Ausborgen statt neu kaufen: Raum dafür bietet der Leihladen Leila. In der Bibliothek der Dinge kannst du Dinge günstiger leihen als irgendwo sonst und somit aktiv weniger Ressourcen nutzen. Über das Konzept, die Gegenstände und die Menschen hinter dem Projekt – Anatina Riester im Interview über unsere Held:innen des Monats.
von Verena Fink
Bücher kann man sich in der Bücherei ausborgen, das Konzept kennen die meisten. Und wenn man ein Federballspiel für ein Schönwetter-Wochenende besorgen will oder eine Popcornmaschine für den Mädelsabend? Genau da kommt das Projekt Leila ins Spiel: anstatt alles neu zu kaufen und dann in der Ecke verstauben zu lassen, Dinge, die man nicht zu oft braucht, doch einfach ausleihen. Das Prinzip: Gemeinschaftliche Nutzung von Gegenständen schont die Umwelt, spart Geld, schafft Platz und bietet auch die Möglichkeit, neue Sachen auszuprobieren.
Wir haben uns mit Anatina Riester, eine der ehrenamtlichen Mitarbeitenden des Vereins, getroffen. „Es ist ein Freizeitprojekt“ erzählt sie uns. Meine Frage: „Gibt es unnötige Gegenstände?“ verneint sie lachend: „Gibt es natürlich nicht! Jeder unserer Gegenstände hat seinen Zweck und bringt irgendwo, irgendwem einen Nutzen.“ Unsere Held:innen des Monats im Interview darüber, wie der Leihladen funktioniert, warum er wichtig ist und welche Visionen dem Team in Zukunft vorschweben. Einen kleinen Einblick in Leila haben wir außerdem für dich auf Tiktok und Instagram aufbereitet.
Ich heiße Anatina und im Prinzip gibt’s beim Leila relativ wenig Hierarchien. Es macht jede:r den Bereich der ihr:ihm Spaß macht. Ich kümmere mich um die Kommunikationsagenden, wie zum Beispiel Interviews *lacht* – weil ich vom aktuellen Team nun am längsten dabei bin.
Seit 2014. Leila wurde im Rahmen eines Seminars an der Boku entwickelt und daraufhin gegründet. Leila war immer schon im 16. Bezirk, das ist jetzt aber schon unser 3. Standort, da wir schon zwei mal umgezogen sind. Das Gründungsteam ist in der Form nicht mehr aktiv.
Die Idee für diesen Leila war vom Konzept her ähnlich wie beim Leila in Berlin. Es geht darum, einen Ort zu schaffen, an dem Leute die Möglichkeit haben, aktiv weniger Ressourcen zu nutzen. In der Stadt macht das viel Sinn, weil die Menschen tendenziell eher wenig Lagerraum haben und auch die Anonymität viel größer ist als auf dem Land. Da geht man eher zum Nachbarn und fragt nach einem Gartenschlauch oder Rasenmäher.
Es geht darum, einen Ort zu schaffen, an dem Leute die Möglichkeit haben, aktiv weniger Ressourcen zu nutzen.
Anatina über Leila
Grundsätzlich kann uns jeder Dauerleihgaben zur Verfügung stellen oder auch privat spenden. Zieht man zum Beispiel um und mistet aus, kann man Sachen zu uns bringen, wenn sie funktionstüchtig sind und wir von den Dingen glauben, das andere Leute auch einen Nutzen davon haben könnten. Wir kaufen auch, teilweise gebraucht, teilweise neu – wenn das Budget da ist – und wenn es Wünsche gibt, das passiert hin und wieder. Dass Mitglieder uns sagen, ich würde mir gerne dies und das ausleihen aber mir ist die Neuanschaffung zu teuer und ich werde es vermutlich nur einmal brauchen.
Wir haben auch eine Kooperation mit der MA48, wo wir uns auch hin und wieder Gegenstände ausleihen können, die wir als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt bekommen anstatt, dass sie in den Verkauf gehen. Das sind dann Second-Hand-Teile oder alte Überschussbestände.
An sich ist die Mitgliedschaft kostenlos, man muss Mitglied werden, um ausleihen zu können. Man muss nur zahlen, wenn man sich einen Gegenstand ausleiht. Manchmal hat man mehr Zeit, sich Sachen auszuleihen und manchmal nicht, deshalb gibt’s Kosten pro Tag pro Gegenstand. Höherwertige Gegenstände sind hochpreisiger, nicht unbedingt, weil sie mehr gebraucht werden oder öfters ausgeliehen werden, sondern weil sie aufgrund der Qualität und auch in der Wiederbeschaffung teurer wären. Über die Leihkosten finanzieren wir das Projekt.
Zwei- oder dreimal ist es schon passiert, dass uns ein Gegenstand abhanden gekommen ist. Das war sehr schade, weil die hochpreisig waren. Aber dafür, dass es uns schon über 10 Jahre gibt, ist das nicht wirklich oft.
Ja, es gibt auch günstigere Sachen. Zum Beispiel Freizeitgegenstände, also Federball, Diavolo, Boccia zum Beispiel, dann gibt es auch höherpreisige Werkzeuge. Der Bohrhammer kostet in der Beschaffung einen guten dreistelligen Betrag. Man kann sich das theoretisch auch beim Baumarkt ausleihen, da sind allerdings die bürokratischen Hürden höher und da zahlst du für drei Stunden so viel, wie du bei uns für eine Woche zahlen würdest. Das können sich nicht alle leisten.
Wir haben ein ganz gutes Camping-Grundsortiment: Zelte, Schlafsäcke, Luftmatratzen, Isomatten, Campinggeschirr, Gaskocher, Griller. Dazu auch viele Hobbysachen, zum Seife machen oder zum Popcorn machen … es geht viel auch darum, Sachen auszuprobieren, wie zum Beispiel Freizeitspiele wie Diavolo, Federballsets, Jonglierringe und Bälle.
Werkzeugsachen! Ein Ding vor allem bei den Hobby-DIY Leuten ist der Bohrhammer. Den brauchst du, wenn du eine Wand hast, die aus Stahlbeton ist. Wir haben auch Raclette oder Fonduegeräte, die dann zu Weihnachten oder zu den Feiertagen viel ausgeliehen werden.
Das ist ein bisschen schwierig zu differenzieren, weil an sich haben wir knapp 800 Mitglieder. Das sind alles Leute, die mindestens einmal etwas ausgeliehen haben. Es gibt nur einen Bruchteil, der dann wieder ausleiht, also der aktive Teil ist deutlich kleiner.
Also schon Finanzielles. Wir haben nicht so wahnsinnig viele Kosten, wir verlangen nur deshalb Geld für unsere Gegenstände, um unsere Fixkosten zu decken. Covid war zum Beispiel auch ein Problem. Da hatten wir das Geschäft neu übernommen und dann gab es ein paar finanzielle Schwierigkeiten. Es haben sich dann aber wahnsinnig viele Leute zusammengetan und viel Geld gespendet, von ganz unterschiedlichen Stellen, das hat sehr gut funktioniert. Das ist eben so eine Hürde.
Was natürlich auch immer ein Faktor ist, ist Zeit. Leila ist ja ein Freizeitprojekt. Es sind alle nur ehrenamtlich hier, also kommt es darauf an, wieviele Leute man gerade zur Verfügung hat und wieviel Zeit die Leute haben. Unsere Aufgabenbereiche reichen von im Laden stehen über Gegenstände annehmen und wieder zurücknehmen bis hin zu Fotos machen von neuen Gegenständen. Oder man muss irgendwo hinfahren, um Gegenstände abzuholen, Gegenstände in Reperatur bringen. Oder auch unseren Social Media Kanal versorgen … es gibt wahnsinnig viele Möglichkeiten wie man sich engagieren kann. Derzeit sind wir zu acht.
Leila ist ein Freizeitprojekt
Anatina über Leila
Ich hab nostalgische Gefühle gegenüber unserer Popcornmasschine, das ist eine aus den 80ern. Die funktioniert total super, ist großartig, man merkt schon, das es Dinge gibt, die nicht mit geplanter Obsoleszenz gebaut wurden. Es gibt auch den Industrieföhn, über den bin ich zum Leila gekommen. Ich habe einen Tisch restauriert, auf dem war hässlicher alter Lack, den mein Großonkel draufgeklatscht hatte. Daraufhin hat ihn meine Omi auf den Speicher gestellt, weil sie ihn nicht mehr sehen wollte. Ich wollte nicht, dass er wegkommt, fand aber den Lack hässlich. Dann hab ich gelesen, es braucht einen Industrieföhn dafür und hab so einen dann auch bei Leila gefunden!
Wir haben kein Recht auf dieses Konzept gepachtet, wir füllen eher gerade eine Lücke. Es sprießen in Wien noch andere kleine Projekte, die ein ähnliches Konzept verfolgen, weil Wien einfach wahnsinnig groß ist! Mit einem kleinen Leihladen mit 300 Gegenständen kann man nicht den Bedarf von 2 Millionen Einwohner:innen decken.
Es gibt ein verschiedene Ansätze, zum Beispiel die Idee, von den Stadtbibliotheken gesponsert zu werden. Die könnten das Konzept dann gut integrieren, weil dort schon eine gute Infrastruktur da ist. Es wäre auch leichter zugänglich für die Leute, man könnte leichter Schwerpunkte schaffen. Oder das Konzept in Gemeindebauten integrieren, wobei der Zugriff darauf dann wieder eingeschränkt wäre. Es gibt auch die Idee, dass man einen österreichischen Verbund ins Leben ruft – da gäbe es auch genügend Interessen vom BMK, sich da einzubringen.
Mit einem kleinen Leihladen mit 300 Gegenständen kann man nicht den Bedarf von 2 Millionen Einwohner:innen decken.
Leila ist für die Größe von Wien noch recht klein.
Das ist tatsächlich ganz unterschiedlich. Man glaubt immer, das sei nur die grüne Nachhaltigkeits-“bubble”. Es kommen aber auch Pensionist:innen zu uns, die keine Bohrmaschine daheim haben oder auch ganz viele internationale Studierende, die mit wenig Dingen hergekommen sind. Die Leute kommen wirklich aus allen Ecken und Bezirken Wiens.
Kommt, leiht aus, macht mit! Wir suchen Leute, die sich mit Vereinsangelegenheiten auskennen, vor allem Vereinsrecht und Leute, die sich mit Reperatur auskennen, aber auch alle anderen, die sich gern einbringen wollen. Wir würden gerne alles zweisprachig oder mehrsprachig anbieten, bietet sich halt an im 16. Bezirk. Wir können Englisch, Deutsch, Französisch, aber damit hat sich’s leider schon. Es wär cool, Arabisch, Farsi, BKS anbieten zu können.
Leila: die Bibliothek der Dinge
Öffnungszeiten: Montag, Mittwoch und Freitag 17:30 bis 19:30 Uhr
Adresse: Brestelgasse 20, 1160 Wien
Auf heldenderfreizeit.com findest du die besten Empfehlungen rund um deine Freizeit. Dazu stellen wir dir in unserer Held:in des Monats Serie spannende Persönlichkeiten vor, die mit ihren Projekten, ihrer Kreativität oder ihrem sozialen Engagement hervorstechen:
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