In der KiWi Musikbibliothek schreiben bekannte Literaten über ihre Musikhelden. Neuester Band: Melanie Raabe über Lady Gaga. Wie gelungen diese Hommage ist und was euch in den Büchern über Depeche Mode, die Beatles und Leonard Cohen erwartet.
von Christian Orou
22. März 2021: Literatur und Musik: Zwei Felder dich sich schon immer gegenseitig befruchten. Der KiWi-Verlag hat diese Liebesbeziehung in eine Buchreihe gegossen: Die Kiwi Musikbibliothek.
In bereits 12 Bänden (weitere sollen noch kommen) schreiben Autoren über ihre liebsten Musiker. Rechtzeitig vor dem 35. Geburtstag von Lady Gaga (am 28. 3.) hat sich Thriller-Autorin Melanie Raabe jetzt mit dem schrillen Weltstar beschäftigt. Was in dem kleinen Buch steckt und einen Blick auf drei weitere Bände der Reihe.
Lady Gaga ist wandelbar. Sie trat in den verrücktesten Verkleidungen bei den größten Events auf und sorgt dort für Aufsehen und Skandale. Sie ist aber auch eine großartige Musikerin mit einem Gespür für den Zeitgeist, die mit Hits wie Pokerface oder Paparazzi ganz vorne in den Charts landete. Lady Gaga nahm mit dem großen Crooner Tony Bennett eine CD mit Jazz-Standard auf und sie wurde für ihre schauspielerische Leistung im Remake des Klassikers A Star is born für einen Oscar nominiert und erhielt schließlich im selben Jahr einen anderen für den besten Filmsong.
Durch ihren Erfolg, ihren Mut und ihre vielen Gesichter ist sie ein Role-Model für viele Mädchen, die in den 90er-Jahren aufgewachsen sind. Wie zum Beispiel für die Autorin Melanie Raabe. Die 39-Jährige kennt man vor allem als Autorin spannender, düsterer Thriller. Der Verlag Kiepenheuer und Witsch gab ihr in seiner Musikbibliothek die Chance, auch ihre poetische Seite zu entdecken. In ihrer Hommage an die Pop-Ikone Lady Gaga wandelt sie zwischen manisch-pubertierenden Schwärmereien und lyrisch-traurigen Erinnerungen an ihre Kindheit in Ostdeutschland, in der die Figur der Lady Gaga noch kein Thema war.
Wie bei vielen Bänden der KiWi Musikbibliothek erfährt man im Laufe der Lektüre viel mehr über die Autor*innen als über den Star. Im Falle von Raabe entstand eine Art Autobiographie mit Special-Guest Lady Gaga, die immer wieder in verschiedenen Formen in Raabes Leben tritt. Lady Gaga nimmt mit ihrer Musik Einfluss auf Raabe, sie erscheint aber auch immer wieder in ihren Träumen als eine moderne, trashige Fee.
Und immer wieder ist es Lady Gaga, die Raabe dazu bringt, ihre Texte zu veröffentlichen, sich endlich zu trauen, loszulassen, zu springen, ihren Kokon abzustreifen und neue Facetten an sich zu entdecken. Das sind mitunter die schönsten und berührensten Momente des Buches. Mit Lady Gaga ist Melanie Raabe ein Text gelungen, der nicht nur mit viel Poesie die Beziehung zwischen Star und Fan beschreibt. Sie verknüpft zwei Biographien. Hat man das Buch fertig gelesen, hat man Lust, eine Lady Gaga-CD in den Player zu legen und dazu ein Buch von Melanie Raabe zu lesen.
Für Depeche Mode konnte der Verlag den Autor und Moderator Markus Kavka gewinnen. In seinem Job als VIVA-Moderator hatte er öfter die Möglichkeit mit Dave Gahan und Co. Interviews zu führen und er traf seine Helden bei verschiedenen Festivals. Er beginnt mit einem Interview mit Martin Gore, schweift aber sehr schnell in seine eigene Vergangenheit ab und sucht nach Schnittpunkten, die seine eigene musikalische Welt mit jener von Depeche Mode verbinden. Sein erstes Mix-Tape, seine ersten Schritte ins Musikgeschäft und seine erste Band, die natürlich Songs von DM coverte.
Depeche Mode von Markus Kavka wirft einen sehr subjektiven Blick auf die Band aus der Perspektive eines Fans. Eines Fans, der etwas bekommen hat, von dem andere nicht zu träumen wagen: ein Treffen mit seinen Helden. Kavka schildert seine Passion und baut dabei mit einem Augenzwinkern die eine oder andere Peinlichkeit ein. Dieser Band der KiWi Musikbibliothek ist ein Buch, das nicht nur eingefleischten DM-Fans Spaß machen wird.
Die Beatles überließ der Verlag Frank Goosen. Und das war eine gute Wahl. Das Buch ist ein kleiner Tryptichon, fast schon ein dreiteiliger Altar, geschaffen um die heilige Vierfaltigkeit John, Paul, George und Ringo anzubeten.
Im ersten Teil erzählt Goosen, wie er die Beatles als junger Mensch für sich entdeckte. Dabei spannt er den Bogen von den ersten, dem schlechten Englisch geschuldeten, missverstandenen Texten, über die von Vater geschenkten Platten bis hin zu den dilettantischen Versuchen, die Songs der Fab Four umzuinterpretieren und sich dazu zu eigenen Liedern inspirieren zu lassen.
Der zweite Teil ist einer Reise durch Liverpool gewidmet, in der Goosen mit seiner Familie den Spuren der Beatles folgt. Dass sich der Städtetrip zu einer Art Pilgerreise entwickelt, liegt auf der Hand. Im letzten Teil beschäftigt sich der Autor mit dem Gesamtwerk. Er hört sich chronologisch durch alle Hits, um danach, sozusagen als Zugabe, über sein Fantum Bilanz zu ziehen. Mit „The Beatles“ ist Frank Goosen ein schönes Stück Popliteratur gelungen. Falls ihr euch durch ihre Hits hören wollt, hier unsere Top-10 ihrer besten Lieder. Und hier unsere John Lennon Charts.
Einen ganz anderen Zugang als Frank Goosen wählt der Autor Klaus Modick in seinem Buch über Leonard Cohen. Er verpackt seine Hommage in eine Erzählung, die er wie zwei Alben aufbaut.
Im ersten Teil schickt er seinen Protagonisten Lukas als Teil eines Folk-Duos auf eine Insel im Norden Deutschlands. Er ist gerade der Pubertät entwachsen und auf dem Weg, seine Männlichkeit zu entdecken. In fünfzehn kurzen Kapiteln, Modick nennt sie Tracks, führt er Lukas zum ersten Sex und zur ersten großen Liebe. Und über allem schwebt Cohens Suzanne.
Das zweite Album lässt Modick in der Gegenwart beginnen. Ein Foto entführt Lukas in seine Vergangenheit. Eine Zeit des Selbstzweifels und der Selbstfindung. Geplant ist eine spontane Reise nach Nepal, die bereits bei Saloniki endet. Begleitet wird Lukas dabei von einem Gedichtband von Leonard Cohen.
In Modicks Buch spielt Cohen nur eine Nebenrolle aber ist doch immer präsent. Es scheint, als würde er die Geschichte mit seiner markanten Stimme erzählen. Oder in der griechischen Taverne am Nebentisch sitzen und ein Gedicht schreiben.
Mehr für Musikliebhaber und Buchfreunde gibt es in unserem Hörer– bzw. Leserbereich. Mit Rezensionen zu Alben und Büchern, aber auch Guides und Bestenlisten:
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Aufmacherfoto: (c) Kevin Mazur/heldenderfreizeit.com/Marina Weigl
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