Ein schrecklicher Unfall erweckt etwas im jungen Daniel. Nein, nein, ich versprech’s das ist kein Horrorfilm oder –spiel. Als sein großer Bruder Sean ist es deine Aufgabe für ihn da zu sein und ihn vor der Welt zu beschützen. Aber auch, wenn es notwendig ist, die Welt vor ihm zu beschützen. In der neuen Staffel von Life is Strange machen wir uns auf eine Reise. Aber lohnt sich der Trip? Unser Test.
von Christoph Geretschlaeger
7. Oktober 2018: Bevor es zu dem traumatischen Zwischenfall kommt, lernen wir Sean kennen. Ein typischer Teenager, mit typischen Teenager-Problemen. Beste Freundin Lyla hilft zwar mit den Mädels, aber das macht‘s nicht immer leichter. Für die Party am Abend klappert Sean das Haus nach Süßigkeiten und Alkohol ab. Zwischendurch machen wir eine Pause auf Sofa oder Beanie-Bag und nutzen die Zeit um zu Malen oder etwas zu Reflektieren. Untermalt von einem geradezu kitschigen Mix aus Indie Rock bzw. Folk, der schon im ersten Life is Strange-Teil für Furore sorgte (zum Reinhören hier klicken).
Seit 27. 9. läuft Life is Strange 2. Unser Review nach der ersten Episode:
Jäh gestoppt wird die Idylle, zuerst von einem Absturz auf meiner PS4 Pro, und dann von Geschrei aus dem Vorgarten. Was hat unser nerviger kleiner Bruder schon wieder angestellt? Ereignisse überschlagen sich und aus der Party am Abend wird ein unfreiwilliger Campingausflug.
Was ist passiert? Die Mystery im Hintergrund treibt die Geschichte voran und hält mich bei der Stange. Doch zuerst brauchen wir einen Schlafplatz für die Nacht. Wir, also Sean eigentlich, müssen auf unseren Bruder aufpassen, schauen, dass ihm nichts zustößt. Oder können ihn aufs Gesicht fallen lassen, wie (laut Statistik am Ende) 30 % der anderen Spieler. Zu meiner Verteidigung, ich hab den Knopf nicht aufleuchten gesehen. Gemeinsam versuchen die Brüder in der Wildnis zu überleben. Hört sich an wie ein Roadmovie, und wird es dann auch. Die erste Folge heißt ja auch nicht umsonst “Roads”.
Ich würde ja gerne sagen, dass Entscheidungen Konsequenzen haben, die ganze Prämisse dieser „neuen“ Machart von Adventure-Games. Jedoch wirken viele Entscheidungen in Life is Strange 2 mehr wie Geschwindigkeitsmugel, denn als Umleitungen oder gar Abzweigungen.
Wenn aber sogar die friedlichste Auswahl unmittelbar zum Konflikt führt, muss sich ein ganzes Genre hinterfragen. Viele Pfade dienen nur zur Ausschmückung der fantastischen Kulisse des Pacific Northwest im Bundesstaat Washington(den meisten wohl spätestens ein Begriff seit dem brillanten Filmdrama Into the Wild). Übrigens auch Schauplatz der ersten Staffel. Wobei gegen Ende der Folge Dinge in Gang gesetzt werden, die implizieren, dass ein Tapetenwechsel ansteht.
Nicht so fantastisch sind generell die Animationen: besonders Armbewegungen und auch der bloße Gang der Jugendlichen, und im Speziellen die Gesichter. Im Versuch die Engine weiter aufzubohren ist die Nahbarkeit auf der Strecke geblieben. Zu unlesbar ist der Ausdruck in den Gesichtern. Die völlig asynchronen Lippenbewegungen tun ihr Übriges. Leuten beim Reden zusehen, ein großer Teil des Spiels, macht so keinen Spaß.
Ein bisschen paranoid hat mich die relative Kürze der Folgen des ersten Life is Strange gemacht. Denn ungefähr ab Minute 60 fühlt sich jeder Szenenwechsel wie das Episoden-Ende an. Szenen wirken zu abgeschlossen, kaum fließende Übergange. Ich hatte immer wieder Flashbacks zum ewigen Ende von Herr der Ringe – Rückkehr der Königs. Nur, dass die erste Folge von Life is Strange 2 mit rund 2,5 Stunden Spieldauer, noch immer eine Stunde kürzer ist.
Nachdem Telltale Games (u. a. The Walking Dead und Tales of the Borderlands) vor ein paar Wochen zugesperrt hat, hält Entwickler Dontnod eisern die Adventure-Flagge hoch. Das mit The Walking Dead revitalisierte Genre bekommt mit Life is Strange 2 einen soliden Eintrag. Das Gameplay ist vertraut und die Grafik stilistisch passend. Leider sind die Animationen und auch die Sprecher nicht so überragend wie im ersten Teil. Das schmälert die Freude am Spielen deutlich. Viele Elemente werden einem aus der ersten Staffel bekannt vorkommen. Aber das Spielen ist überhaupt keine Voraussetzung.
Leider hatte die erste Folge, trotz der Kürze, oft Längen. Nur dank der schon geweckten Neugier und der nicht allzu unchristlichen Uhrzeit, hab ich es auf einen Satz durchgespielt. Sonst hätte ich es vielleicht beiseite gelegt, und wie den übrigens großartigen DLC zu Life is Strange 1, Before the Storm, nie wieder angefasst. Das werd’ ich jetzt machen, während ich auf die zweite Folge warte.
Die erste Episode von Life is Strange 2 ist am 27. September erschienen. Weitere vier Folgen erscheinen in den nächsten Monaten. Die komplette Staffel ist für Playstation 4, Xbox One und Windows jeweils um knapp 40 Euro erhältlich.
In unserer Spieler-Rubrik verwöhnen wir euch auf heldenderfreizeit.com mit Tests, News und Storys zu den besten Games. Bookmarke schon mal unsere Seite.
Alle Bilder (c): Square Enix
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.