Original oder Kopie? Welche Glücksspielmetropole kann mehr? Las Vegas oder Macau? Von Badehosen im Casino und Diamanten im Plastiksackerl.
Wenn es eine Kopie-Weltmeisterschaft gäbe, wäre die Volksrepublik China seit Jahrzehnten unumstrittener Titelträger. Autos, Technik, Fashion, … Warum nicht gleich ganze Casino-Hotels? In Macau wurde letzteres umgesetzt. Bereits seit 1962 versucht die chinesische Sonderverwaltungszone mit der wohl sündigsten Stadt der Welt mitzuhalten: Vegas, Baby! Der Erfolg hält sich aber in Grenzen. Ich habe das Original und die Kopie besucht. Das habe ich dabei erlebt.
Las Vegas, MGM Grand, 17.46 Uhr, 37 Grad Außentemperatur – trotz Jetlag und Hangover bemühe ich mich um einen Platz am überfüllten Roulettetisch. In letzter Sekunde schnappe ich mir ein Jacki-Coke aus dem Tablet der vorbeirauschenden Kellnerin. Ja, es stimmt: in Vegas gilt die “All-you-can-drink”-Regel solange man Spielkarten, Jetons oder einen Automatenhebel in der Hand hält. Nicht umsonst wird der Strip von Jahr zu Jahr länger und breiter. Wer mehr trinkt, spielt auch mutiger. Man wird hier sein Geld schon los – so oder so.
Nach meiner dritten Runde ohne Treffer gesellt sich ein Halbwüchsiger in Badehose zu mir und blickt mir über die Schulter. Diesen Burschen hat wohl soeben der Hotelpool ausgespuckt oder er hat seine Eltern verloren.
Was für uns unvorstellbar ist, ist in Vegas gang und gäbe. Nachdem sich der Casino-Bereich meist in der Hotellobby befindet, spazieren auch sämtliche Family-Urlauber auf dem Weg vom Planschbecken zur Burger-Theke quer durch die Spieltische und Automatenhallen. Was für eine Ironie: Während das restliche Bundesgebiet christliche Werte predigt, wird hier die Vorbildwirkung gegenüber Kindern mit Füßen getreten – hunderte alkoholisierte Erwachsene am Zocken und Rauchen. Ja, auch Qualmen ist überall gestattet. In Kalifornien gibt es hohe Geldstrafen für das Rauchen auf der Straße und in Vegas schmeißen sie dir die Aschenbecher nach – zwei Autostunden entfernt: “It’s the law!”
Macau, Heiliger Abend, gefühlte 17 Grad Innentemperatur – entweder die extrem hochgedrehten Klimaanlagen oder mein leerer Magen lassen meine Hände vor Kälte zittern. Kein guter Eindruck gegenüber dem Rudel Festland-Chinesen, das mir gerade tief in die Augen sieht. Ich bin wohl der einzige am Tisch, der den wackeligen Speedboat-Transfer von Hongkong nach Macau lieber hungrig „genossen“ hat – und kein Chinesisch spricht. Aber das spielt nun keine Rolle, es wird ohnehin nur eine Sprache gesprochen: Poker!
Allerdings hält mich meine österreichische Sparbuch-Mentalität nicht länger am Tisch – die Cashgame-Buy-In sind einfach zu hoch. Hätte ich wissen müssen, wenn ich an meine gestrige Shopping-Tour auf der Nathan Road in Hongkong denke. Wenn sogenannte “Mainland”-Chinesen nach Hongkong reisen (dürfen), dann nur für einen Zweck: kaufen, kaufen, kaufen! Geld spielt offensichtlich für die Masse an Neureichen keine Rolle.
Ich habe noch nie einen Menschen beobachtet, der hochkarätige Diamanten an der Juweliertheke in ein rosa Plastiksackerl füllt – und bezahlt. In Hongkong schon – direkt neben mir. Das Outfit des ominösen Kunden: ein weißer Adidas-Trainings-Zweiteiler. Dementsprechend ist das Spielverhalten in Macau: Da im restlichen China Glücksspiel schwer illegal ist, fahren täglich tausende Chinesen nach Macau und toben sich aus.
Die Beträge an den Tischen sind unermesslich, die Chinesen hochkonzentriert. Die Jungs sind nicht zum Spaß hier. Letzteres schätzen professionelle Zocker sicher sehr – es wird weniger gejubelt und gestöhnt als in Vegas. Hier geht es weniger um Party und mehr ums “Geschäft”.
Wer im Casino Wien auf der Kärntner Straße die Gelegenheit hatte das Verhalten von asiatischen Roulette-Spielern zu beobachten, wie sie von Tisch zu Tisch hüpfen, um kiloweise Jetons zu platzieren, kann sich ungefähr ein Bild davon machen was hier läuft. Es wird gespielt als gäbe es kein Morgen … oder kein Speedboat zurück.
Las Vegas, NewYork-Hotel, 1 Uhr nachts – Um mich für den Party-Abend warm zu machen, setze ich mich an die Bar und schiebe einen 20-Dollar-Schein in den Poker-Screen. Der aufmerksame Barkeeper sieht das und stellt mir ein Whiskey Cola hin – er kennt mich. Gleiches Prozedere wie gestern Abend. Eine üppige junge Dame auf dem Barhocker neben mir fragt mich nach meiner Herkunft. Höflichkeitshalber frage ich zurück. Sie sagt “Vegas” und meint sie lebe hier. Wer lebt schon in Vegas? Davon habe ich gehört – sie wird mir gleich zwei Dinge anbieten: Sex und Kokain. Meine Annahme bestätigt sich, ich lehne ab. Motivierte Junggesellen sollten sich lieber an die TouristInnen halten – die heimischen Drinks sind kostenlos, die Frauen nicht.
Es geht los. Mein Party-Buddy und ich stürzen uns ins Vergnügen – aber wo sollen wir anfangen? Das Angebot in Las Vegas ist riesengroß, grenzenlos und, vor allem, zeitlos. Vierundzwanzig Stunden am Tag wird hier gefeiert: indoor und outdoor, onsite und offsite, auf Straightparties und Gayparties, in Nightclubs und Dayclubs.
Ja, wenn die einen in der Afterhour ihre letzten Absacker herunter würgen, starten die anderen ihren Partytag nach dem Frühstücksei in Highheels. Jedes der großen Casino Hotels hat mindestens zwei Diskotheken, wobei dieses Wort hier fast herabwürdigend klingt. Wir sollten eher von Partytempeln sprechen in denen DJ-Größen wie Calvin Harris und Steve Aoki auf ihrem Mischpult-Schrein regelrecht angebetet werden. Das sollen die Chinesen einmal nachmachen. Calvin zu klonen wird wohl nicht so einfach sein.
Macau, The Venetian, 2.20 Uhr nachts – die Spielregeln sind etwas anders, was sowohl für den Glücksspiel-Bereich als auch für die Partyzone gilt. Hier ist der Einlass in die heiligen Zocker-Hallen zumindest räumlich mit Zwischenwänden getrennt. Hin und wieder werden diese Bereiche mit Ausweiskontrollen durch Securitys gecheckt – zumindest hat es den Anschein einer Altersüberwachung.
Um die Club- und Barzonen zu finden, muss aktiv danach gesucht werden. Das Entertainment-Angebot hält sich in Grenzen. Ich probiere mein Glück im Venetian. Einer detailgetreuen Nachahmung des gleichnamigen Hotels am Strip in Nevada, was wiederum ein Plagiat unseres alteuropäischen Venedigs in “Miniaturform” darstellen soll. Die Kopie einer Kopie also. Jedenfalls soll das venezianische Nachtleben in Macau angeblich was bieten – mal sehen ob die Chinesen auch abseits von Karaoke-Bars feiern können.
Spät, aber doch bewege ich mich in Richtung Lotus Club. Zu meiner Überraschung gibt es weder eine Schlange noch irgendwelches Türsteher-Gehabe vor dem Eingang. Dann muss ich lachen – der Hauptact ist nicht Star-DJ Calvin Harris, sondern der Schnulzensänger Kelvin Kwan. Nice try. Die Show ist gerade auf ihrem Höhepunkt, das Ambiente der Location zwar sehr ansprechend (hier war Vegas immerhin beratend tätig), aber Publikum und Stimmung sind entsprechend “asiatisch”.
Hier geht es scheinbar mehr darum Freund und Feind im Social Network zu zeigen, dass man gerade auf dekadenteste Weise abfeiert und weniger um den Partyrausch an sich. Ich habe noch nie so viele Selfie-Posen auf einen Blick gesehen, geschweige denn Selfie-Sticks, die wie Samurai-Schwerter um mich herum schwingen. Ich werde nervös. Zwei Shots und zwei Schmusesongs mit Techno-Beats später geht es ab ins Bett.
Las Vegas, MGM Grand, 14.15 Uhr, 43 Grad Wüstentemperaturen – man ist ja heutzutage schlau und kauft sich bereits Wochen vorher die Tickets im Internet für die berüchtigte “Wet Republic” Pool Party. Deswegen begebe ich mich ganz entspannt in der besten meiner beiden Badehosen auf die Rückseite des MGM Grand zum Poolbereich. Auf dem Weg dorthin spüre ich eine leichte Herzrhythmusstörung durch den desaströsen Bass der Anlage, ohne das Party-Areal noch betreten zu haben.
Und dann folgt der Schock: die Warteschlange ist länger als vor der Happy-Hour eines russischen Laufhauses. Meine Vorverkaufseintrittskarten sind quasi wertlos… JEDER hier hat welche – garantierter Einlass war nur bis 10 Uhr morgens! Ok, ich komme am späten Nachmittag wieder.
Drei Stunden später und 200 Dollar leichter, dank der verdammten Roulettetische auf dem Weg, betrete ich die Terrasse DER Poolparty – unglaublich, aber wahr: im riesigen Pool ist kein Kubikzentimeter Wasser zu sehen, weil er voll mit hüpfenden und kreischenden Partypeople gefüllt ist. Die Soundanlage kann mit jedem Stones-Konzert mithalten und die Stimmung ist auf einem orgienhaften Höhepunkt als wäre die Apokalypse vor der Tür. Ich war zwar nicht persönlich auf der Pool Party im Venetian/Macau, aber dessen Promovideos auf YouTube sehen dagegen aus wie ein Kindergeburtstag mit aufblasbaren Krokodilen im Planschbecken.
Fakten zu Las Vegas und Macau
Einwohner: Las Vegas 603.000, Macau 636.000
Touristen pro Jahr: Las Vegas 40 Millionen, Macau 30 Millionen (aber: die Kasinos in Macau machen bereits sechsmal soviel Umsatz wie die in Vegas)
Durchschnittliche Höchsttemperatur: Las Vegas 27 Grad, Macau 25 Grad
Fazit: Keine Stadt der Welt kann in punkto geballtem Entertainment mit Vegas mithalten. Hier ist wirklich für jeden – noch so unmotiviertem Stubenhocker – etwas dabei, weil es unmöglich ist sich von diesem Sog nicht mitreißen zu lassen. Für mich wäre Vegas ein Grund noch einmal zu heiraten, nur um meinen zweiten Junggesellen-Abschied dort zu feiern. Macau hingegen ist Vegas im Kleinformat, hat somit bei weitem nicht so ein Angebot, insbesondere in Bezug auf das Partyleben. Ein Tages- oder Nachtausflug mit dem Speedboat nach Macau hat zwar auch seinen Reiz, aber nur in Verbindung mit einem Hongkong-Trip. Die Casinos sind nichts für Einsteiger und das Speedboat nichts für Landratten.
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Fotos: heldenderfreizeit.com