bereits darauf zu schimpfen beginnt, dass der Film, der reine Unterhaltung sein soll, aufgrund seiner schwarze Hautfarbe sicher als Gesellschaftskritik interpretiert werden wird, wird schnell klar, dass auch der Haussegen zwischen ihm und Marie schief hängt. Diese ist böse auf ihn und bald stellt sich heraus, er hat sie in seiner Dankesrede auf der Bühne vergessen. Vor allem, da die Hauptfigur auf ihr basieren würde. Es entsteht ein Streit zwischen den beiden, der erste in einem langen Reigen aus toxischen Anklagepunkten. Oszillierend zwischen Diskriminierung, Narzissmus, toxischen Machtverhältnissen und dem Hass auf die Filmkritik-Industrie, beginnen die beiden sich immer tiefer mit bösen Wahrheiten zu verletzen.
This ain’t Virginia Woolf. Gegeben der Intimität einen einzigen Schauplatz zu haben und nur einen an einer Hand abzählbaren Cast liegt die ganze Wucht der Geschichte im Drehbuch. Viele Meister haben in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass man so durchaus einen spannenden Film drehen kann. Sam Levinson entgleiten hier aber regelmäßig die Zügel. Das fängt schon mit gestalterischen Details an. Das Schwarz-Weiß mag zwar etwas versucht artsy wirken, geht aber noch aufgrund der gut gelungenen Optik durch. Oft ermüdend ist aber die oft wackelige Kamera, die viel zu vielen Close-ups der Figuren und der etwas hektische Schnitt zu Beginn. Hier fand eindeutig ein Versuch statt, Dynamik rein zu bringen, besonders erfolgreich war er nicht.
Doch wo es wirklich hapert ist das Drehbuch. Levinsons Handlung ist flach und unglaubwürdig. Erzwungener Konflikt, der sich wie nach einer Uhr richtend alle paar Minuten aufflammt und in exzessiven Monologen endet. Dass das Ganze nur ansatzweise spannend bleibt, liegt vor allem an den Darstellern, die hier das Meiste aus dem Material herausholen. Vor allem Zendaya glänzt in der Rolle, ihre Verletztheit als vom Leben gezeichnete Marie bricht aus allen Facetten ihrer Mimik heraus. Washington glänzt ebenfalls durch sein physisch aufgewühltes Spiel, wird aber von den banalen Dialogen, in denen er als Vehikel von Levinsons Gedanken dient, heruntergezogen.
So beschwert sich Malcolm, unter anderem neben der Filmkritik-Geschichte, vor allem über die Sonderbehandlung, die er als schwarzer Filmemacher von der Branche bekommt. Zunächst bringt Levinson hier ein paar gute Punkte. Dass die Filmkritik-Branche zu weiß ist, dass hier Bedeutungen in etwas reingeladen werden, was so nicht gedacht war. Dass er in seiner Arbeit nur mit schwarzen Regisseuren verglichen wird. Aber diese Punkte wandeln dann sofort um in privilegiertes Geraunze. Niemand würde ihn verstehen. Eine positive Kritik zerreißt er in der Luft. Man fragt sich zum Teil wirklich, warum Marie sich in so einer toxischen Beziehung abmüht.
Auch die Tatsache, dass das Skript von einem weißen Mann geschrieben wurde, um schwarze Lebensrealitäten abzubilden, mutet zum Teil etwas komisch an. Levinson lässt Malcolm zwar schimpfen, dass alles politisch interpretiert werden würde, aber sein Film ist ironischerweise auch genau das. Vielleicht wollte er die Kritikerzunft damit herausfordern, genau das zu schreiben, was er ihnen vorwirft. Aber wie es so schön heißt: “Wenn ich einen Vogel sehe, der wie eine Ente geht und wie eine Ente schwimmt und wie eine Ente quakt, nenne ich diesen Vogel eine Ente.”
Auf der positiven Seite, Levinson hat auch ein paar gute Elemente eingebaut. Sobald sich die Handlung der problematischen Dating Geschichte ihrer Figuren zuwendet, verbunden mit den superben Interpretationen der Dialoge, dann bebt der Bildschirm. Aber Malcolm & Marie konzentriert sich dann doch lieber auf verwundete Egos.
Es ist natürlich schade, dass Levinson so verletzt von alten Kritiken war. Allerdings stellt sich die Frage, ob es wirklich notwendig war, seinen inneren Dämonen einen ganzen Film zu widmen.
In unserem Seher-Bereich findest du noch mehr Reviews zu Filmen und Serien und ob wir sie euch empfehlen können:
Fate: The Winx Saga Kritik – Hier springt kein Funke über
Der weiße Tiger: Starker Einblick in Inden Gesellschaft
One Night in Miami: Meisterhafte Bühnenstück-Adaption
Bilder: © 2021 Netflix
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.