Wie schon sein Vorgänger überzeugt Little Nightmares 2 mit kreativen wie schaurigen Albtraumwelten und -wesen. Dabei hält uns nicht nur die subtile Gesellschaftskritik am Ball, sondern auch neue Rätselmechaniken, die aber teilweise für Frust sorgen. Wie sich Little Nightmares 2 im Test schlägt, verraten wir hier.
von Sophie Neu
15. Februar 2021: Schon 2017 zeigte das schwedische Tarsier Studios mit dem ersten Teil von Little Nightmares, welche albtraumhaften wie faszinierenden Konzepte sie in einem fesselnden Spiel umsetzen können. Mit dem zweiten Teil des Horror-Adventures legen sie jetzt nochmal nach und liefern eine spannende wie unheimliche Geschichte, der es nicht an düsteren Twists mangelt. Dabei ist unser neuer Spielcharakter Mono diesmal um einiges wehrhafter und nicht ganz allein in der gruseligen Welt unterwegs. Warum das manchmal funktioniert und manchmal zur Geduldsprobe ausartet.
Genau wie Six aus Teil 1 der Little-Nightmares-Reihe, sind wir auch in Teil 2 auf der Flucht. Wohin? Das wissen wir bis zum Schluss nicht ganz genau. Aber klar ist für unseren Spielcharakter Mono: Überall muss es besser sein als im modrigen Sumpf, aus dem wir gemeinsam mit einem zunächst namenlosen gleichaltrigen Kind entkommen. Wer hätte ahnen können, dass jenseits des grauen Meeres, auf dem wir davontreiben, eine noch viel modrigere, farblosere Großstadt voller Monster auf uns lauert? Der einzige Weg bleibt der nach vorne, durch die verfallenden Häusertürme mit all ihren Gefahren. Immerhin haben wir eine Begleiterin, mit deren Hilfe wir auch die riskantesten Situationen überleben können.
Little Nightmares 2 überzeugt vor allem mit seiner fantastischen Welt, die ihren eigenwilligen, wie unheimlich genialen Stil konsequent beibehält. Wer sich umsieht, der entdeckt in den vielen Räumen der Stadt immer wieder Hinweise auf den ersten Teil des Spiels. Aber auch neue gruselige Elemente werden inkorporiert. Statt durch die Kombüse des monströsen Schiffs aus Teil 1, schleichen wir jetzt etwa durch ein finsteres (fast) verlassenes Krankenhaus. Nur mit einer Taschenlampe ausgestattet verteidigt sich Mono gegen die unheimlichen, aber lichtscheuen Puppen-Patienten und löst Rätsel. Ganz innovativ sind die nicht unbedingt – mal muss ein Schlüssel gefunden, mal eine Sicherung eingesteckt werden. Aber das macht die Kooperation zwischen Mono und seinem Mitstreiter wett. Werfen wir ihr durch eine geschlossene Gittertür die fehlende Sicherung zu, dann macht sich die schlaue Begleitung gleich daran, diese in die Aussparung im Sicherungskasten einzusetzen.
Ganz schön schlau ist auch die Geschichte rund um Mono und seinen Freund erzählt. Sie kommt ganz ohne Dialoge aus – nimmt man mal das aufgeregte Gekreische einiger Monster untereinander aus, wenn sie uns erspähen. Statt großer Worte setzt Tarsier Studios lieber auf große (Bewegt-)Bilder. Manchmal ganz subtil auch über die Spielmechaniken, wenn Mono und seine Begleiterin sich händchenhaltend vor dem grausamen Jäger im hohen Gras verstecken. Manchmal aber auch ganz direkt über die Spielwelt, wenn die Monster mit ihren leeren Gesichtern am brummenden TV-Bildschirm kleben. Dabei kommt man nicht umhin, zu bewundern, wieviel Detailverliebtheit in jeder Szene steckt, durch die wir von links nach rechts mit Mono laufen. Hier tröpfelt der Regen durchs undichte Dach. Da liegen ein paar leere Kleidungsstücke an der Bushaltestelle.
Aber trotz einiger sehr offensichtlich gesellschaftskritischer Elemente in der Großstadt, lässt das Horror-Adventure vor allem in Sachen Story sehr viel Spekulations-Spielraum. Nach und nach bestätigen sich im Verlauf der Geschichte einige unserer Theorien. Aber trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – hat Little Nightmares II so einige unerwartete Wendungen, die uns immer weiter zu neuen Spekulationen anheizen. Das liegt vielleicht auch am sehr stringenten Erzähltempo. Hier wird nicht lange mit Nebenquests herumgefackelt. Stattdessen zieht uns das Horror-Adventure immer weiter in den Strudel seiner faszinierenden Erzählung hinein.
Dieses erzählerische Erlebnis wird nur durch einige neue Mechaniken getrübt, die nicht ganz so gut umgesetzt wurden. Zwar ist es erstmal ziemlich cool, wenn Mono sich einen riesigen Hammer schnappt und ihn schwerfällig auf Gegner niederschwingt. Das Treffen dieser artet aber in vielen Situationen zum Glücksspiel aus. Denn rein perspektivisch ist es bei Little Nightmares 2 oft schwierig, die Raumtiefe richtig einzuschätzen. Stehen die Gegner nur links oder rechts von uns, sind sie schnell erwischt. Aber sobald sie tiefer in den Raum hineinkrabbeln, wird es zu einem Ding der Unmöglichkeit, die Distanz zu ihnen und die Länge unserer Waffe (die dann nicht mehr ganz zu sehen ist) richtig abzuschätzen.
So kann eine eigentlich kurze Passage, bei der wir mehrere Gegner hintereinander besiegen müssen, schnell zur Geduldsprobe werden. Denn ein Fehler und sie stürzen sich auf uns. Gleiches gilt auch für die Steuerung der Taschenlampe. Auch mit dem im Vorhinein empfohlenen Controller ist der eigentliche Kampf nicht der gegen die Gegner, sondern mit der Steuerung. Glücklicherweise halten sich diese mühsamen Passagen in Grenzen.
Mit Little Nightmares 2 liefert Tarsier einen würdigen zweiten Teil zu ihrem Gruselhit. Auch wenn es bei der Einführung neuer Mechaniken, wie den Kämpfen, noch etwas hapert, so macht das Horror-Adventure noch mehr Spaß als sein Vorgänger. Sowohl die gruselig-geniale Spielwelt als auch die verstörende Story trumpfen noch einmal ordentlich auf und liefern ebenso viele Antworten wie neue Fragen über die Heldin aus Teil 1.
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Bilder: ©Bandai Namco/ Tarsier Studios
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.