Warum es die Wiener Shootingstars am Weg dorthin noch möglichst oft in ihre Lieblingslocation, die Open Air Arena, führen soll und auf die Stadthalle vorerst “geschissen” wird, wer sie musikalisch inspiriert, was sie peinlich finden und ihnen die Musik bedeutet. Das alles haben uns die Leftovers beim Nova Rock verraten.
von Christian Orou
Die Leftovers sind neben Bipolar Feminin und Bibiza wohl die im Moment heißeste Aktie in der jungen Wiener Musikszene. Am Nova Rock sollten sie am Donnerstagnachmittag eine Show auf der Red-Bull-Bühne spielen, doch leider machte ihnen ein defekter Generator einen Strich durch die Rechnung. Lange wartete die Band zu und unterhielt das Publikum in der Zwischenzeit mit Megaphon, Schlagzeugsolo und dem gemeinsamen Absingen des Spongebob-Liedes. Zur Begeisterung des Publikums stürzten sich Bassistin Anna und Frontman Leonid in die Fanmenge und starteten einen Circlepit.
Den Abschluss der improvisierten akustischen Show bildete eine Version von We will rock you. Damit kamen die Leftovers der Band Sum 41 zuvor, die den Song knapp eine Stunde später auf der Blauen Bühne performte. Die eigentliche Show wurde dann am Samstag in einem besseren Slot nachgeholt. Mit Pyrotechnik. Also ein unverhofftes Upgrade – auch für uns. Denn so blieb am Donnerstag noch mehr Zeit für ein ausführliches Interview von Leonid (Sänger, Gitarrist), Leon (Schlagzeug), Anna (Bass) und Alex (Gitarrist) mit den Helden der Freizeit.
Leonid: Es war eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Wir waren zuerst frustriert, danach hat es aber mit dem Megaphon Spaß gemacht. Und dem Circlepit.
Leon: Ich hab mich bestätigt gefühlt, dass mein Instrument das Coolste ist, weil ich keinen Strom für mein Drumkit brauche.
Leonid: In der Klassik.
Leon: Mein erstes Tattoo ist das Nirvanasmiley. Also auf alle Fälle Nirvana, Grunge, 90th-Rock und so.
Alex: Santana.
Anna: Keine Ahnung, ich bin für alles offen. Aber eigentlich ist es auch Klassik.
Leonid: Leftovers.
Leon: Laut.
Anna: Musik zum Mitspringen.
Alex: Wiener Schule.
Leon: Ich würde sie so charakterisieren: Sie sind aus Wien oder spielen oft in Wien und ich find sie cool. Saló kommt aus Graz, aber ich find Saló auch cool. Es gibt gerade viele Bands, die entstehen und Künstler:innen, die aus Wien rauskommen.
Leon: Ich hör eigentlich nur Wanda aktiv und ich war auch nur einmal bei einem Konzert von ihnen beim Ukraine-Benefiz am Heldenplatz. Da dacht ich mir, ich würde gerne auf der Bühne stehen. Sie waren da ein Antrieb für mich. Wenn ich andere Künstler auf der Bühne sehe, denke ich mir, das will ich auch machen.
Leonid: Als das ganz mit Wanda und Bilderbuch so 2014, 2015 losgegangen ist, haben wir noch nicht selbst Musik gemacht, aber wir haben vor kurzem mit unserem Booker gesprochen. Der hat uns erzählt, als Bilderbuch zwei Alben draußen hatte, haben sie ein halbes Flex gespielt. Das sind Zahlen, da denken wir uns: „Was, die haben zwei Alben und füllen das Flex nur zur Hälfte?“
Leon: Das war damals noch anders mit Social Media.
Ich fand Leonid immer so cool, weil ich dachte, er ist ein wenig wie Maurice.
Leon sah beim Leftovers-Sänger Parallelen zu Bilderbuch
Leonid: Das war damals schwieriger. Und seit Wanda und Bilderbuch groß geworden sind, haben sie viel für die österreichische Musikszene getan. Das haben wir aber nicht selbst miterlebt, das wird uns aber immer gesagt. Weil damals Deutschland und die Schweiz hellhörig geworden sind. Da kommt was Geiles aus dem Ösiland, das nicht DJ Ötzi ist. Da kann auch Alternative oder Indie-Rock rauskommen. Ich glaube, es hat der österreichischen Musikszene sehr geholfen.
Anna: Insgesamt auf jeden Fall. Wir haben das alle mitbekommen. Aber für mich persönlich, und ich glaube auch für meine Kollegen, war die Musik nicht der Anhaltspunkt für unsere musikalische Karriere. Ich habe mich nie mit ihnen verglichen.
Leon: Ich schon, ich fand Bilderbuch schon sehr früh sehr cool. Ich fand Leonid zu Beginn immer so cool, weil ich dachte, er ist schon ein wenig wie Maurice.
Leon: Es sind viele Angebote da. Zum Beispiel von Wienxtra.
Leonid: Es ist ein Privileg, das wir hier haben.
Leon: Du kannst in Wien für 140 Euro über Wienxtra drei Tage ins Studio gehen. Du kannst beim Musikfonds anfragen. Wir haben eine LP produziert und arbeiten gerade an der zweiten. Das hätten wir so nicht machen können, wenn uns nicht der Musikfonds und die Wiener Kulturförderung unter die Arme gegriffen hätte.
Das Fußfassen ist nicht so einfach. Aber wenn man weiß, wohin man sich wenden kann … kann man gut anfangen.
Anna über wertvolle Unterstützung durch Förderungen
Anna: Das Fußfassen ist nicht so einfach. Aber wenn man einmal weiß, wohin man sich wenden kann und welche Möglichkeiten es gibt, kann man gut anfangen.
Leon: Was man auch sagen muss ist, dass die Underground-Szene lebt. Jeden Abend sind am Gürtel verschiedene Konzerte und es ist egal, ob es ein Montag oder ein Samstag ist, es sind immer Leute da. Manchmal natürlich mehr, manchmal weniger. Aber die Underground-Szene lebt und das ist schön zu sehen. Wir haben ja auch den Gürtel auf und ab gespielt. Die Stadt fördert sich in diesem Bezug selbst.
Leonid: Interesse ist auf alle Fälle da, klar.
Leon: Unsere Friends sind auch in der Szene und wir supporten sie sehr stark.
Leonid: Ich beziehe viel Inspiration von Leuten, weil ich sie geil finde. Ich hab auch immer ein Ohr für neue Sachen, für neue Künstler:innen, für neue Kunst, die gerade entsteht und in welche Richtung sie sich bewegt. Es interessant zu beobachten und ich lieb das. Ich finde auch, dass es wichtig ist, dass ich als kunstschaffende Person die Fühler ausstrecke und checke, was abgeht.
Leon: Das Interesse an anderen Bands ist auf alle Fälle da. Wir arbeiten uns jetzt gerade hoch aus dem Underground und es ist schön und spannend zu sehen, was da nachkommt. Was ist jetzt dort, wo wir vor einem Jahr waren? Und wie sehen wir in einem Jahr dann aus? Leonid und ich waren vor kurzem bei einem Bandcontest, bei dem wir im letzten Jahr noch selbst mitgespielt haben. Da sind im Finale Bands auf uns zugekommen und haben gesagt, dass wir für sie eine Inspiration sind, weil wir vor kurzem noch dort waren, wo sie jetzt stehen. Da ist sehr schön, aber auch sehr komisch, das zu hören. Ich sehe mich noch nicht in der Rolle, dass wir Inspiration für jemanden sein können. Aber wenn Leute weiter dran bleiben, weil sie sagen, wir haben vor zwei Jahren vor zehn Leuten im Kramladen gespielt und spielen jetzt vor tausend in der Arena, dann ist das wichtig. Wien braucht eine lebendige Underground-Szene, egal ob es Rap, Pop, Rock oder Indie ist.
Anna: Es ist schön, wenn die Leute das machen, worauf sie Bock haben
Leon: Für mich ist Schlager ein absolutes Antiwort. Mit dem will ich auf keinen Fall assoziiert werden. Aber es gibt Bands, die Elemente aus dem Schlager sehr gut integrieren. Wanda zum Beispiel.
Anna (singt): Wir san eine Band und wir halten zsamm ….
Leon: Wenn sie uns einmal auf einer Apres-Ski-Party spielen würden, weiß ich nicht, ob ich mich darüber freuen könnte.
Leonid: Gar nicht. Es ist manchmal sogar peinlich, was da präsentiert wird.
Leon: Wir sehen uns nicht in der nationalen oder patriotischen Pflicht, dass wir unser Land vertreten wollen.
Leonid: Das kommt darauf an. Manchmal kommt es aus dem Bauch heraus, manchmal liegt jemand etwas am Herzen. Manchmal wollen wir auch ästhetisch schöne, bildhafte Sprache haben. Uns ist immer wichtig, ein Gefühl zu vermitteln.
Leon: Es passiert sehr selten, dass jemand sagt: „Darüber will ich einen Song schreiben.“ Das war bei Käfer so. Oft ist es so, dass alle von uns Satzfetzen oder Notizen aufgeschrieben haben und wir probieren, das zusammen zu fügen.
Leonid: Erst Musik.
Leon: Manchmal ist auch erst der Texte da.
Anna: Im besten Fall funktioniert das gleichzeitig.
Leon: Ich kann mich an einige Songs im Studio erinnern, bei denen wir dann gesagt haben: „Und was ist jetzt der Text?“
Leonid: Bis zu den Sternen und weiter
Anna: Zum Mittelpunkt der Erde.
Alex: In die Arena. Open Air.
Leon: Ja, das ist ein Traum.
Alex: Sehr viel. Weil ich dort die coolsten Erlebnisse hatte und viele große Bands gesehen habe. Ich habe mir immer gedacht: „Dort möchte ich spielen.“ Es ist wie im Colosseum dort mit der Wiese und den Rängen auf der Seite.
Anna: Es ist der geilste Ort, an dem man spielen kann.
Die Arena ist wie ein Colosseum mit der Wiese und den Rängen auf der Seite
Alex über die Lieblingslocation der Leftovers
Leon: Aus dem Bauch heraus würd ich sagen, auf die Stadthalle wird geschissen. Da mach ich es lieber wie Bilderbuch und spiel fünf Mal in der Open-Air-Arena. Für mich und Leonid ist es auch ein besonderer Ort, weil das erste Konzert, das wir besucht haben, nachdem wir begonnen haben, uns für härtere Musik zu interessieren, war Punk in Drublic mit NOFX, the Bronx und anderen Bands. Das war für mich wie eine Erleuchtung damals. Ich wollte auch so eine Energy auf der Bühne haben.
Leonid: Über die Musik würden wir heute vielleicht lachen, aber die Energy ist vom Publikum ausgegangen, das ist das Schöne.
Leon: Ich glaube nicht, dass ich über die Bronx oder NOFX lachen würde, ich find sie noch immer cool.
Anna: Alles.
Leonid: Ventil.
Alex: Leben.
Anna: Energie.
Leon: Bumm tschak, bumm tschak, bumm tschak.
Leonid: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht
(alle lachen)
Anna: Musik ist das, wofür ich lebe.
Leon: Ich bin einfach froh, dass ich Musik gefunden habe. Ich weiß gar nicht ob ich das als Drummer sagen darf. (lacht) Ich weiß nicht, was ich ohne Musik machen würde. Ich wär wahrscheinlich sehr unglücklich.
Leonid: Wir sind politische Menschen aber keine politische Band.
Anna: Ich glaube, wenn man einen Song herausbringt, hat er automatisch eine Aussage.
Leonid: Man kann nicht nicht politisch sein.
Leon: Wir sind aber dagegen, mit dem Finger so drauf zu zeigen: Ihr seid Nazis! Natürlich sind wir links, natürlich sind wir gegen Rassismus, Homophobie und Transphobie und etc cetera et cetera. Aber ich finde, immer wenn man zu konkret wird, tut das der Musik nicht gut.
Musik war von Anfang an ein Ventil. Es war nie das Ziel politisch zu werden.
Leonid über seine nicht politische Band mit politischen Menschen.
Leonid: So hat die Band auch nicht angefangen. Zu Beginn hab ich aus Herzschmerz ein paar Texte geschrieben. Musik war von Anfang an ein Ventil, es war nie das Ziel politisch zu werden oder zu sein.
Anna: Aber unsere Musik ist noch immer ein Ventil und wir sind noch immer die Menschen, die in der Gesellschaft leben. Das wird dann automatisch politisch.
Alex: Falco hat auch gesagt, dass dir als Künstler nichts anderes übrig bleibt, als links zu sein, wenn man Musik für die Menschen macht.
Leon: Was würdet ihr machen, wenn ihr die Weltherrschaft übernommen habt?
Leon (lacht): Uns überall in den Headlinerslot einteilen.
Achtung, liebe Leftovers Fans! Wir haben die Band direkt vor ihrem Arena Gig noch einmal getroffen. Lest hier, wie das Konzert in ihrer Lieblingsloccation gelaufen ist und schaut euch dieses Video von unserem Treffen mit ihnen an:
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Aufmacherfoto: (c) Karpar Langeder
Der Chefredakteur der Wiener Alszeilen verfasst für heldenderfreizeit.com Buch-, Musik- und Spiel-Rezensionen, ist Video-Redakteur von CU TV und schreibt für das Musikmagazin Stark!Strom. Dazu berichtet er von Konzerten, Sport- und anderen Kulturevents und führt Interviews mit Stars und spannenden Persönlichkeiten.