Privatpension, Rundreise, Luxushotel – ich habe Kuba aus vielen Perspektiven erlebt. Wer noch das authentische Kuba sehen will, muss sich beeilen.
von Manuel Stenger
„Good Luck“ – mit diesen Worten setzt uns der Taxifahrer bei unserer gebuchten Privatpension in Havanna ab. „Casa Particulares“ werden sie hier genannt. Na servas, „viel Glück“, das klingt aber nicht gut – so mein erster Gedanke. Es ist 22:30 Uhr Ortszeit. Uns fallen fast die Augen zu. Wir haben eine 17-stündige Anreise mit Flug über Toronto in den Knochen.
Die Gastgeberin wirft uns die Haustürschlüsseln runter. Netter Empfang. Unsere Bedenken sind völlig unbegründet. Petronila und ihre Tochter Rosabel reden zwar nur spanisch, für Herzlichkeit und Gastfreundschaft braucht es zum Glück aber kaum Sprachkenntnisse. So setzen wir unser mageres Schulspanisch, Hände und Füße ein, um über unsere Reise, Herkunft und Familie zu plaudern. Die ersten drei Tage verbringen wir hier, um die Stadt zu besichtigen: Ein kleines Zimmer mit Dusche und WC, mehr braucht es nicht.
Vor uns liegen mehr als zwei Wochen Kuba. Neun Tage Sightseeing, danach eine Woche Entspannung in einem der besten Hotels des Landes. Man kann es schon vorwegnehmen: So richtig nach Kuba fühlt sich nur die Privatpension an. Backpack-Atmosphäre, keine touristischen Schnörksel, aber dennoch alles mit einem gewissen Flair und einer Riesenportion Liebenswürdigkeit.
Casa Particulares sind für Städtetrips in Kuba wärmstens zu empfehlen: Für einen enorm guten Preis wartet ein nettes Zimmer und ein tolles Frühstück. Vergleichbar mit einer Privatpension in Österreich, gibt es auch hier einen persönlicheren Zugang zu den Gastgebern. Es empfiehlt sich aber, im Vorhinein Bewertungen im Netz einzuholen. Wir haben Glück: Nachdem uns selbst bei unserer Ankunft zu später Stunde ein Tee serviert wird, gibt es nach drei Tagen Aufenthalt noch nette Umarmungen zum Abschied. Persönliche Gespräche sind willkommen, auch wenn wir aufgrund unserer schlechten Spanisch-Kenntnisse oft nur wenig verstehen. Vor der Reise sollte man deshalb die wichtigsten Sätze lernen.
Wir schlendern durchs Zentrum von Havanna. Der historische Kern gehört seit 1982 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Zum Zeitpunkt unserer Reise hat das Capitol leider geschlossen. Nicht nur vom Namen ist der Regierungssitz dem U.S.-amerikanischen ähnlich, auch die Bauform sieht verblüffend gleich aus. In ein paar Tagen wird uns unsere kubanische Reiseführerin erklären, dass dies „reiner Zufall“ ist.
Beim ersten Rundgang durch die Altstadt besuchen wir das Revolutionsmuseum. Es zeigt die Anfänge des Unabhängigkeitskrieges gegen die spanischen Kolonialherren unter Simón Bolívar bis zur kubanischen Revolution unter Fidel Castro mit vielen Relikten, Fotos, Karten und Briefen zur Geschichte Kubas. Aufbereitet mit einer gehörigen Portion Propaganda – so ehrlich muss man sein.
Die Rollen sind klar verteilt: Fidel Castro, Ernesto „Ché“ Guevara und Camilo Cienfuegos sind die „Revolucionarios“. Der ehemalige Machthaber Fulgencio Batista der Diktator, von dem es die Menschen in Kuba zu befreien galt. Die USA agieren als der äußere Feind der Revolutionsbewegung, der ständig auf Distanz gehalten werden muss.
Am schnellsten und billigsten kommen Touristen in Havanna mit dem Taxi voran. In die Altstadt zahlen wir zu zweit fünf Kubanische Peso. Das entspricht etwa fünf Euro.
Zwei Möglichkeiten der Fortbewegung warten auf Touris: Zum einen die bequemen, gelben staatlichen Taxis. Aber wer will im Urlaub schon bequem sein?! Und das zu einem überteuerten Preis? Wenn man es schon einmal nach Kuba geschafft hat, dann sollte man mit einem der alten U.S.-amerikanischen Oldtimer fahren, für die Kuba bekannt ist. Die wirken viel uriger und authentischer. Teilweise rüttelt es einen so richtig durch, die Sitze sind auch nicht mehr die bequemsten, löchrig obendrein und es riecht permanent nach Benzin oder Kerosin. Sitzgurte braucht man gar nicht erst zu suchen. Aber genau dieses Eigene macht die Fahrt so interessant. Und sind sie auch um ein Drittel billiger als die staatlichen Taxis.
Was im Stadtbild von Havanna noch auffällt, sind die vielen Menschen, die an Hotel- oder Restaurantwänden lehnen und dort am Smartphone surfen. In Österreich hat fast jeder Haushalt einen Internetzugang. In Kuba versuchen die Leute, über freies WLan ins World Wide Web zu kommen.
Von Havanna aus treten wir unsere Busreise durch den westlichen und mittleren Teil von Kuba an. Mit dabei sind ein jüngeres und älteres kroatisches Paar. Vom österreichischen Innenministerium wird Kuba mit einem erhöhten Sicherheitsrisiko eingestuft – das Gefährlichste an unserem Trip ist aber die Trinkfreudigkeit unserer neuen kroatischen Freunde.
Es kann schon mal vorkommen, dass um 9 oder 10 Uhr der erste Longdrink geschlürft wird und unser Bus zum Partyvehikel mutiert. Beim Fahrer wissen wir zwar nicht, wie er wirklich heißt, wegen seiner Ähnlichkeit zu Antonio Banderas (naja …) darf er sich aber über seinen neuen Spitznamen Antonio freuen.
Apropos Alkohol. Eines unserer ersten Ziele ist das Rum-Museum. Erklärt wird die Geschichte des Zuckerrohrs, der seinen Weg nach Kuba über den Kolonialismus und die Sklaverei gefunden hat. Außerdem erfahren wir, dass es in Kuba Brauch ist, die ersten Tropfen einer geöffneten Flasche auf den Boden zu schütten. Gestärkt geht es weiter zum Festungskomplex „El Morro“, der im 16. Jahrhundert aus Korallengestein gebaut wurde. Am Meer gelegen, diente er zur Verteidigung der Stadt.
Ein weiterer Höhepunkt in Havanna ist ein Abstecher zum Hotel Ambos Mundos, in dem Ernest Hemingway acht Jahre lang wohnte. Sein Zimmer, in Originalzustand belassen, zeigt unter anderem seine Schreibmaschine und sein Bett. Die Dachterrasse des Hotels kann mit guten Cocktails und einen schönen Blick auf die Stadt in alle Himmelsrichtungen aufwarten. In der Altstadt finden sich ebenfalls einige Bars, in denen Hemingway verkehrt hat, so etwa das touristisch komplett überlaufene „El Floridita“ oder „La Bodeguita del Medio“.
Zum Glück haben wir eine Reiseführerin an Bord, die uns neben den üblichen Touristen-Infos einen kleinen Einblick in ihr Leben und ihre Ansichten gewährt. Mir gefällt ihre offene Art, Dinge anzusprechen. Gleich zu Beginn erklärt sie uns die Bedeutung ihres Namens. Eigentlich sollte sie Marvel Lady heißen, wegen der schlechten Englisch-Kenntnisse kam aber Marvilevis, kurz Marvi, dabei heraus.
Immer wieder kommt auch die Rolle Kubas zu den USA zur Sprache. Durch die Öffnung Kubas nach außen sind wir genau zu einer Zeit in Havanna, in der bereits die ersten U.S.-amerikanischen Investoren Hotels im Zentrum bauen. Laut Marvi haben wir genau die richtige Zeit erwischt, um Kuba zu besuchen. Einerseits befürwortet sie die Veränderungen, da durch das Geld neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Andererseits hat sie Angst, dass das Land an ausländische Investoren verkauft wird. Die Machtübernahme durch Fidel Castro wird von ihr immer als Wendepunkt in der Geschichte Kubas beschrieben, der den Einfluss der USA genommen und sozusagen das Land in die Hände der Bürger gelegt hat. Die Menschen fürchten, so Marvi, dass sich das nun wieder ändern könnte. Sozialleistungen wie freie Schulbildung oder medizinische Versorgung sind ebenfalls Thema.
Neben der Produktion von Rum ist Kuba auch für seine Zigarren bekannt. In der Provinz Pinar del Río sehen wir nicht nur eine typische Zigarrenfabrik, in der wir ein paar der tausenden Tabakblätter greifen und riechen dürfen. Die Region ist verantwortlich für 80 bis 90 Prozent der Zigarrenproduktion in Kuba. Überall stehen Plantagen.
Beim Besuch einer Plantage im Tal von Viñales rollt der Leiter eine Zigarre vor unseren Augen, schließlich wird in Kuba jede einzelne mit der Hand gemacht. „90 Prozent der Ernte müssen wir an den Staat abgeben, 20 Prozent behalten wir uns“, erklärt er mit einem Lächeln. Überall riecht es nach Tabak. Ein weiterer Höhepunkt der Gegend ist die Höhle „Cueva del Indio“, durch die wir eine Bootsfahrt unternehmen.
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„Die schönste Stadt Kubas“ schwärmt Marvi über unser nächstes Ziel Cienfuegos. Der Ort gilt als das Wirtschaftszentrum im mittleren Kuba. Das sieht man ihm auch an. Während Havanna vor allem durch seine Altbauten besticht, die teilweise stark baufällig sind, ist Cienfuegos architektonisch modern und gut restauriert.
Nahe dem Parque José Marti steht das Teatro Tomás Terry. Das kann sich wirklich sehen lassen! 1895 mit „Aida“ eingeweiht, besteht das dreistöckige Theater vor allem aus Mahagoniholz. Es sieht alt aus und wirkt dadurch sehr eigentümlich.
Den letzten Tag unserer Tour beginnen wir mit einem Zwischenstopp in Trinidad de Cuba, jahrhundertelang Drehpunkt für Zucker- und Sklavenhandel in der Karibik. Heute ist die Stadt Weltkulturerbe und besticht durch ihre auffallende Architektur mit den bunten Häusern. Der „Plaza Mayor“ bildet den Kern der Stadt. Auf unserer Führung legen wir einen nicht planmäßigen Stopp ein: Marvi führt uns in ein Hinterzimmer einer Seitengasse, in der wir Zigarren zu einem deutlich billigeren Preis als in den Touristenshops bekommen.
Ebenfalls in der Nähe – der Manaca Iznaga Turm, 1816 zu Zeiten der Zuckerfabriken erbaut und 45 Meter hoch. Er diente zu Kolonialzeiten der Überwachung der Sklaven.
Zum Schluss besichtigen wir noch das Mausoleum von Ché Guevara in Santa Clara. Der Ort der Grabstätte ist nicht zufällig gewählt. Schließlich konnte Guevara in der Schlacht um diese Stadt seinen größten militärischen Erfolg erringen. So war der Weg auf die Hauptstadt Havanna und auf den Sieg frei. Nach der Kubanischen Revolution kämpfte Guevara im Kongo und Bolivien, wo er letztendlich erschossen wurde. Im Mausoleum finden sich seine sterblichen Überreste und die von 38 Mitstreitern.
Daneben zeigt ein Museum sein Leben von der Kindheit hin zum Guerilla-Kämpfer. Neben Fotos von Kampfschauplätzen und Waffen sind auch medizinische Werkzeuge ausgestellt, die er als ausgebildeter Arzt besessen hat.
Nach so viel Kultur geht es jetzt Richtung Varadero – einem Urlaubs- und Badeort. So real die Geschichten von Marvi über das Leben der Kubaner wirkten, so surreal kommt mir jetzt die Ankunft in unserem 5-Sterne-Tempel vor. Der spielt wirklich alle Stücke. Wir werden mit einem Glas Champagner begrüßt, ein persönlicher Butler führt uns ins Zimmer. In der Badewanne hätte eine vierköpfige Familie Platz. Die Terrasse bietet einen Ausblick auf Palmen. Die Minibar wird in den nächsten Tagen immer voll sein. All inclusive!
Wir genießen den ersten Sonnenuntergang an unserem Wahnsinns-Strand. Spätestens jetzt wird uns klar, dass Varadero ein künstlich angelegtes Touristennest ist. Die einzigen Einheimischen sind die Angestellten im Tourismusbetrieb.
Eine Woche verbringen wir faul am Strand, dem Pool oder der Bar. Kuba bietet wahrscheinlich die besten Cocktails der Welt, im Vergleich zu Österreich muss man aber trinkfest sein. Wenn der Kellner den Drink mixt, zählt er beim Einschenken des Rums drei Sekunden runter. Auch das Essen ist deftig. Drei Mal am Tag kann man in einem großen Saal aus fünf oder sechs unterschiedlichen Buffets wählen. Uns fehlt es praktisch an nichts. Wer von seinem stressigen Job einmal so richtig abschalten will, findet hier Ruhe und Entspannung.
Wir verlassen Kuba mit gemischten Gefühlen: Einerseits sind wir auf Menschen getroffen, die mit einem Minimum an Geld leben müssen und trotzdem glücklich sind. Andererseits auf eine Welt im Überfluss, die Entspannung vom hektischen Alltag bringt, aber so gar nicht ins Bild des Landes passt.
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Fazit: Kuba ist wirklich eine Reise wert. Man sollte das Land so schnell wie möglich bereisen, da Kuba durch die Öffnung zu den USA bereits erste Investoren anlockt. Wer also das Kuba der letzten 60 Jahre erleben möchte, sollte seine Reise in den nächsten ein oder zwei Jahren planen. Die Rundreise bringt dir zwar das Land näher. Letztendlich ist es aber natürlich schwer für Europäer, das Lebensgefühl, die politischen Umstände und das Denken der Menschen zu verstehen.
Fotos: heldenderfreizeit.com
Der Redakteur und Digital Marketing Spezialist ging für die Helden der Freizeit auf Reise- und Sport-Abenteuer.