Mit Loki hat die dritte Marvel Serie auf Disney+ ihre Premiere. Nach Scarlet Witch, Falcon und dem Winter Soldier darf nun der Gott des Schabernacks sein eigenes Abenteuer erleben. Nachdem der Timeline-korrekte Loki in Avengers: Infinity War verstorben ist, darf seine in Endgame ausgebüchste Variante als Alternativ-Entität das Zepter übernehmen. Wir verraten euch, ob sich dieses Austricksen der Zeit gelohnt hat.
von Susanne Gottlieb
13. Juni 2021: Seit seinem ersten Auftritt in Thor (2011) hat sich der nordische Gott des Schabernacks, Loki, in seiner Marvel Interpretation in die Herzen der Fans gespielt. In allen bisherigen drei Thor Filmen als zweite Geige zum hammerschwingenden Protagonisten, war es nur eine Frage der Zeit bis sich die Aufmerksamkeit einmal auf ihn konzentrieren würde. Nach einem frühen Tod in Avengers: Infinity War (2018), darf er nun in einer frühere Inkarnation zurückkehren. Und stellt mit seiner Geschichte anscheinend die Weichen für die Phase 4 des MCU. Immerhin verstößt er mit seiner Flucht mithilfe des Tesserakts in Avengers: Endgame (2019) gegen die “sacred timeline”. Die Konsequenzen davon könnte die Entwicklung von zerstörerischen Mächten eines Multiverse sein. Und wer sich schon ein bisschen schlau gemacht hat, der weiß dass Spiderman: No Way Home und Doctor Strange: Into the Multiverse nicht gerade auf einer Zeitachse verlaufen werden ….
Seit Mittwoch, dem 9. Juni ist Loki auf der Streaming Plattform Disney+ zugänglich. Gleich am ersten Tag hat sie mit 900.000 Aufrufen in den USA einen neuen Disney+ Startrekord aufgestellt. Wir verraten euch, was sich nach Sichtung der ersten Folge über die Serie sagen lässt und wie unser vorläufiges Urteil aussieht.
Kampf um New York, 2012: Die Avengers haben gerade Loki (Tom Hiddleston) und seine außerirdischen Schergen besiegt. Eigentlich sollte Loki nun ins Gefängnis auf Asgard wandern, wo er bis zu den Ereignissen von Thor: The Dark World (2013) einsitzt. Doch wie bekannt reisen die Avengers zur gleichen Zeit durch die Vergangenheit, um die von Thanos in der Zukunft zerstörten Infinity Stones einzusammeln, um die geblipten Menschen zurückzuholen. Dabei kommt es zu einem taktischen Missgeschick und vor Loki fällt der in The Avengers (2012) so heiß umkämpfte Tesserakt. Er kann sich ihn schnappen und zappt sich weg.
Während sich Avengers: Endgame weiter auf den finalen Kampf gegen Thanos konzentrierte, erfahren wir nun, wie es mit Loki weitergeht. Dieser landet erst einmal in der Wüste Gobi. Dort möchte er sich die nomadische Bevölkerung gleich einmal Untertan machen, als plötzlich eine Gruppe bewaffneter Soldaten durch ein Portal tritt. Diese sind Agenten der TVA – der Time Variance Authority. Loki hat mit seiner Flucht gegen die “sacred timeline” verstoßen. Dies ist die eine vorgegebene wahre Zeitachse. Deren Wahrung ist die Aufgabe der TVA, den jeder Verstoß könnte das Tor zu einem alles verschlingenden Multiverse aufmachen, in der die Zeitebenen erneut gegeneinander konkurrieren.
Loki wird vor ein Gericht in der TVA gebracht. Doch bevor er zu einem “Reset” verdonnert wird, fängt ihn der TVA Agent Mobius M. Mobius (Owen Wilson) ab. Dieser möchte Loki sein Schicksal ersparen, indem er ihm ein Angebot macht. Zurückkehren auf die Erde kann er als Anomalie der Zeitachse, als “Variant”, wie diese Verstoßenden genannt werden, nicht mehr. Aber Mobius, der sich auf die Jagd von gefährlichen Varianten spezialisiert hat, könnte Hilfe gebrauchen. Eine besonders gefährliche Variante gefährdet nicht nur die “sacred timeline”, sondern auch die Agenten der TVA selber. Und diese steht Loki näher als ihm vermutlich lieb ist.
Macht Loki Spaß? Gewiss. Tom Hiddleston ist charmant wie immer, und die schräge Energie von Owen Wilson, irgendwo zwischen Massenunterhaltung und Wes Anderson Bizarrheit macht sich gut im MCU. Doch Loki flirtet auch mit den Fringe Elementen des Universums, taucht eventuell zu viel in eine selbstreferentielle Geschichtenerzählung ein. Dass Figuren wie Mobius M. Mobius in den Comics wirklich existieren muss gesagt werden. Aber zumindest in der ersten Folge fehlt ein wenig der Bezug zur Welt, zu einer richtigen Geschichte. Das exzellente Wandavision setzte sich mit Schmerz und Trauma auseinander. Das etwas schwächere Falcon and the Winter Soldier mit Diskriminierung, Race und falschen Idealismus.
Was Loki eigentlich will, außer den Protagonisten wieder einmal bei seinen gewitzten Auswüchsen zu beobachten, ist vorerst noch nicht ausgereift. Offensichtlich sollen hier Fragen von Identität und freien Willen gestellt werden, diese Überlegungen sind zu aufgesetzt, als dass sie sich natürlich aus der Handlung ergeben würden. Enttäuschend wäre es, wenn die ganze Serie nur eine Steilauflage für das Multiverse der Phase 4 wäre.
Und so ist Loki zunächst noch rund 50 Minuten an Exposition, in der das eigentliche Leben des Loki in der Haupt-Timeline Revue passiert, diskutiert und debattiert wird und die TVA als übermächtige Institution über das alles bisher gesehene präsentiert wird. Selbst Varianten der Infinity Stones haben hier keine Macht und werden höchstens als Briefbeschwerer benutzt. Und dann ist da noch das Ende der Episode. Man darf gespannt sein ob Michael Waldron hier noch mit dem einen oder anderen spannenden Twist aufwarten kann, doch wie bei so vielen Zeitreise-Geschichten scheint sich das Material zunächst noch auf eine vorhersehbare selbst erfüllende Prophezeiung hinzubiegen.
Was auf jeden Fall schon positiv ins Auge sticht, ist die Detailverliebtheit des Production Designs und die gelungene Entscheidung, hier nicht auf eine futuristische Ausstattung zu setzen. Als Hüter der Timeline, des Gestern, Heute und Morgen, macht es Sinn, dass auch die Welt und die Technologie der TVA nicht an eine Zeit gebunden ist. Hier wird sowohl mit Smartphone-artigen Geräten hantiert, als auch mit 8-Bit Röhrencomputern- und fernsehern. Der Drucker wirkt mit seinen klotzigen Buchstaben und den gelöcherten Rändern wie frisch aus den 80ern, die Wände sind im 70er Jahre Stil voller bunter Kacheln oder schwerer Ockertöne, und auch das Colour Grading strahlt ein wenig schwerer als man es von modernen Produktionen gewohnt ist.
Die TVA ist somit gut durchdacht und wird auch schonend in dieses bereits sehr ausgeprägte Universum eingeführt. Ein Luxus, den die kommenden Kinoblockbuster wohl nicht haben, wenn man bedenkt wie wichtig Zeitachsen für diese noch werden sollen. Und doch reicht dies noch nicht aus, um hier wirklich Begeisterung aufkommen zu lassen. Dennoch, zumindest die Chemie zwischen Hiddleston und Wilson stimmt, und es macht Spaß den beiden zuzusehen, wie sie sich gegenseitig den Ball zuschieben.
Loki ist nicht so schabernackliebend, wie es die Titelfigur eigentlich verlangen würde. Für die Phase 4 des MCU aber wohl unverzichtbar es nicht gesehen zu haben.
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Fotos: © 2021 Walt Disney
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.